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Interview

Gibt es bei queeren Sexszenen einen Nachholbedarf?

Stephen Dunn, Regisseur der Neuauflage von "Queer as Folk", über Orgien im TV, die Inklusion von trans Personen und Menschen mit Behinderung und warum er seine Serie mit einem queerem Trauma beginnt.


Szene aus der Neuauflage von "Queer as Folk" (Bild: Starzplay)

Erstmals für Aufsehen sorgte Stephen Dunn, geboren 1989 in Kanada, mit seinem starken Debütfilm "Closet Monster" (hierzulande u.a. zu streamen bei Filmfriend, Sooner oder Realeyz). Nun stellte sich der schwule Filmemacher seiner bislang größten Herausforderung: einer Neuauflage von "Queer as Folk", jener wegweisenden britischen Serie von Russell T Davies, von der es bereits 2000 eine erste US-Version gab. Seit dem 31. Juli 2022 ist sie bei Starzplay zu sehen (Serienkritik von Sebastian Galyga).

Zum Start seiner ersten eigenen Serie als Showrunner, sprachen wir mit Dunn in einem Videotelefonat.

Mr. Dunn, als Kanadier kannten Sie vermutlich erst die US-Version von "Queer as Folk", bevor Sie das britische Original von Russell T Davies gesehen haben, oder?

Ja, das stimmt. Ich habe die US-Serie damals bei uns heimlich im Keller geguckt, mehr oder weniger ohne Ton, damit wirklich niemand mitbekommt, was da läuft. Für mich war das die erste Begegnung mit der queeren Community überhaupt. Später habe ich mir dann, gegen Ende der High School, aus der Videothek auch die britische Version ausgeliehen. Und die hat wirklich bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen. Die hatte eine solche Wucht, war so direkt und offenherzig, echt Punk!

Fanden Sie es schwierig, aus "Queer as Folk" nun komplett Ihr eigenes Ding zu machen?

Dass wir etwas ganz Neues kreieren können und nicht auf den alten Geschichten aufbauen, war mir wichtig, und dass ich dafür den Segen von Russell hatte, gab mir ein gutes Gefühl. Natürlich wollte ich dem Spirit dieser beiden Serien, die für mich in meiner Jugend so wichtig waren, Tribut zollen. Aber ich wollte auch mehr von der LGBTIQ-Community zeigen als den kleinen Ausschnitt, den sie damals repräsentierten.

Unser "Queer as Folk" heute ist inspiriert von der queeren Szene, wie ich sie heute in meiner Heimatstadt Toronto sehe, zu der sehr viele Personengruppen gehören, die ich sehr selten im Fernsehen oder überhaupt in Darstellungen queeren Lebens sehe. Inklusion ist mir ein echtes Anliegen, nicht nur was trans und nichtbinäre Menschen angeht, sondern auch bei Personen mit Behinderungen. Ich habe etliche queere Freunde und Verwandte mit körperlichen Einschränkungen, die alle zwangsläufig auch Aktivist*­innen sind, weil sie sich ihren Platz und ihre Sichtbarkeit immer erst erkämpfen müssen. Deswegen wollte ich meinen Teil dazu beitragen.

Warum haben Sie sich dazu entschlossen, die Serie ausgerechnet mit einer Schießerei in einem queeren Nachtclub und damit mit queerem Trauma zu beginnen?

Mein Ziel war es, gleichermaßen Freude und Widerstandsfähigkeit auszubalancieren und in Bezug zu einer einschneidenden, traumatischen Erfahrung zu setzen. Denn queere Geschichte und queere Lebensrealität ist nun einmal verwurzelt in Trauma, aus dem aber eben auch unsere Kraft, unser Überlebenswille und unsere Lebensfreude selbst in widrigsten Umständen resultieren. Es geht in "Queer as Folk" nicht um dieses Attentat, deswegen zeigen wir es auch nicht. Aber ich habe mich in der Vorbereitung mit vielen Überlebenden des "Pulse"-Anschlags in Florida getroffen und habe alles darangesetzt, mit deren Erfahrungen so ehrlich und respektvoll wie möglich umzugehen. Ich wollte die bittere Realität queeren Lebens in Amerika im Jahr 2022 genauso zeigen wie die ausgelassene Freude und Vielfalt in unserer Community.

Die Hauptrollen in Ihrer Serie spielen viele tolle queere Schauspieler*innen, viele von ihnen Newcomer*innen. Aber auch die famose Kim Cattrall ist mit von der Partie. Wie haben Sie Ihr Ensemble zusammengestellt?

Mir war es ein Anliegen, dass die queeren Hauptrollen auch von queeren Schauspieler*innen gespielt werden. Der Casting-Prozess hat unglaublich viel Spaß gemacht; in all den Bewerbungsvideos aus der ganzen Welt gab es so viele tolle Entdeckungen zu machen. Am Ende ist es uns gelungen, nicht nur wirklich enorm talentierte Schauspieler*innen zu finden, sondern vor allem richtig wunderbare Menschen. Die Harmonie und Nähe in diesem Ensemble war so bemerkenswert, dass es sich wirklich anfühlte, als seien wir eine Familie. Aber mir hat es auch viel Spaß gemacht, absolute Vollprofis wie Juliette Lewis, Ed Begley jr. oder eben Kim Cattrall für die Serie gewinnen können. Kim ist natürlich eine Ikone. Und was brauchen wie Gays mehr als eine Cabaret-Szene, in der Kim Cattrall Liza Minnelli singt?


