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Interview (Teil 1)

"'Pädos' haben Schwule nicht 'instrumentalisiert'"

Sven Reiß und Iris Hax sichteten grausame Archivmaterialien schwuler Geschichte. Im queer.de-Interview sprechen sie über ihre Arbeit und schwul-pädosexuelle Verwicklungen, die ins Bewusstsein gehören.


Historikerin Iris Hax (li.), Kulturwissenschaftler Sven Reiß (Bild: privat)

Vor eineinhalb Jahren veröffentlichte die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs eine Vorstudie zu den Verbindungen zwischen Homosexuellen- und Pädosexuellenbewegung unter dem Titel "Programmatik und Wirken pädosexueller Netzwerke in Berlin – eine Recherche".

Sven Reiß beschäftigt sich als Kulturwissenschaftler unter anderem mit der sogenannten "Päderastie" in der deutschen Jugendbewegung. Er und die Historikerin Iris Hax, die im Auftrag der Grünen an der Aufarbeitung der Verwicklung der Partei mit "Pädo"-Aktivist*innen gearbeitet und auch hier bereits Archivmaterialien gesichtet hat, sind für die Vorstudie ins Archiv des Berliner Schwulen Museums hinabgestiegen, haben Dokumente sexueller Gewalt gesichtet und Verknüpfungen der "Szenen" rekonstruiert.

Im ersten Teil des Interviews erzählen die beiden Wissenschaftler*innen aus dem Forschungsalltag im Archiv des Schwulen Museums und der Konfrontation mit belastenden Bildern. Außerdem werfen sie einen tiefergehenderen Blick auf diejenigen Flecken schwuler Emanzipationsgeschichte, auf denen heute ein Schatten liegt und stellen die These infrage, dass pädosexuelle Kreise die schwule Community als Vehikel benutzt hätten.

In einer ersten Interviewserie sprach queer.de mit Birgit Bosold aus dem Vorstand des Schwulen Museums und dem Aktivisten für die Interessen der Opfer sexueller Gewalt an Kindern in Verantwortung der katholischen Kirche, Matthias Katsch (Teil 1, Teil 2).

Sven Reiß, Iris Hax, ihr habt die Forschung der Vorstudie "Programmatik und Wirken pädosexueller Netzwerke in Berlin" betrieben. Wie seid ihr vorgegangen und wie sieht eigentlich so eine Arbeit in der täglichen Praxis aus?

Hax: Die Aufarbeitungskommission hat uns angefragt, weil die Mitarbeitenden durch Betroffene, die sie interviewt haben, darauf hingewiesen wurden, dass diese pädosexuellen Netzwerke und die Stricherszene seit den 70er Jahren wenig aufgearbeitet ist und dass man dort näher hinschauen sollte. Sie haben uns gefragt, wo wir da Ansatzpunkte zu einer Erforschung sähen. Mit dem Schwulen Museum waren bereits Vorgespräche geführt worden, weil bekannt war, dass dort Nachlässe von bekennenden Pädosexuellen vorhanden sind, von denen manche noch gar nicht gesichtet worden waren.

Ihr seid da angeschrieben worden, weil ihr bei der entsprechenden Studie zu den Grünen bereits beteiligt gewesen wart?

Reiß: Iris hat für die Grünen-Studie gearbeitet und ich hatte vorher schon in meinem Promotionsprojekt zu Päderastie in der Jugendbewegung mit dem Archiv des Schwulen Museums zusammengearbeitet und dort schon erste Erfahrungen gesammelt.

Hax: Es gab dann ein Vorab-Treffen mit Birgit Bosold vom Vorstand des Schwulen Museums und mit Mitgliedern der Aufarbeitungskommission, wo wir den Forschungsrahmen grob abgesteckt haben, und festgelegt haben, dass wir mit den Recherchen im Schwulen Museum beginnen. Uns war da noch gar nicht klar, was uns dort alles erwarten würde. Wir sind dann in die "Katakomben" – der Archivkeller des Schwulen Museums – abgestiegen. Das sind bestimmt 300 oder 400 Quadratmeter da unten. Wir haben dann mit umfangreichen Nachlässen bzw. Vorlässen zweier bekennender Pädosexueller angefangen und diese komplett gesichtet.

