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Neu auf Netflix

"Sex and the City" auf schwul

24 Jahre nach der ersten Staffel von "Sex and the City" kreiert dessen Schöpfer Darren Star mit "Uncoupled" eine Art schwule Version der Kult-Serie. Hat die Netflix-Produktion mit Neil Patrick Harris in der Hauptrolle das Potential, ebenfalls ein Popkultur-Phänomen zu werden?


Michael (Neil Patrick Harris, r.) entdeckt die Freuden des Single-Daseins – hier mit Paolo (Gilles Marini) (Bild: Netflix)

Als der offen schwule Darren Star in den späten 1990er Jahren als Showrunner bei der HBO-Produktion "Sex and the City" einstieg, waren (dreidimensionale) schwule Figuren in Film und Fernsehen eine Seltenheit. Wie schon in den Dekaden zuvor, haben sich queere Männer in den 1990ern ob des Mangels an authentischer Repräsentation mit weiblichen Figuren identifiziert. In "Sex and the City" gab es gleich vier mögliche Projektionsflächen: die egozentrische, neurotische und quirlig-stylische Carrie Bradshaw (Sarah Jessica Parker); die zynisch-pragmatische und loyale Miranda Hobbes (Cynthia Nixon); die naiv-konservative und beziehungssuchende Charlotte York (Kristin Davis) und natürlich die sexpositive und nie um einen flotten Spruch verlegene Samantha Jones (Kim Cattrall). Insbesondere Letztere dient für viele Fans der Serie als Stand-In für schwule Männer, die in den späten 1990ern so noch nicht gezeigt werden konnten. "Sex and the City" selbst präsentierte in fast 100 Episoden nicht einmal eine Handvoll Schwuler, die – getränkt in Klischees – in der Regel nur dazu dienten, die Storylines der vier Hauptfiguren zu unterstützen.

Star kreierte zuletzt für Netflix "Emily in Paris", die sich in den Augen dieses Autors nicht damit rühmte, vielschichtige queere Figuren zu zeichnen. Am 29. Juli erschien Darren Stars zweite Produktion für die Streaming-Plattform, dieses Mal mit einem schwulen Mann als Hauptcharakter. Schafft der Showrunner es 24 Jahre nach "Sex and the City" und einigen anderen Serien, in denen er Mitglieder der LGBTI-Community primär am Rand zeigte, dreidimensionale queere Figuren zu zeigen?

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Unfreiwillig Single mit Ende vierzig


Poster zur Serie: "Uncoupled" läuft seit 29. Juli 2022 auf Netflix

Im Zentrum von "Uncoupled" steht der Endvierziger Michael (Neil Patrick Harris), der seit 17 Jahren mit seinem Partner Colin (Tuc Watkins) zusammen ist. Die zwei sind beruflich erfolgreich, haben viel Geld und wohnen in einer traumhaften Wohnung in Manhattan – also "Sex and the City"-Standard ab der fünften Staffel. Es ist Colins 50. Geburtstag, und Michael plant eine Überraschungsparty für ihn. Doch bevor die beiden durch die Türe treten, hinter der Colin ein simples Dinner for two erwartet, verkündet der, dass er aus dem gemeinsamen Loft ausgezogen ist. Die Beziehung ist beendet. Das Leben unseres Protagonisten bricht in den ersten fünf Minuten der Pilotfolge in sich zusammen.

Michael ist als Figur irgendwo zwischen Charlotte und Carrie aus "Sex and the City", Will aus "Will & Grace" und Mitchell aus "Modern Family" zu verorten. Interessanterweise ist "Uncoupled von Star und Jeffrey Richman kreiert worden. Letzterer wirkte viele Jahre an "Modern Family" mit. Michael ist egozentrisch, bieder, verklemmt und macht bereits in den ersten paar Minuten einen Witz, der Anfang der 2000er bei "Will & Grace" vielleicht noch funktioniert hätte, als er einem flamboyant anmutendem Freund am Telefon sagt: "Nicht Schreien. Deinetwegen werden blaue Staaten rot." Diese Form des Femme-Shamings erinnert an die Spitzen, die Will kontinuierlich in die Richtung von Jack warf.

