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Europäischer Gerichtshof angerufen

EU-Kommission verklagt Ungarn wegen "Homo-Propaganda"-Gesetz

Jetzt macht die Behörde von Ursula von der Leyen ernst und geht rechtlich gegen die ungarische Gängelung von LGBTI vor.


EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat Ungarn mehrfach wegen der LGBTI-feindlichen Haltung kritisiert (Bild: Jim Mattis / flickr)

Die EU-Kommission hat am Freitagmittag eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof gegen Ungarn angekündigt, weil das Land die Rechte von queeren Menschen in dem Land verletzt habe. "Es gibt keinen Platz für Diskriminierung in Europa basierend auf der sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität", erklärte die Brüsseler Behörde auf Twitter.

Twitter / EU_Commission

Hintergrund ist ein im Juni 2021 vom Budapester Parlament beschlossenes Gesetz (queer.de berichtete). Demnach dürfen Kinder und Jugendliche keinen Zugang zu Informationen über nicht-heterosexuelle oder nicht-cisgeschlechtliche Lebensformen haben – sei es im Schulunterricht oder über Publikationen. Da das Verbot sich nicht auf pornografische oder obszöne Darstellungen beschränkt und sehr weit gefasst ist, schränkt es praktisch die Sichtbarkeit von queeren Menschen in der Öffentlichkeit ein.

Bereits kurz nach Inkrafttreten des Gesetzes hatte die EU ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn eingeleitet (queer.de berichtete). Damals betonte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen, Europa werde "niemals zulassen, dass Teile unserer Gesellschaft stigmatisiert werden". Ungarn wurde Zeit gegeben, die EU-Bedenken auszuräumen – das hat Budapest aber nicht getan.

Gesetz diskriminiert "eindeutig Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung"

"Die Kommission ist der Auffassung, dass das Gesetz gegen die Binnenmarktvorschriften, die Grundrechte von Einzelpersonen (insbesondere LGBTIQ-Personen) sowie – in Bezug auf diese Grundrechte – gegen die Werte der EU verstößt", erklärte die EU-Kommission in einer Pressemitteilung. "Der Schutz von Kindern hat für die EU und ihre Mitgliedstaaten absolute Priorität. Das ungarische Gesetz enthält jedoch Bestimmungen, die nicht durch das Eintreten für dieses Grundinteresse gerechtfertigt sind oder die im Hinblick auf das Erreichen des erklärten Ziels unverhältnismäßig sind." Mit dem Gesetz würden "eindeutig Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert".

Die Klage beruht darauf, dass die EU-Kommission als "Hüterin der Verträge" auch die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit in der Staatengemeinschaft überwacht. Die Behörde argumentiert, dass Ungarn mit ihrem gegen queere Menschen gerichteten Gesetz etwa gleich gegen mehrere Vorschriften in der EU-Grundrechtecharta verstößt. Konkret geht es um die Unantastbarkeit der Würde des Menschen, das Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit, das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens sowie das Recht auf Nichtdiskriminierung (Artikel 1, 7, 11 und 21). "Die Kommission wird alle ihr zur Verfügung stehenden Instrumente einsetzen, um diese Werte zu verteidigen", verkündete die EU-Exekutive.

Twitter / VeraJourova | EU-Kommissionsvize Věra Jourová vermeldet den Gang vor das Luxemburger Gericht auf Twitter
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Die LGBTI Intergroup – eine Vereinigung von Europaabgeordneten, die sich für queere Rechte einsetzt – begrüßte die Klage als "historisch", wie Intergroup-Vizepräsident Pierre Karleskind erklärte. Der französische Liberale sagte, dass die Kommission zum ersten Mal das höchste EU-Gericht anrufe, weil ein Mitgliedsstaat LGBTI-Rechte verletze. Die deutsche Intergroup-Co-Chefin Terry Reintke (Grüne) ergänzte, dass das seit einem Jahr gültige ungarische Gesetz bereits negative Auswirkungen auf die (mentale) Gesundheit queerer Menschen gehabt und das Vertrauen in den Staat beschädigt habe.