Wir haben sämtliche Schriftstücke gelesen und ausgewertet und sind dann immer weiter auf andere Hinweise auf Namen von weiteren pädosexuellen Aktivisten und deren Gruppierungen gekommen. Immer wieder haben haben wir festgestellt: "Oh, dazu gibt es im Schwulen Museum ja auch einen Bestand, wenn auch vielleicht klein." Wir waren erstaunt, was da alles im Schwulen Museum aufbewahrt oder dem Museum einfach übergeben worden ist. Zum Schluss haben wir uns dann noch völlig unerschlossene Bestände vorgenommen, wo mehr oder weniger Umzugskartons in Stapeln übereinander standen und wo niemand so richtig wusste, was da eigentlich genau drin ist. Es gab zum Beispiel noch die sogenannte "Munitionskiste", eine Transportkiste der Bundeswehr.

Jemand vom Schwulen Museum hatte da "Munitionskiste" drauf geschrieben?

Hax: Die hieß sicherlich bezeichnenderweise "Munitionskiste", weil man wusste oder zumindest ahnte, dass da problematisches Material drin ist. Und so war es dann auch: Posingfotos, Fotos von schwerem sexuellen Missbrauch mit Jungen und so weiter. Und entsprechend verherrlichende Bücher, Broschüren. Neben dieser Box haben wir vielleicht 15 Umzugskartons gefunden mit gleichem Inhalt aus der selben Quelle.

Das Schwule Museum war der Ausgangspunkt, dann wollten wir noch in anderen Archive erkunden, ob es da Material gibt – entweder aus der Gegenbewegung heraus oder auch aus der Pro-Pädo-Position. Dann haben wir noch einige der Aktivisten kontaktiert, die Material haben könnten – wie Thomas Schlingmann von Tauwetter e.V., der Betroffene aus der Stricherszene beraten hat und sich jahrelang für die Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch innerhalb der linksautonomen Szene engagiert hat. Außerdem auch das Lesbenarchiv Spinnboden und das Lila Arhiv, weil die Frauenbewegung ja in den 80er-, 90er-Jahren sehr aktiv gewesen ist gegen sexuelle Gewalt und Missbrauch an Mädchen und Jungen.

Wir wollten natürlich auch wissen, wie das Land Berlin, die Behörden der Bezirke damit umgegangen sind und haben versucht, entsprechende Dokumente zu finden. Das war aber irgendwann viel zu umfangreich und für die kurze Zeit, die wir hatten, kaum zu bewältigen. Daher haben wir uns auf die Bestände des Schwulen Museums konzentriert und nur schlaglichtartige Ausblicke abseits davon gegeben. Es gibt mit Sicherheit einiges, was man noch sichten könnte. Was uns nicht gelungen ist, ist, die Bestände der Staatsanwaltschaften anzusehen. Da haben wir auf unsere Anfragen nie eine Antwort bekommen.

Reiß: Es war auf jeden Fall richtig, dass wir beim Schwulen Museum angefangen haben. Wir waren am Anfang im Lesesaal und haben uns aus dem Magazin Kartons rausgeben lassen. Irgendwann haben die uns besser kennengelernt und wir konnten selbständig die Archivalien heben. Später hatten wir unseren Arbeitstisch dann im Magazin selbst und konnten mit den Sachen auch gar nicht mehr in den Lesesaal. Das ging einfach von der Brisanz des Materials her nicht, weil es sensibles, mitunter strafrechtlich relevantes Material war.

Vom Prinzip her hatten wir ein offenes Vorgehen, bei dem wir mal diesem und mal jenem Pfad gefolgt sind, um irgendwie zu rekonstruieren, wie das Ganze zusammenhing – und es hing eben nun mal tatsächlich alles zusammen. Und durch den freien Zugriff und den total vertrauensvollen Umgang mit vielen der Mitarbeitenden konnten wir irgendwann auch einfach fragen: "Hier ist ein Schrank und dieser Schrank ist mit einem Schloss versehen. Was ist da eigentlich hinter?" Und das wusste dann auch keiner so richtig und der Schlüssel war auch weg. Da haben wir dann in Absprache mit der Archivleitung beschlossen: "Gut, wir nehmen uns jetzt Werkzeug und entfernen das Schloss."