Eindimensional schwul

Michael hat zwei beste Freunde: Billy (Emerson Brooks) und Stanley (Brooks Ashmanskas). Die beiden verorten sich auf zwei Seiten des Gay-Stereotyp-Barometers.

Billy ist klassisch attraktiv, straight-acting und ausschließlich auf Sex mit jungen Männern aus. Er kann kaum über etwas anderes reden als die Fuckability der Männer in seinem Umfeld. Wo Samantha in ihrer Sex-Positivity in den frühen Staffeln, in denen sie noch etwas weniger Tiefe besaß, wenigstens für die lautesten Lacher sorgte, existiert Billy ausschließlich an der Oberfläche, ohne jeglichen Unterhaltungsfaktor.


Stereotype Schwule: Michael mit seinen beiden besten Freunden Stanley (Brooks Ashmanskas, l.) und Billy (Emerson Brooks, r.) in der Auftaktfolge (Bild: Netflix)

Ihm gegenüber steht Stanley, ein leicht übergewichtiger, flamboyanter Kunst-Liebhaber, dessen Sexleben bei weitem nicht so aktiv ist, wie das von Billy oder Michael. Das eine Mal, wo er eine intime Begegnung hat, stellt sich heraus, dass der Sexpartner Profit aus Stanleys Kunst-Connections schlagen will. Die Message ist klar: Als jemand, der nicht den gängigen Schönheitsidealen entspricht, ist der schwule Dating-Pool ein Haifischbecken. Reflektiert wird dies so gut wie gar nicht. Die Sexszene wird zudem für den Humor inszeniert.

Ernsthafter und leidenschaftlicher Sex bleibt nur Michael vergönnt. Selbst das aktive Sexleben von Billy existiert ausschließlich in Erzählungen und wandernden Blicken, während seine Freunde versuchen, sich mit ihm zu unterhalten.

Die Frauen in Michaels Leben

Ist es ironisch, dass in der ersten Serie, die Darren Star über eine explizit schwule Hauptfigur und dessen Umfeld kreieren durfte, dennoch die weiblichen Charaktere die unterhaltsamen und interessanten sind? Michaels engste Verbündete ist seine Kollegin Suzanne (Tisha Campbell), mit der er im fade skizzierten Immobiliengeschäft arbeitet. Suzanne ist alleinerziehende Mutter eines erwachsenen Sohns und Dauer-Single. Sie ist auf der Suche nach einem Mann in ihrem Leben, dabei aber nicht sonderlich erfolgreich. Sie erinnert in ihren lockeren Sprüchen und ihrem Pragmatismus an eine Mischung aus Samantha und Miranda und ist mit Abstand die sympathischste Figur.


Sympathischte Figur der Serie: Michael mit seiner Kollegin Suzanne (Tisha Campbell) (Bild: Netflix)

Dazu gibt es noch eine neue Kundin der beiden, Claire (Marcia Gay Harden), die in ihrem kompromisslosen Reichtum an Karen Walker erinnert, aber nicht ausreichend gut geschriebenes Material erhält, das ihrem Schauspiel gerecht wird. Potential besteht bei ihrer Figur jedoch.

Eine der besten Szenen der Serie zeigt Suzanne mit Claire und einer weiteren Freundin in einer Bar. Man ist fast enttäuscht, wenn Michael wieder ins Bild gerückt wird und in getreuer Carrie-Manier nur über sich selbst redet.

Nachhilfestunde in PrEP

Michael ist nicht glücklich über sein neu gefundenes Single-Dasein. Versessen wie Charlotte und bedürftig wie Carrie sieht er sich an der Seite eines Mannes. Dabei scheinen ihm seine eigenen Bedürfnisse gar nicht so klar. "Uncoupled" ist – neben den Szenen um Suzanne – am stärksten, wenn es um Michaels Desorientierung als Single geht. Die Verwirrtheit darüber, was schiefgelaufen ist, wird sehr nachvollziehbar dargestellt. Es sind zudem die Szenen in denen Harris' Schauspiel am stabilsten ist. Wenn er in den Sitcom-Modus umschaltet, wird es zum Teil cringe-y, und die Serie verliert ihre Herzlichkeit.

