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Section 377A
Singapur: Verbot von Homosexualität wird abgeschafft
Die Regierung kündigt die Aufhebung des von den Briten eingeführten Strafgesetzes an – und zugleich eine Verfassungsänderung, um die "traditionelle" Ehe zu schützen.
- 21. August 2022, 14:16h 3 Min.
Der Premierminister Singapurs, Lee Hsien Loong, hat am Sonntag in seiner jährlichen Rede zur Regierungspolitik eine Aufhebung des Paragrafen 337A angekündigt, mit dem gleichgeschlechtlicher Sex unter Männern strafrechtlich verfolgt werden konnte. "Ich glaube, dass dies das Richtige ist und etwas, das die meisten Singapurer akzeptieren werden", so der konservative Politiker.
Das 1938 in britischer Kolonialherrschaft eingeführte Gesetz sieht in der aktuellen Fassung eine Höchststrafe von zwei Jahren Gefängnis für auch einvernehmliche homosexuelle Handlungen unter Männern vor. Das ursprüngliche Gesetz zu "Taten gegen die natürliche Ordnung" aus dem Jahr 1938 war 2007 überarbeitet worden. Mit der Reform wurden Oral- und Analsex für Heterosexuelle und Lesben legalisiert, allerdings wurden Schwule von der Liberalisierung ausgenommen.
Medienberichten zufolge wurde das Gesetz seit Jahrzehnten nicht mehr angewandt. Mehrere Versuche von Aktivisten, den Paragraf per Gerichten zu Fall zu bringen, scheiterten. Erst im Februar erklärte das höchste Gericht des Stadtstaats, die Aufhebung sei eine Sache der Politik – der Paragraf sei allerdings "nicht durchsetzbar", da er nicht mehr angewendet werde und ein Sinneswandel von Behörden und Gesellschaft nicht absehbar sei (queer.de berichtete).
Lee sagte zur Aufhebung des Gesetzes, man wolle damit einer möglicherweise späteren Abschaffung durch Gerichtsbeschluss zuvorkommen. Mit der Reform werde "das Recht mit den aktuellen gesellschaftlichen Ansichten in Einklang" gebracht und er hoffe, "dass es homosexuellen Singapurern etwas Erleichterung verschafft".
Keine Bestrafung, aber auch keine Ehe
Die gesellschaftliche Haltung gegenüber Homosexuellen habe sich "merklich veschoben" und wie jede humane Gesellschaft habe man Homosexuelle in deren Mitte. "Sie sind unsere Landsleute. Sie sind unsere Kollegen, unsere Freunde, unsere Familienmitglieder. Auch sie wollen ihr eigenes Leben führen, an unserer Gemeinschaft teilhaben und sich voll und ganz für Singapur einsetzen", so Lee.
Zugleich bleibe der Inselstaat eine konservative und religiös geprägte Gesellschaft. "Wir müssen den richtigen Weg finden, um sowohl die traditionellen Sitten unserer Gesellschaft als auch das Streben der homosexuellen Singapurer, respektiert und akzeptiert zu werden, in Einklang zu bringen und zu berücksichtigen", so Lee. Mit dieser Ansicht hatte die Regierung früher bereits als Kompromiss verkündet, den Paragrafen beizubehalten, aber nicht anzuwenden. Nun wandte Lee das auf die Frage der Ehe für alle an, die er verhindern will.
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In der Gesellschaft herrsche die Ansicht vor, dass die Ehe zwischen einem Mann und einer Frau bestehen sollte, so Lee, und dass Kinder in solchen Familien geboren und aufgezogen werden sollten und dass die traditionelle Familie den Grundbaustein der Gesellschaft bilde. "Die meisten Singapurer würden unsere Gesellschaft gerne so belassen. Dies ist auch die Position der Regierung", sagte er. "Wir haben die Bedeutung der Familie durch viele nationale Richtlinien hochgehalten und gestärkt, und wir werden dies auch weiterhin tun."
Lee kündigte an, dass die bisher einfachgesetzliche Definition der Ehe als Verbindung von Mann und Frau in die Verfassung übernommen werden solle. Damit werde sie besser davor geschützt, vor Gericht angegangen zu werden, was die Gesellschaft polarisieren würde.
Der Stadtstaat verbietet aktuell auch die "Bewerbung oder Verherrlichung des homosexuellen Lebensstils" in Fernsehen und Radio. Zugleich sind Serien über Romanzen unter Jungs, wie sie etwa in Thailand oder Korea ein populäres Massenphänomen sind, auch in Singapur als Stream sehr beliebt (queer.de berichtete). Die Bestätigung des Ehe-Verbots in der Verfassung wäre ein Rückschlag in der Region, in der manche Staaten wie der Nachbar Malaysia noch Homosexualität verbieten, aber andere Staaten wie Thailand bereits seit Jahren über eine Lebenspartnerschaft oder Ehe für alle debattieren. In Taiwan wurde die Ehe 2019 geöffnet (queer.de berichtete). (nb)
















Nur würde aber einem der Teufel immerhin noch eine Wahl lassen. Die Regierung stellt dich ja so oder so vor vollendete Tatsachen, macht klar, wer über dein Leben bestimmen darf: Der Staat, und nicht du selbst.
Diese Regierung ist das Paradebeispiel des Doppeldenkens. Einerseits behauptet sie, dass Schwule selbstverständlich in die Mitte der Gesellschaft gehören. Das ist ja schon mal eine klare Ansage. Aber gleichzeitig soll die Ehe trotzdem nur Heteros vorenthalten werden. Wie passt das zusammen? Gilt die Ehe denn nicht ein Teil der Mitte der Gesellschaft? Also entweder ist dann die Ehe doch nicht Teil der Mitte, oder es ist ein Logikfehler.
Die Regierung veranstaltet hier einen rhetorischen Eiertanz, sie will es anscheinend gleichzeitig Queers und Queerfeinden Recht machen. Das ist aber unmöglich. Wenn man den Queerfeinden auch nur 1 Zentimeter zugesteht, macht man ja immer noch queerfeindliche Politik. »Ein bisschen queerfeindlich« ist immer noch queerfeindlich.
Aus diesen logischen Problemen wird man sich nicht rausreden können. Und das wiederum könnten wichtige Angriffspunkte für Aktivisten in Zukunft sein, indem man z.B. einfach die eigenen Worte der Regierung gegen sie selbst verwendet, und sie damit der Lächerlichkeit preisgibt.