Dahinter waren dann neben dem Nachlass eines wegen sexuellen Missbrauchs verurteilten evangelischen Pastoren haufenweise Sachen aus dem Janssen-Verlag drin, von denen jemand vom Museum schon dachte, dass man sie wegsperren sollte. Sachen, die in den 90ern noch legal waren, bei denen aber klar war, dass es da um Jungs in grenzwertigen Posingaufnahmen geht. Teilweise übrigens auch um kleine Mädchen. Oder es gab Ecken, hochgestapelt mit Kartons, wo uns einer irgendwann sagte: "Guckt mal da hinten in der Ecke, da könnte etwas Relevantes sein, da hat noch nie jemand richtig gesichtet… guckt da einfach mal." Und die Kartons waren voll, mit allem, was es gibt. Videosammlungen aus den 70er Jahren, wo im skandinavischen Raum Missbrauchsfilme gedreht worden sind, bis hin zu aktuelleren Fotos. Wir haben auch zwei entsprechende Festplatten mit Missbrauchsfotos und Filmen gefunden.

Das klingt sehr belastend. Ihr sichtet ja dieses Material, insbesondere auch das videografische Material, das ja dann auch Tonspuren hat. Wie fühlt sich das an?

Hax: Die Videoaufnahmen haben mich auf jeden Fall sehr schockiert und ich erinnere mich, Sven, dich auch.

Reiß: Ja.

Hax: Das war schon sehr krass. Diese Festplatten waren wirklich das schlimmste, das uns untergekommen ist. Diese ganz jungen Kinder da zu sehen, hauptsächlich Jungen, die missbraucht werden. Das war so grausam. Wenn man einen Ordner auf der Festplatte anklickt, dann gibt es ja so Ordnervorschauen mit übereinander gelappten Bildern. Manchmal haben wir das dann direkt wieder zugemacht, denn uns war gleich klar: das, was wir da vor uns haben, ist verbotenes Material und Besitz und Gebrauch ist strafbar.

Das haben wir dann direkt der Kommission und dem Museum gemeldet und geraten, das Material der Polizei zu übergeben.Wir wurden da auch darauf hingewiesen, dass Mitarbeitende der Aufarbeitungskommission sich auch psychologisch betreuen lassen, da es ja auch belastend ist, wenn man täglich mit diesen Themen zu tun hat. Ich hatte da schon ein paar Wochen zu tun, um das zu verarbeiten, um dann wieder zum Fachlichen zu kommen und das Ganze für mich wieder auf eine wissenschaftliche Ebene zu bringen. Das war aber schwer, denn hinter jedem Foto und jedem Video steht ein betroffener Mensch. Wir haben uns auch gefragt, wie schrecklich es für die heute erwachsenen Männer sein muss, zu wissen, dass solche Bilder von ihnen existieren und sie nie wissen wo und von wem sie verbreitet werden.

Reiß: Für mich war auch bei den Festplatten klar: Jetzt geht es wirklich richtig in den Illegalen Bereich rein. Ähnlich wie bei den Kartons, die wir später ausgepackt haben. Also wenn eine mehrfache anale Penetration von wirklich kleinen Jungs aus Sri Lanka gezeigt wird, ist da nichts mehr zu diskutieren. Mit den Fotos konnte ich irgendwie besser umgehen, die hatten so was klar Historisches in ihrer Aura zusammen mit Filmtütchen aus den1980ern – auch wenn schon klar war, "Hey, die betroffenen Jungs sind Dein Alter". Diese Festplatten brachten für mich aber dieses beklemmende Gefühl mit sich: Ich bin hier in diesem Museum und dieses Archiv wird als Depot genutzt. Dieses völlig beklemmende Gefühl, weil wir nicht über die 70er-, 80er-, 90er-Jahre reden. Wir reden hier über unsere heutige Zeit. Und die Dateien mit den Missbrauchsabbildungen sind doch sehr leicht und diskret weiter zu reproduzieren.

Hax: Bei den Videos von der Festplatte hatte sich jemand hingesetzt und alle Gesichter von diesen Tätern retuschiert. Damit man dann unerkannt bleibt und es bedenkenlos ins Archiv geben kann? Mit was für einer Intention, frage ich mich da. Allerdings verstehe ich als Mensch auch nicht, wie man das als Museum überhaupt annehmen kann.

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Kann man es eigentlich sagen, dass die schwule Szene instrumentalisiert oder als Vehikel für pädosexuelle politische Interessen benutzt worden ist? Ist das nicht schuldentlastend?