Michael versucht sich durch das Gay New York der Gegenwart zu manövrieren und ist schockiert ob der Veränderungen der letzten 17 Jahre, in denen er gemütlich und monogam an der Seite von Colin lebte. Für heterosexuelle Zuschauer*innen gibt es beispielsweise eine Nachhilfestunde in PrEP, als ein Lover von Michael sagt, dass niemand mehr Kondome benutze. Als er entsetzt nach all den anderen STIs fragt, die man sich bei Bareback-Sex einfangen kann, wird er als verbittert abgestempelt.

Ein Mann mit einem übermäßig großen Penis will Michael ein Betäubungsmittel in den Schließmuskel spritzen, sodass dieser das mächtige Glied in sich eindringen lassen kann.

Überall geht es nur um Sex


Michael im Bett, ausnahmsweise allein (Bild: Netflix)

Prinzipiell geht es überall nur um Sex. Wenn ein Schwuler auf einen anderen trifft, begegnet er ihm entweder biestig und abwertend oder sagt ihm, wie sexy und attraktiv er ist. Aufrichtige Freundschaften existieren nicht. Es ist oberflächlich, feindselig oder fokussiert auf Sex. Es ist eine Darstellung, die an die späten 1990er, frühen 2000er – auch in "Sex and the City" am Beispiel der zwei Quoten-Schwulen Stanford und Anthony – erinnert.

Für Fans von "Sex and the City" gibt es einige Referenzen zur HBO-Serie. So trägt Suzanne keine Manolo-Blahnik-Schuhe, sondern SJPs (Sarah Jessica Parker). Ein Therapeut wird von dem schwulen Mann aus Charlottes Synagoge gespielt, mit dem sie verkuppelt werden soll. Ein Love Interest von Michael ist niemand geringeres als Dante aus dem ersten "Sex and the City"-Film, der Samantha zu sich unter die Dusche einlädt. Michaels Mutter fällt in eine dieser Bodenklappen, in die auch Samantha einst fiel, als sie versuchte, nicht Smiths Hand zu halten. In der letzten Folge gibt es eine weitere Szene, die an "Sex and the City" erinnert. Es lohnt sich also, die Augen offen zu halten.

Gefangen in vergangenen Zeiten

Die Antwort auf die Eingangsfrage, ob "Uncoupled" das schwule "Sex and the City" ist, ist irgendwie mit einem "Ja" zu beantworten. Allerdings nicht im positiven Sinne. "Sex and the City" zeichnete schwule Männer als Klischee behaftete Stereotypen, die biestig und gehässig gegenüber anderen Schwulen oder nur an Sex interessiert sind. Wie die HBO-Serie ist "Uncoupled" ernüchternd undivers. Es gibt zwar einige People of Color in Nebenrollen, für eine Produktion aus dem Jahr 2022 fühlt sich die Netflix-Serie jedoch jetzt schon angestaubt an. Diversität umfasst nicht nur die Inklusion einiger People of Color am Rand. Trans oder nichtbinäre Personen existieren in Michaels Universum nicht. Claire hat ein nichtbinäres Kind, von dem nur erzählt wird, wenn sie sich darüber echauffiert, dass sie ihr Kind nicht mehr "Tochter" nennen darf.

