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Panik im Orbán-Land
Ungarns Rechnungshof sorgt sich wegen "zu weiblicher" Erziehung
Eine Überzahl an Lehrerinnen könnte zu "psychischen Problemen" bei Jungen führen und zu mehr Frauen an Universitäten – was weniger Ehen und Kinder zur Folge hätte.
- 26. August 2022, 17:19h 2 Min.
Ein bereits im letzten Monat veröffentlichter und nun von der Zeitung "Nepszava" aufgegriffener Bericht des ungarischen Rechnungshofes sorgt für Spott und Kritik: Die Behörde warnt darin, sogenannte "pinke Erziehung" könnte die Entwicklung von Jungen beschädigen und zu demografischen Problemen führen.
Jenes Phänomen habe "unzählige ökonomische und gesellschaftliche Konsequenzen", so der Rechnungshof. 82 Prozent der Lehrkräfte in Ungarn seien weiblich. "Wenn Bildung weibliche Eigenschaften begünstigt", etwa "emotionale und soziale Reife" oder eine gute mündliche und schriftliche Ausdrucksfähigkeit, und männliche Eigenschaften wie handwerklichen und technischen Sinn, Logik und Risikobereitschaft vernachlässige, werde eine "Überrepräsentation von Frauen an Universitäten provoziert", was die Gleichstellung der Geschlechter erheblich schwäche.
Inzwischen seien Frauen bereits an Hochschulen an der Überzahl. Gebildete Frauen könnten es schwer haben, einen ähnlich gebildeten Ehepartner zu finden, so der Rechnungshof. Letztlich führe das zu weniger Ehen, zu einer Abnahme von Fruchtbarkeit und der Anzahl geborener Kinder.
Jungen werden in dem Bericht als von Natur aus risikofreudiger und unternehmerisch interessierter beschrieben. Wenn sie diese Eigenschaften nicht ungehindert entwickeln könnten, drohten ihnen "geistige und das Verhalten betreffende Probleme" und die "optimale Entwicklung der ungarischen Wirtschaft" nehme Schaden. Durch eine Überrepräsentation geisteswissenschaftlicher Fächer würden Jungen in Bezug auf ihren Abschluss benachteiligt.
Ausdruck "konservativer Revolution"
Der ungarische Oppositionsabgeordnete Endre Toth bezeichnete den Behördenbericht als "völligen wissenschaftlichen Unsinn". Es sei an der Zeit, die "Brille aus dem letzten Jahrhundert" abzunehmen, kritisierte er auf Facebook.
Ungarns rechter Ministerpräsident Viktor Orbán hat seit seiner Rückkehr an die Regierung im Jahr 2010 eine "konservative Revolution" vorangetrieben. 2019 bemängelte der Menschenrechtskommissar des Europarats nach einem Besuch in Ungarn "Rückschritte bei den Frauenrechten und der Gleichstellung der Geschlechter in Ungarn".
Orbán kämpft zudem national und international vernetzt für die "traditionelle Familie": So verabschiedete er in den letzten Jahren ein angebliches "Jugendschutz"-Gesetz gegen die Darstellung und "Bewerbung" von Homosexualität und Transgeschlechtlichkeit in Medien, Schulen und der Werbung, ließ Ehe und Familie in der Verfassung rein heterosexuell definieren und festlegen, dass in staatlichen Dokumenten nur das "Geschlecht zur Geburt" unveränderbar erfasst wird (queer.de berichtete). (cw/afp)