Reiß: Ich sehe das nicht als Instrumentalisierung. Dieser ganze Komplex war immer schon Teil auch der schwulen Geschichte und ist kulturhistorisch zu kontextualisieren. Das ist für mich das wichtige: Unsere Studie begann ja in etwa 1969, mit Zeitschriften, bei denen sich etwas bildete, was zeitweilig "Pädophilenszene" hieß. Das waren Akteure gewesen, die aus den sogenannten Homophilenkreisen der 50er und 60er Jahre kamen.

Das waren Teile der eigenen Community. Johannes Werres zum Beispiel war einer der großen Autoren der Homophilenmagazine dieser Jahrzehnte. Das kam nicht von außen. Und das war auch nichts, was sich nur durch einen spezifischen 70er-Jahre-Zeitgeist erklären lässt und einer besonderen Solidarität für "Minderheiten". Das Ausformen einer gemeinsamen Community beginnt eigentlich schon im Kaiserreich. Ich finde es so ungemein wichtig, da hinzugucken. In der Vorstudie musste hier wegen der zeitlichen Schwerpunktsetzung gekürzt werden.

Ein Mann im Kaiserreich, der irgendwie anders als die Norm sexuell begehrte oder begehren wollte – und zwar Andere männlichen Geschlechts – hatte, überspitzt, die Möglichkeit, sich entweder mit Magnus Hirschfeld als unschuldig krank darzustellen. Oder er hatte die Möglichkeit, das mit der "Gemeinschaft der Eigenen" von Adolf Brand oder mit Hans Blüher als kulturelle Leistung, als Begabung zu erhöhen. Das hatte tatsächlich seine Wirkmächtigkeit, es war nicht einfach nur ein kleiner Seitenstrang. Das war so eine Argumentation, die mit der antiken Päderastie begann und sich dann durch die ganze Kulturgeschichte hindurch zöge: auch global, da werden die Samurai genannt, plötzlich kommen die Ritter und Knappen noch ins Spiel. Alle großen Werke, die große Kunst, komplexe Gesellschaften – all das sei geschaffen worden von Männern, die Knaben liebten.

Dadurch bekam es natürlich etwas ungemein Sinnstiftendes für Männer, die in der Zeit um 1900, mit ihrer bürgerlich-christlichen Sexualmoral, lebten und die gleichgeschlechtlich begehrten. Denken wir an die Kopplung von Sexualität an Fortpflanzung. Sexualität musste etwas Nützliches sein. Jetzt konnte man argumentieren, dass auch erotisch-sexuelle "Beziehungen" erwachsener Männer zu Jungen durchaus "nützlich" sein konnten. "Nützlich" im Sinne dieser verflixten antiken Päderastie. In der fungiert das Macht-, Wissens- und Erfahrungsgefälle als legitimatorischer Kern. Und der war viel anschlussfähiger an die damalige bürgerliche Welt mit ihrer Antike-Begeisterung, als wenn Männer einfach nur sagten: "Wir lieben uns".

Das Ganze finden wir in den Magazinen der 20er Jahre, in der Verfolgungsgeschichte im NS und wir haben es in den 1950er/60er Jahren, zum Beispiel mit der Zeitschrift "Der Kreis". Wir können im Grunde querbeet durch die sogenannten Homophilenmagazine schauen, wo es immer fluide Grenzen gab zwischen einer Homosexualität, die heutigen mehrheitsgesellschaftlichen Verständnissen entspricht und einer solchen, die wir heute als Missbrauch betrachten.

Hax: Während der Recherchen für die Grünen-Studie konnte ich zum Beispiel bei den parteinahen Gruppen auch schon feststellen, dass es immer beides gab: Einige sagten, dass sie mit den "Pädos" zusammenarbeiten oder ihre Ziele unterstützen wollten, während andere aber unendlich genervt von ihnen und ihren Interessen waren. Einige von den Grünen äußerten sich in der Rückschau zu diesen Sachen gar nicht und sagen, sie selber hätten sich ja zum Beispiel in der Knastbewegung engagiert und davon ja gar nichts mitbekommen.