Twitter / LGBTIintergroup

In einer zweiten Klage will die EU-Kommission auch gegen den Entzug der Sendelizenz für den ungarischen Sender Klubrádió im Februar 2021 vorgehen. Klubrádió hatte als letzter unabhängiger Rundfunksender des Landes gegolten, der professionell betrieben wird. Sollte sich Ungarn nicht an die nun zu erwartenden Urteile des Europäischen Gerichtshofs halten, drohen dem Land hohe Geldstrafen.

Die EU-Kommission hatte bereits im April die Kürzung von EU-Fördermitteln für Ungarn angekündigt und begründete dies mit Problemen mit der Rechtsstaatlichkeit (queer.de berichtete).
(dk)

Artikel mehrfach ergänzt

16 Kommentare

#1 PhilAnonym
#2 PrideProfil
#3 Julian 80Anonym
  • 15.07.2022, 13:31h
  • Sehr gut. Das hätte man schon viel eher machen müssen. Denn je länger solche Gesetze bestehen, desto mehr negative Auswirkungen haben sie auf die ganze Gesellschaft. Und irgendwann ist dann der Hass so verbreitet, dass er auch ohne Gesetz nicht mehr weggeht.
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#4 NickAnonym
  • 15.07.2022, 14:29h
  • Antwort auf #3 von Julian 80
  • @ Julian 80:
    Gut zusammengefasst.

    Frage:
    Was genau passiert, habe ich noch nicht ganz verstanden.
    Das Land wird verklagt. Und dann?
    Hohe Geldstrafen, einfach so?
    Oder nur, falls sie das Gesetz nicht zurücknehmen?
    Was passiert, wenn sie sich weigern zu zahlen?
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#5 MagsAnonym
#6 PrideProfil
  • 15.07.2022, 16:08h...
  • Antwort auf #4 von Nick
  • Mags hat da wohl recht. Wenn die EU-rechtswidrigen Gesetze und Bestimmungen nicht innerhalb einer vom EuGH gesetzten Frist abgeschafft werden, muß für die jeweiligen gut geblecht werden. Und wenn Orban nicht blechen will, werden EU-Fördergelder gestrichen, was auch fortlaufend gestaffelt sein kann, wenn Orban nicht kapieren will.
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#7 Gemeiner_HaiProfil
  • 15.07.2022, 18:11h
  • Antwort auf #4 von Nick
  • Je nachdem, wie weit sich das Ganze hochschaukelt, könnte Ungarn aus der EU ausgeschlossen werden. Das hieße dann zwar einerseits, dass Ungarn seine Politik ohne Einmischung aus Brüssel betreiben könnte (die in diesem Fall allerdings legitim ist, denn Ungarn hat sich ja freiwillig den Spielregeln der EU unterworfen), was Orbán sicher begrüßen würde. Andererseits gingen aber auch Hilfszahlungen, Fördergelder, EU-Freizügigkeit usw. verloren. Und das könnte zum Problem werden, denn Nationalismus macht nicht satt.

    Der einzige Grund, auf einen solchen Ausschluss zu verzichten, ist in aller Regel Geopolitik. Die Türkei etwa ist vor allem deshalb noch NATO-Mitglied und enger EU-Partner, weil das Land als Drehkreuz zwischen Westeuropa, Russland und dem Nahen Osten strategisch günstig liegt. Dadurch ist Ankara als Bündnispartner wichtiger als irgendwelche Werte. Bei Ungarn sehe ich allerdings keine entsprechenden Asse, weder geopolitische noch wirtschaftliche.
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#8 PrideProfil
#9 Gemeiner_HaiProfil
#10 Only a dreamAnonym
  • 15.07.2022, 19:19h
  • Antwort auf #9 von Gemeiner_Hai
  • Eine Suspendierung muss vom Europäischen Rat einstimmig beschlossen werden.
    Polen wird da nicht mitmachen und seine Brüder im Geiste ans Messer liefern.
    Zumal sich Polen damit selbst ins Knie schießen würde. Damit wäre nämlich ein erfolgreiches Verfahren gegen Polen wahrscheinlicher, wenn dem Verbündeten das Stimmrecht entzogen würde.
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