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Nach queer.de-Berichterstattung
Görlitzer Fundi spielt Hausdurchsuchung in Video nach
Der aus Görlitz stammende Fundi Anselm U. floh nach queer.de-Berichterstattung vor Strafverfolgung in die USA. Nun sprach er in einem Video über seine Hausdurchsuchung – und stellte sie auch noch nach.

Das zuverlässige Wort) Wurde unsanft von der Polizei geweckt: Anselm U. beim Nachstellen einer Hausdurchsuchung, die im März stattgefunden haben soll (Bild: Youtube /
26. August 2022, 16:02h 6 Min. Von
Der baptistische Fundamentalist Anselm U. aus Görlitz verbreitete queerfeindliche Hasspropaganda (queer.de berichtete) und forderte zum Mord an queeren Menschen auf (queer.de berichtete). Nach der Berichterstattung von queer.de setzte es schließlich ein Strafverfahren und eine Hausdurchsuchung.
Doch noch bevor das Verfahren vor einem Gericht landen konnte, setzte U. sich in die USA ab und floh zu seinen Idolen von der Faithful Word Baptist Church (queer.de berichtete). Dort behauptet er nun in einer neuen Videobotschaft, in Deutschland Opfer religiöser Verfolgung zu sein.
Durchsuchung am 16. März
Den Zuschauer*innen erzählt der Baptist dabei insbesondere vom Tag der Durchsuchung. Doch U. belässt es nicht bei der bloßen Schilderung der Ereignisse, die sich am 16. März abgespielt haben sollen. In dem auf verschiedenen Kanälen veröffentlichten Video stellen U. und seine Fundi-Kolleg*innen die Hausdurchsuchung im sächsischen Görlitz schauspielerisch nach. Dafür schlüpfte U. sogar ins Bett, um mit verwirrtem Blick zu den Polizeibeamten zu blicken, die an jenem Tag sein Zimmer betreten haben sollen.
"Mein Name ist Anselm. Ich bin aus Görlitz in Deutschland", sagt U. in dem Video. Er sei Christ und Baptist und in Deutschland einem "normalen Job" nachgegangen. Jüngst habe er das Land verlassen müssen, und zwar "wegen religiöser Verfolgung". Er habe eine Predigt mit dem Namen "Wehe der sündigen Nation" gegeben. Die habe ihm Schwierigkeiten mit dem polizeilichen Staatsschutz eingebracht. Was Anselm U. nicht erzählt: In der "Predigt" forderte er den Tod aller queeren Menschen und insbesondere von Sven Lehmann, dem Queerbeauftragten der Bundesregierung. Den beschimpfte er zudem.
"Diese sündige Nation, dieses gottlose Volk, hat jetzt einen offiziellen 'Quer'-Beauftragten – einen offiziellen Beauftragten für den letzten Abschaum der Gesellschaft, für den letzten Schmutz der Gesellschaft" erzählte U. damals. Gott wolle jedoch, "dass du Verworfene hasst, dass du sie verächtlich ansiehst, seien es Homos, Pädophile, Transen, den ganzen anderen Dreck." An anderer Stelle rief er Lehmann noch entgegen: "Fahr zur Hölle, Sven Lehmann, Schwuchtel, stirb!" Die hasserfüllte Rede von Anselm U. fand bei einer Veranstaltung seiner christlichen Sekte in der Innenstadt von Pforzheim in Baden-Württemberg statt.
Handy, Computer, Tablet und Festplatten beschlagnahmt
Um halb sieben in der Früh habe U. am 16. März Klopfen an seiner Tür vernommen. Dann habe er auch schon Polizeibeamte in seinem Raum gesehen. Unklar bleibt, wie die Beamten in U.s Schlafzimmer gekommen sind und ob sie dafür die Haustür aufbrachen. Ungefähr sechs Polizist*innen seien an der Durchsuchung beteiligt gewesen. Nachdem sie ihn nach seinem Namen gefragt hätten, hätten sie ihm eröffnet, dass es einen Durchsuchungsbeschluss gegen ihn gebe und wegen Hassrede ermittelt werde.
U. hätte dann sein Telefon abgeben müssen. Zudem seien bei der folgenden Durchsuchung des Hauses ein Computer und ein Tablet sowie Festplatten mitgenommen worden. Außerdem hätten die Beamten sein Auto durchsucht. Die Polizist*innen hätten ihm angeblich auch noch eröffnet, dass ihm bis zu fünf Jahre Haft drohen würden – "nur wegen Hassrede-Gesetzen" und "nur weil ich die Bibel gepredigt habe". Tatsächlich könnte U. mit einer Ermittlung wegen Volksverhetzung konfrontiert gewesen sein. Alles das wird im Video kurz nachgespielt, das aber augenscheinlich in einer US-amerikanischen Ortschaft aufgenommen wurde. Sogar eine fiktive englische Variante eines Durchsuchungsbeschlusses wird eingeblendet.