Die schwulen Figuren, die sich leicht bekleidet zeigen dürfen, wirken alle aus einem "Abercrombie & Fitch"-Katalog entsprungen und sind überwiegend weiß. Alle Figuren sind wohlhabend und privilegiert. Dies setzte bei "Sex and the City" in diesem Maße des Luxury Porns erst in späteren Staffeln ein. Es stellt sich die Frage, wer sich mit den Figuren identifizieren soll. Vielleicht ist das Ziel-Publikum auch nicht die queere Zuschauer*innenschaft, sondern jene, die getreu dem Netflix-Algorithmus einfach auf "Play" drückt:

Die größte Enttäuschung ist, dass Darren Star so viele Jahre nach "Sex and the City", als er vier spannende Frauen kreierte – die für viele schwule Männer zu Rollenbildern wurden – mit den Möglichkeiten, die er im Jahr 2022 hat, dennoch in den späten 1990ern festzustecken scheint.

Direktlink | Englischer Originaltrailer zur Serie
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#1 AlexMarcAnonym
  • 31.07.2022, 19:55h
  • Selten so enttäuscht gewesen von einer Serie. Charaktere sind erschreckend oberflächlich und unlustig. Man quält sich von Episode zu Episode in der Hoffnung, dass der Funke überspringt - aber nein: die Story dreht sich müde im Kreis. Was will die Serie sein? Für ein Drama fehlt es an Tiefgang und Charakterentwicklung. Für Comedy fehlt es an Humor. Ein kompletter Reinfall.
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#2 Paula RoydAnonym
  • 31.07.2022, 20:59h
  • Was die kritisierte mangelnde Vielfalt angeht: Ich denke, dass es genügend schwule (und auch heterosexuelle) Zuschauer gibt, für die Qualität der Serie nicht zentral davon abhängt, wie virtuos die Klaviatur sexueller und geschlechtlicher Identitäten gespielt wird. Manche sind auch zufrieden, wenn sie einfach nur andere schwule Männer sehen.

    Und ich habe als schwuler Mann grundsätzlich nichts dagegen, wenn schwule Charaktere sich gegenseitig anbitchen. Schwule haben - wie Heterosexuelle und vermutlich Personen aller Geschlechter und Identitäten auch - ihre eigenen lächerlichen Allüren, über die man sich lustig machen darf, und das ist nicht gleich ein Hassverbrechen oder "Shaming". Nicht alle Menschen lieben einander, aber sie hassen sich deshalb auch nicht.

    Wenn es allerdings beim mehr oder minder schlagfertigen gegenseitig Anzicken bleibt und die Charaktere nicht auch im positiven Sinne liebenswerte Eigenschaften oder Plastizität haben, ist das irgendwann auch einfach langweilig...

    Ich werde wohl mal in die Serie reinschauen, auch wenn ich an sich mit diesen ganzen Serien-Orgien der Streaming-Dienste mit ihren Plots, die für vier Folgen reichen, jedoch auf zehn Folgen ausgerollt werden, insgesamt wenig anfangen kann.
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#3 Ith_Anonym
  • 01.08.2022, 10:23h
  • "Wie schon in den Dekaden zuvor, haben sich queere Männer in den 1990ern ob des Mangels an authentischer Repräsentation mit weiblichen Figuren identifiziert."

    Nicht "queere" Männer. Cis-schwule Männer.

    Trans*-Männer tun sowas extrem ungern, auch wenn sie schwul sind. Liegt in der Natur der Dysphorie- und Genderzwang-Sache. Du sollst dich mit der Frau identifizieren, damit du mit dem Typ zusammen sein kannst, und als trans*-Mann tust du das nicht, weil die Welt dich eh schon dazu zwingen will, irgendwie weiblich sein zu sollen. Alternativ könntest du dich mit dem Typ identifizieren, aber dann sollst du auf die Frau stehen, und das tust du halt nicht, wenn du schwul bist.

    Schwule trans*-Männer haben ordentliche schwule Stories sehr viel nötiger als die Cissen. Aber das ist ein Punkt, den Leute, die "schwule Cis-Männer" meinen, wenn sie "queere Männer" schreiben, vermutlich nie verstehen werden. Für die ist und bleibt man halt weder mitgemeint noch mitgedacht noch sonstwie Teil einer Community oder eines "Wir". Sondern höchstens das lästige Ärgernis, das rumnervt mit den Hinweis darauf, dass trans*-Männer angeblich Männer sein sollen.
    Als ob.
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