Kim Cattrall in "Queer as Folk" (Bild: Starzplay)

Gerade die britische "Queer as Folk"-Version war bahnbrechend nicht zuletzt in der Darstellung von schwulem Sex. Da gibt es auch heute noch Nachholbedarf, oder?

Definitiv, und ich bin stolz darauf, dass auch wir nun Dinge zeigen, die womöglich im Fernsehen noch nie zu sehen waren. In der vierten Episode etwa gibt es eine Orgie für behinderte Menschen, und in einer wirklich tollen Sexszene sehen wir, wie der Lover des im Rollstuhl sitzenden Marvin erstmals dessen Körper und Gliedmaße erkundet. Ich bin so stolz auf den Schauspieler Eric Graise und wie er diese Szene gemeistert hat. Eine andere tolle und wichtige Sexszene gibt's in der zweiten Folge, in der Jessie James Keitel zeigt, wie ihre Figur Ruthie sich als trans Frau quasi ihres Körpers und ihrer Sexualität wiederermächtigt. Ein echter Gänsehautmoment, geschrieben von unserer Drehbuchautorin und Executive Producerin Jaclyn Moore.

Muss man für solche Szenen heutzutage noch sehr kämpfen?

Ich war gespannt darauf, wie die Zusammenarbeit mit dem Streamingdienst Peacock laufen würde, der die Serie produziert hat. Auch weil der so neu war, dass es noch keine Erfahrungswerte gab, von denen mir Kolleg*innen berichten konnten. In besagter Szene in der zweiten Folge zeigen wir "full frontal nudity", und natürlich gab es darüber Diskussionen. Aber sobald wir erklären konnten, warum es für uns wichtig war, nicht in einem solchen Moment plötzlich verschämt zu sein wegzuschneiden, waren zum Glück alle sehr schnell der gleichen Meinung wie wir. Von harten Kämpfen kann also in diesem Fall zum Glück gar keine Rede sein.

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Queer as Folk (2022)
10 Bilder

#1 Ith_Anonym
  • 01.08.2022, 10:10h
  • Shit, er hat trans Frau gesagt. Damit ist die trans* Quote voll. Scheiße.

    Also keine männlichen Gebärmuttern, weil's bereits weibliche Schwänze gibt, und nix mit Emanzipation für Trans*-Männer, schon gar nicht für schwule Trans*-Männer. Damn.

    Argh, also ich... Ok. Ich werd versuchen, mich in das Mindset von damals zu versetzen: Ich werde für schwule Männer immer nur eine Frau sein.

    Ich wünsche mich so sehr zurück in diese Welt, in der ich noch nicht auf den Gedanken gekommen war, dass es theoretisch möglich wäre, zu dieser Community zu gehören. In der ich es selbstverständlich fand, nicht vorkommen zu dürfen, weil, hey, kein Schwuler könnte auf sowas wie mich jemals stehen, schließlich bin ich keiner von denen, mit genug internalisiertem trans*-Hass und trans*-Erasure geht das. Ich konnte einfach Spaß haben an dieser Welt, wie an Teilen der Bibel, als reine Fantasie, weil mir noch nie der Gedanke gekommen war, wie irgendwer dort auf mich reagieren würde. Weil klar war, dass es mir nicht zustand, zu fragen.
    Dann fragte ich und es war zerstörerisch, und seitdem weiß ich, wie jede der schwulen Figuren antworten würde. Und sehe nur noch das vor mir: Wie sie anfangen würden, demonstrativ über weibliche Körpermerkmale herzuziehen, wenn sie mich als trans*-männlich wahrnehmen, jeder Einzelne von denen.

    Scheiß Emanzipation. Sich einzubilden, dass man existieren dürfte, macht einfach so viel kaputt.
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#2 WaaasAnonym
#3 Ith_Anonym
  • 01.08.2022, 17:36h
  • Antwort auf #2 von Waaas
  • Ach, ich hatte jetzt noch kurzzeitig die Hoffnung, ich könne es vielleicht schaffen, was dran zu finden, und nach dem, was hier alles nicht gesagt wird, bekomme ich gerade den Eindruck, dass es doch mehr ungesund als positiv werden könnte, es zu gucken und bin entsprechend enttäuscht, das ist alles.

    Also, es ist so, ich übersetze mal: Das Publikum darf nie mehr als eine trans*-Perspektive kennenlernen bei sowas. Wenn eine trans Frau eine zentrale Emanzipationsszene bekommt, bedeutet das, die Message wird lauten: "Trans* zu sein, bedeutet, eine Frau zu sein".
    Vielleicht gibt es noch eine afab nicht-binäre Person, die wird dann aber nicht schwul sein und ist wahrscheinlich eine Nebenrolle. Und ich glaube gerade nicht, dass ich Lust habe, das zu ertragen.

    Update: Jepp, hab den Charakterguide überprüft. Nur eine Person, bei der trans* dransteht, wie ich schon erklärte, die "trans* zu sein bedeutet, eine Frau zu sein"-Person. Gebärmutterbesitzende nicht-cis-Person ist nicht-binär, mit ner Frau zusammen und schwanger. Keine Schwulen ohne Schwanz, kein Infragestellen des "schwul zu sein bedeutet, auf Schwänze zu stehen"-Imperativs. Interessant, wie gut das funktioniert, mit dem Lesen von Dingen, die nicht gesagt werden, gell. Lebenserfahrung.
    Also, nicht du bist raus. Ich bin raus. Bzw. ich war von vornherein nicht existent. Hätte echt was Aufmunternderes gebrauchen können.
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