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Jugendroman
Dylan trauert um seine erste große Liebe Ellis
Eine schwule Jugendliebe, Coming-out, Schuldrama, Intrigen, ein tragischer Verlust, Familienprobleme, Krankheit, Ermittlungen und vielleicht sogar Mord? Im Roman "Letztendlich waren wir auch nur verliebt" kommt einiges zusammen.
20. Juli 2022, 08:03h - 4 Min. Von
Dylan ist schüchtern, liest mit Begeisterung Comics und verknallt sich in den neuen Schüler Ellis. Und Überraschung: Ellis steht auch auf Dylan, trotz all ihrer Unterschiede. Denn Ellis ist sportlich, beliebt, extrovertiert, out and proud und sofort bekannt wie ein bunter Hund. Als online ein heimlich gefilmtes Video auftaucht, das die beiden beim sehr intensiven Rummachen auf der Schultoilette zeigt, ergreifen sie die Flucht nach vorn: Dylan outet sich seiner Familie gegenüber und die beiden führen ihre Beziehung öffentlich. Der Himmel ist blau, und die Zukunft der beiden sieht rosig aus. Doch das große Unglück wartet natürlich bereits hinter der nächsten Kurve…
Queere Liebe in der Schule lässt sicher zuerst einmal an die gerade in aller Munde befindliche Netflix-Serie "Heartstopper" denken. Doch "Letztendlich waren wir auch nur verliebt" verfolgt ein ganz anderes Ziel und fällt in eine andere Kategorie.
Es ist mir immer ein Anliegen, möglichst wenige Details der Handlung in einer Besprechung zu verraten. In diesem Falle ist es jedoch notwendig, ein sehr drastisches Ereignis zu benennen, um William Husseys Roman "Letztendlich waren wir auch nur verliebt" (Amazon-Affiliate-Link ) effektiv zu besprechen. Die Handlung kommt nämlich ins Rollen, als die vermeintliche Idylle der beiden Jungen durch einen Autounfall zerrissen wird, bei dem Ellis ums Leben kommt.
Das große Drama der Liebe

Der Jugendroman "Letztendlich waren wir auch nur verliebt" ist am 20. Juli 2022 bei dtv erschienen
Die erste Liebe und der erste Liebeskummer gehören wohl zu den fast universellen Erlebnissen, die die meisten Menschen kennen. Das macht es einerseits leicht, an die Gefühle von Verlust anzuknüpfen, die der plötzlich allein dastehende Dylan empfindet. Doch das macht es auch schwer, die Drastik dieser jugendlichen Gefühle einzufangen, da ja doch die meisten über das Verlassenwerden hinwegkommen und weiterleben. Doch das gelingt Autor William Hussey hier durch den geradezu perfiden Trick, den Geliebten sterben zu lassen. Somit sind die überbordenden Gefühle selbst für abgebrühte erwachsene Liebende erschütternd.
Dylan hat das Gefühl, alles verloren zu haben – weil er es tatsächlich gerade hat. Als lesende Person kann mensch dem trauernden Teenager nicht einfach zurufen, er solle sich nicht so anstellen. Die titelgebende Erkenntnis muss durch die Lektüre erarbeitet werden. Dass die Romanhandlung im weiteren Verlauf dennoch eine Leichtigkeit und einen Witz behält, ist zu loben. Durch das Einflechten einer Kriminalhandlung bleibt man am Ball. Die Überwindung der Trauer durch detektivische Ermittlungsabläufe sind als Analogie annehmbar. Dass Ellis viel zu perfekt ist und makellos erscheint, ist aus Perspektive des trauernden Dylan geradezu zwangsläufig.
Das kleine Drama der Sprache

Autor William Hussey (Bild: privat)
Was im Großen auf der Ebene der Konstruktion gelingt, bricht im Kleinen auf sprachlicher Ebene etwas zusammen. Leider ist der Roman an einigen Stellen unsauber gearbeitet. Zwar geht der Ton des Erzählers als glaubhaft jugendlich durch, doch sind einige Mängel ganz klar anzumerken. So ist der grundsätzliche Erzählanlass fragwürdig. Wieso wird diese Geschichte von dieser Figur erzählt, ja sogar aufgeschrieben? Diese Unklarheit entsteht vor allem aus der uneindeutigen Erzählsituation. Dylan ist zwar der Erzähler der Geschichte, doch er scheint selbst nicht zu wissen, wem er sie erzählt. Mal spricht er über seinen verstorben Freund Ellis, dann spricht er ihn wieder direkt an. Nach hundert Seiten wendet er sich auf einmal an die Lesenden.
Zu diesem etwas grundsätzlichen Problem kommen leider immer wieder kleine sprachliche Sandsteinchen, die sich ins Getriebe mischen und den Lesefluss stören. An einigen Stellen ist etwa die Exposition, die reine Vermittlung von Information an die Lesenden, störend holprig. Beispielsweise sagt Dylans Mutter seinem Bruder, dass Dylan gerade erst Geburtstag hatte, um einen Grund zu haben, sein Alter auszusprechen und somit den Lesenden mitzuteilen. Das ist etwas flach.
Die Jugend ist queer
Queere Inhalte in Film, Fernsehen und Literatur boomen derzeit. Das ist aber auch nicht verwunderlich: Immer mehr junge Menschen identifizieren sich als queer. In den USA z.B. stieg der Anteil queerer Menschen unter 24 von rund sechs Prozent vor zehn Jahren auf über 20 in diesem Jahr. In Anbetracht dessen ist es eigentlich verwunderlich, dass nicht auch jedes fünfte Jugendbuch queer ist.
Autor William Hussey setzt seine Bekanntheit aktiv für Aufklärung und Information ein. Er geht regelmäßig an Schulen, um dort mit Jugendlichen über queere Themen zu sprechen. Sein Roman "Letztendlich waren wir auch nur verliebt" bietet in diesem Sinne ein erfreuliches Identifikationsmoment für eine junge queere Generation. Es wäre zu wünschen, dass das mit etwas mehr sprachlicher Finesse geschähe.
William Hussey: Letztendlich waren wir auch nur verliebt. Roman. Aus dem Englischen von Alexandra Rak. 320 Seiten, dtv. München 2022. Taschenbuch; 15 € (ISBN 978-3-423-74080-7. E-Book: 12,99 €

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