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Flucht zu Steven Anderson
Seit U.s Flucht nach Arizona in den USA veröffentlichte der Görlitzer weiterhin Videos über die Kanäle seiner Gruppierung. Darunter war auch neue Hetze gegen LGBTI. Er ruft aber auch zu weiteren Aktivitäten wie dem "Seelengewinnen" in Deutschland auf und nennt dafür die konkreten Treffpunkte. Dabei sprechen die baptistischen Fundamentalist*innen Menschen auf der Straße an und versuchen, sie zu missionieren. Anzunehmen ist, dass er in engem Austausch mit den in der Heimat verbliebenen Fundamentalist*innen steht.
Nach seiner Flucht nahm die Faithful Word Baptist Church um den Hassprediger Steven Anderson Anselm U. auf. Mit Anderson führte U. auch bereits Interviews. Der US-Baptist sorgte in den USA jüngst wieder für Aufsehen, weil er in einer neuen Hetzpredigt wieder ein mal zu Hass auf LGBTI anstachelte. In einer der online nachzuverfolgenden Unterhaltungen mit U. kündigte Anderson an, zu versuchen, in Deutschland einzureisen. Er spricht Deutsch und seine Ehefrau soll aus Deutschland stammen. In der Vergangenheit hatte Anderson wegen seiner Hasspredigten bereits ein Verbot erhalten, den Schengenraum zu betreten.

Das zuverlässige Wort) Anselm U. erzählt im Video von seiner "religiösen Verfolgung" in Deutschland (Bild: Youtube /
Ließe man sich auf Qeers ein, heißt es in der neuen Hetzpredigt von Anderson, würden man von ihnen einen "dunklen Pfad" hinabgeführt. Wenn man anfange, "mit einer Horde von Schwuchteln und Lesben herumzuhängen", würden sie einen mit Alkohol und Drogen gefügig machen, missbrauchen und belästigen. Sie würden einen in "seltsames Zeug" verwickeln, das man selber gar nicht begehre. Entsprechend fordert Anderson seine Schafe auf: "Haltet euch von denen fern! Sie sind böse, es sind Freaks, Predatoren, es sind keine Reproduzenten, sondern Rekrutierer, sie sind Belästiger, sie sind Predatoren. Haltet euch von ihnen fern!"
queer.de hatte zuerst im Dezember vergangenen Jahres auf die Aktivitäten von U. und seiner Gruppe aufmerksam gemacht. Die hatte eine eigens angefertigte Übersetzung eines baptistisch-fundamentalistischen Hassstreifens über die zunehmende Akzeptanz von LGBTI in den USA veröffentlicht. Der Film unter dem deutschen Titel "Die LGBT-Lüge" enthält unter anderem wütende "Predigten" des Baptist*innenenpastors Jonathan Shelley. Bereits im Trailer fordert der Mann schreiend, LGBTI sollten "zurück zur Hölle" gehen oder sich "eine Kugel in den Kopf jagen". Insbesondere wird darin auch der Tod von Schwulen und transgeschlechtlichen Frauen gefordert, wie dies die Bibel verlange.
Auch Anderson hat in dem Film einen Auftritt. Er zitiert einen anderen Pastoren und flippt dann aus: "Wie zur Hölle kannst du dich hinter dein Pult stellen, als ein Mann Gottes, und nicht denken, dass Gott dich einfach totschlägt, wie du über die 'sexuelle Orientierung' mancher Leute redest, du Schwuchtel? Du bist böse!"
Wegen des Films wurden erste Anzeigen gegen U. erstattet, der auf Websites der Gruppe teilweise im Impressum genannt war. Schließlich drehte U. im Februar weiter an der Eskalationsschraube. Die "Predigt", in der er unter anderem Sven Lehmanns Tod forderte, erschien auf den Kanälen der Gruppe. Doch damit hatte U. sich wohl verschätzt. Wohl etwas mehr als einen Monat später durchsuchte die Polizei die Wohnung des Görlitzer Fundis. Infolgedessen zog er es vor, sich einem ordentlichen Strafverfahren zu entziehen – und in ein Land zu gehen, in dem es kaum Einschränkungen der Redefreiheit durch die Rechte von Mitmenschen gibt.
