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Debütroman

Die queere Klimaforscherin, die als Kind eine Gurke sein wollte

Der Roman "Das Gegenteil eines Menschen" der niederländischen Dichterin Lieke Marsman steigt tief in den Kopf seiner mit der Welt hadernden Heldin und träumt von Liebe im Angesicht einer globalen Katastrophe.


Lieke Marsman, geboren 1990 in den Niederlanden, gehört zu den wichtigsten literarischen Stimmen ihrer Generation (Bild: Versal)

Man könnte diese Rezension mit einer Inhaltsangabe beginnen, von der Protagonistin Ida berichten, die als Kind lieber eine Gurke gewesen wäre und als Erwachsene viel über Nuklearkatastrophen nachdenkt. Man könnte erwähnen, dass Ida Klimaforscherin ist, in Amsterdam lebt und eine Frau namens Robin liebt. Und dass sie eines Tages in die italienischen Alpen aufbricht, um im Rahmen eines Praktikums an einem Forschungsprojekt über einen Staudamm teilzunehmen.

Falsch wäre das alles nicht, aber vielleicht sagt es auch nichts Wesentliches über den Debütroman der niederländischen Schriftstellerin Lieke Marsman aus. Marsman, die sich seit 2021 offiziell für zwei Jahre "Dichter des Vaderlands" nennen darf, gilt in den Niederlanden als eine Art literarisches Wunderkind, seit sie mit 20 Jahren und ihrem ersten Gedichtband auf der Bildfläche erschienen ist. Mit ihrem ersten Roman, der im Original bereits 2017 veröffentlicht wurde, hat die Autorin ihren Ruf als Ausnahmetalent eindrucksvoll untermauert – nun auch in deutscher Sprache zu erleben.

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Wie das Durchstöbern eines Blogs


Marsmans Roman "Das Gegenteil eines Menschen" ist am 20. August 2022 bei Klett-Cotta erschienen

"Das Gegenteil eines Menschen" (Amazon-Affiliate-Link ) beginnt mit einem Gedicht, und es soll nicht das letzte bleiben in dieser Konventionen sprengenden Mischung aus Fiktion, Lyrik und Essays. Die eingangs erwähnte Ich-Erzählerin Ida dient dabei als Fixpunkt dieses eigenwilligen literarischen Universums. Ida erzählt vor allem von sich selbst, von ihren Gedanken, Interessen und Ängsten.

Das Buch erscheint wie eine einzige Nabelschau, manchmal kommt man sich vor, als würde man durch ein privates Blog stöbern. Kapitalismuskritische Zitate von Naomi Klein reihen sich hier an philosophische Überlegungen zum Wesen der Liebe und banale Alltagsbeschreibungen. Marsman lässt ihre in kurze Kapitel untergliederte Erzählung dabei allerhand assoziative Sprünge vollziehen, die an ein Durchklicken von Hyperlinks erinnern.

Doch so beliebig, wie vieles auf den ersten Blick erscheint, ist es beim genauen Hinsehen nicht. Schnell kristallisiert sich ein großes Thema heraus, um das Ida kreist, nämlich die eigene Egozentrik und die des Menschen im Allgemeinen vor dem Hintergrund des Klimawandels. Mit trockenem Humor und wunderbaren Pointen lässt Marsman ihre neurotische Heldin da über das Zeitgeschehen sinnieren, wenn sie ihr etwa Sätze wie diesen in den Mund legt: "In der Vergangenheit war das Wetter ein Grund, zu Hause zu bleiben. Heute ist es Grund, auf die Straße zu gehen."

Sammelsurium an Einfällen

Bei aller, vor allem sprachlicher Brillanz kann man sich allerdings auch immer wieder fragen, wie das alles zusammenhängt, was Marsman einem hier um die Ohren schießt. Zwischen Hashtags, Fußnoten und Zitatlawinen hat man oftmals weniger das Gefühl einen Roman zu lesen, als sich durch ein faszinierendes literarisches Sammelsurium zu bewegen.

"Das Gegenteil eines Menschen" ist durchaus lesenswert, wenn man sich von der narrativen Zerschossenheit und der beständig um sich selbst kreiselnden Protagonistin nicht abschrecken lässt. Besonders gegen Ende wird jedoch deutlich, dass Marsman sich so manches Mal verhebt und das Finale nicht so recht funktionieren will. Nichtsdestotrotz handelt es sich hier um einen bemerkenswerten Erstling, der immer wieder zum widerspenstigen Träumen und Hoffen auch angesichts einer globalen Katastrophe und ernüchternder wissenschaftlicher Fakten ermuntert. Da liest Ida im Internet etwa, "dass man nicht träumen kann, wenn man weniger als zehn Minuten schläft". Und stellt dann fest: "Ich schlafe sechs Minuten und träume von Robin."

Infos zum Buch

Lieke Marsman: Das Gegenteil eines Menschen. Roman. Aus dem Niederländischen von Christiane Burkhardt und Stefanie Ochel. 192 Seiten. Klett-Cotta Verlag. Stuttgart 2022. Gebundene Ausgabe: 22 € (ISBN 978-3-608-96591-9). E-Book: 17,99 €

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