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Knappe Entscheidung

17. Juli 2002: Lesbisch-schwule Paare mussten nicht mehr zittern

Heute vor 20 Jahren scheiterten die unionsgeführten Länder Bayern, Sachsen und Thüringen vor dem Bundesverfassungsgericht mit ihrer Klage gegen die eingetragene Lebenspartnerschaft.


Das Bundesverfassungsgericht fällte am 17. Juli 2002 ein wegweisendes Urteil (Bild: IMAGO / photothek)

Es war ein erster und wichtiger Schritt zur Ehe für alle: Seit dem 1. August 2001 konnten gleichgeschlechtliche Paare in Deutschland eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingehen. Zu Beginn gab es noch mehr Pflichten als Rechte, doch zum ersten Mal wurden homosexuelle Beziehungen vom Gesetzgeber anerkannt.

Über die ersten verpartnerten Paare schwebte allerdings fast ein Jahr lang das Damoklesschwert, dass ihre "Ehe light" für ungültig erklärt wird. Denn die drei unionsgeführten Bundesländer Bayern, Sachsen und Thüringen hatten vor dem Bundesverfassungsgericht gegen das Gesetz der rot-grünen Bundesregierung geklagt. Sie beriefen sich dabei auf Artikel 6 des Grundgesetzes. Dort heißt es: "Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung". Selbst die FDP hatte Verfassungsbedenken gegen die Reform angemeldet und im Bundestag dagegen gestimmt.

5 Richter*innen dafür, 3 dagegen

Eine einstweilige Anordnung gegen das Lebenspartnerschaftsgesetz hatte Karlsruhe bereits vor Inkrafttreten abgelehnt, das Urteil in der Hauptsache fiel jedoch erst am 17. Juli 2002. Es bedeutete eine große Klatsche für die früheren Ministerpräsidenten Edmund Stoiber (CSU), Kurt Biedenkopf (CDU) und Bernhard Vogel (CDU). Die sogenannte Homoehe ist verfassungsgemäß, stellte das Bundesverfassungsgericht fest. Der besondere Schutz der Ehe im Grundgesetz verbietet es dem Gesetzgeber nicht, Rechte und Pflichten für gleichgeschlechtliche Paare festzulegen, die denen der Ehe gleich oder nahe kommen. Dem Institut der Ehe drohen keine Einbußen durch ein Institut, das sich an Personen wendet, die miteinander keine Ehe eingehen können.

Die Entscheidung fiel allerdings knapp aus. Fünf Verfassungsrichter*innen stimmten für die Abweisung der Normalkontrollklage, drei dagegen. Gerichtspräsident Hans-Jürgen Papier und die Richterin Evelyn Haas veröffentlichten Sondervoten. Man möchte es sich nicht ausmalen: Andere Mehrheitsverhältnisse im Senat hätten Deutschland um Jahrzehnte zurückgeworfen.

In Trippelschritten zur Ehe für alle

In Karlsruhe erfolgreicher waren dagegen gleichgeschlechtliche Paare, die in späteren Jahren gegen Ungerechtigkeiten des Lebenspartnerschaftsgesetzes klagten – auch unter Berufung auf das wegweisende Urteil vom 17. Juli 2002. Den größten Erfolg erzielten sie 2013, als das Bundesverfassungsgericht die Gleichbehandlung im Einkommenssteuerrecht anordnete. Karlsruhe hatte bereits zuvor die Ungleichbehandlung in der Hinterbliebenenversorgung und im Erbschaftssteuerrecht gekippt. Dabei argumentierten die Richter*innen stets, dass laut Artikel 3 alle Menschen "vor dem Gesetz gleich" seien – und das schließe eben auch Schwule und Lesben ein (queer.de berichtete). Homosexuelle mit Kindern seien zudem eine Familie im Sinne des Grundgesetzes, argumentiere das Gericht zudem 2013, als es die Nichtzulassung der Sukzessivadoption durch eingetragene Lebenspartner für verfassungswidrig erklärte (queer.de berichtete).

In einer Bundestagsdebatte im Jahr 2000 hatte der FDP-Politiker Wolfgang Gerhardt noch darauf verwiesen, dass die Einführung des Lebenspartnerschaftsgesetzes die Akzeptanz für homosexuelle Paare in der Gesellschaft "eher verkleinert" und das gemeine Volk "provoziert". Eine krasse Fehleinschätzung: Vielmehr hat die Lebenspartnerschaft homosexuelles Leben in der Bevölkerung entmystifiziert und damit auch die irrationale Angst vor der Ehe für alle abgebaut.

Die Lebenspartnerschaft als Relikt der Vergangenheit

Als immer mehr Teile der Gesellschaft die Ehe für alle forderten und SPD, FDP und Grüne sie zur Koalitionsbedingung machten, räumte die Bundesregierung in jener jetzt legendären letzten Juni-Woche des Jahres 2017 das Thema schließlich binnen weniger Tage ab (queer.de berichtete). Seit 1. Oktober 2017 dürfen damit homo- und heterosexuelle Paare Seit' an Seit' in allen Standesämtern der Republik heiraten – und erhielten damit erstmals auch ein vollständiges Adoptionsrecht. Diesmal verzichtete Bayern auf eine Verfassungsklage – allerdings erst nachdem zwei Rechtsgutachten keine Erfolgschancen sahen (queer.de berichtete).

Das Lebenspartnerschaftsgesetz ist jetzt nur noch ein Relikt der Vergangenheit, das langsam in Vergessenheit gerät. Paare, die sich bis Herbst 2017 verpartnert hatten und ihre Lebenspartnerschaft bislang nicht in eine Ehe umgewandelt haben, können das "Ehe light"-Konstrukt behalten – es ist allerdings nicht mehr möglich, sich neu zu verpartnern. (cw)

#1 PhilAnonym
  • 17.07.2022, 08:35h
  • Ein erster großer Schritt für die Gleichberechtigung. Bis heute aber keine Entschuldigung der drei alten Männer der CDU/CSU dazu. Das sollte allen zu denken geben die die Homofeindlichkeit eines Teils der C-Parteien relativieren
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#2 BiedopfAnonym
#3 PeerAnonym
  • 17.07.2022, 19:42h
  • Unfassbar, wie lange die Union uns selbst reduzierte Rechte nicht zugestehen wollte.

    Wenn Sie nicht wieder auf der falschen Seite der Geschichte stehen will, sollte sie sich jetzt sehr schnell für eine Ergänzung von Art. 3 GG aussprechen.

    Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben!
    Und der Wähler!!
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#4 TechnikerAnonym
  • 18.07.2022, 08:11h
  • Ach ja... Bernhard Vogel...

    "Es bedeutete eine große Klatsche für die früheren Ministerpräsidenten (..) Bernhard Vogel (CDU)."

    ...was diesen - räusper, hüstel - "eingefleischten Junggesellen" ritt, muss man nicht verstehen. Aber dürfte dasselbe Phänomen sein wie in Teilen des katholischen Klerus.

    taz.de/!1151324/
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#5 Lucas3898Anonym
  • 18.07.2022, 16:28h
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    www.abendzeitung-muenchen.de/muenchen/repression-gegen-schwu
    le-szene-kvr-will-gauweilers-zeit-aufarbeiten-art-829816
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