Ein Sozialarbeiter von der Beratungsstelle berliner jungs, der Stricher mit sexueller Gewalterfahrung betreute, hat uns berichtet: Im Rückblick gesehen sei er den Aktivitäten der Pädos wohl mit einer gewissen Naivität begegnet, er habe wissen wollen, was die da genau machen und ihnen Treffen in der Aidshilfe ermöglicht und diese besucht. Er dachte zuerst, vielleicht könne man diese Leute ja irgendwie beeinflussen, ihre Aktivitäten und Netzwerke besser kennenlernen und kontrollieren. Als klar war, dass es nur um Strategien ging, an Jungen heranzukommen, wurde die Zusammenarbeit dann sehr schnell beendet. Im Nachhinein fühlt man sich da vielleicht instrumentalisiert.

Reiß: Die Community sucht nach einer gemeinsamen Bewegungsgeschichte. Manche Stränge, die man sich für heutiges queeres oder schwules Leben als gemeinsame Geschichte aufbaut, scheinen bei Licht betrachtet ziemlich brüchig.

Ließe sich da nicht zugunsten der Schwulen im heutigen Sinne argumentieren, dass es damals doch gar keine anerkannten Formen der gleichgeschlechtlichen Beziehungen gab und Homosexuelle erst ein mal einen Rechtfertigungsdiskurs in Gang bringen mussten, bei dem sich dann aus einer Not heraus auf die Antike oder auf "männliche Kultur" bezogen worden ist?

Reiß: Ich sehe das nicht als ein Gegenargument. Natürlich: Wir hatten eine christlich-bürgerliche Sexualmoral und in diesem Rahmen waren alle Akteur*innen gefangen, probierten, den Rahmen zu sprengen oder Nischen der Argumentation und Legitimation zu finden. Selbstverständlich. Aber das ändert überhaupt nichts daran, dass das eine Form war, die dezidiert auf dieses Macht- und Abhängigkeitsverhältnis aufgebaut hat. Das ändert ja nichts. Das taugt doch nicht für eine identitätsstiftend zurechtgeschliffene Erzählung heute. Und es gab ja andere Möglichkeiten.

Zum Beispiel?

Reiß: Das andere wäre beispielsweise die Ecke "Magnus Hirschfeld" gewesen, wo Homosexualität eher medizinisch-biologisch gerechtfertigt worden ist – wo ich als Kulturwissenschaftler tatsächlich selber eher meine Probleme mit habe. Es gab solche, die versucht haben, ihre Homosexualität irgendwie einfach zu leben, es gab irgendwann auch so etwas wie eine Subkultur, die sich gebildet hatte, es gab Nischen, die das nicht für Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse ausgenutzt haben.

Der zweite Teil des Interviews folgt am kommenden Wochenende. Darin: Der südostasiatische und nordafrikanische als Sehnsuchtsraum für Pädosexuelle, juristische und anthropologische Altersgrenzziehungen, schwule Abwehrreflexe und Ausblicke auf künftige Aufarbeitungsprozesse.

#1 Dont_talk_aboutProfil
  • 21.08.2022, 23:49hFrankfurt
  • Unsere Community hat Licht und Schatten. Ich habe sie deshalb schon immer mit einer gewissen Distanz betrachtet. Für Leute, die sich auch nur ein bisschen auskennen, ist das alles keine neue Erkenntnis.
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#2 SchonProfil
  • 22.08.2022, 06:16hFürth
  • Ich denke das Bild des Kindes hat sich auch im Laufe der Geschichte gewandelt.
    Während es früher eher ein Gegenstand der Altersvorsorge und ein Verschleißartikel war, ist heute ein Kind ein Mensch mit Rechten und einer Psyche.
    Es ist aber aus meiner Sicht schwer, neutral gegenüber Pädophilen zu sein. Klar, es gibt sie, aber sie richten bei den Kindern schreckliche seelischen Schaden an und das ist für eine Gesellschaft nicht akzeptabel.
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#3 FragezeichenAnonym
  • 22.08.2022, 12:45h
  • Da wurde im schwulen Museum tatsächlich kistenweise Material, von dem man ganz genau wusste, was es war, einfach tief hinter zusätzlichen Schlössern weggesperrt. Es wurden sogar Täter sexuellen Missbrauchs verpixelt

    Trotz einer anderen Zeit, war es den Mitarbeitern damals eindeutig klar wie hochbrisant das Material ist. Warum nur wurde das alles überhaupt angenommen?
    Ich kapiere das nicht.
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