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Kinotipp

Einmal queer durch die schwedische Filmgeschichte

Queere Menschen gab's schon immer – und queere Figuren im Film auch. Vor allem in Schweden sind LGBTI-Charaktere von Anfang an präsent. Das zeigt die sehenswerte Doku "Vorurteil und Stolz".


Eva Beling hat sich in den schwedischen Filmarchiven auf die Suche nach queeren Geschichten, Figuren und Momenten gemacht – und eine ganze Schatztruhe geborgen (Bild: Salzgeber)

1916, da ist die Filmgeschichte nicht einmal 20 Jahre alt und Homosexualität in Schweden noch verboten, findet sich die erste schwule Romanze im Kino: "Vingarne" von Mauritz Stiller, eine Herman-Bang-Adaption, die auf der antiken griechischen Ikarus-Sage basiert. Natürlich ist es schwierig, das heutige Verständnis von Homosexualität und -erotik auf einen über hundert Jahre alten Film zu projizieren. Und das Begehren des Bildhauers und seinem Model ist allerhöchstens unterschwellig angedeutet. Und doch gilt "Vingarne" als Geburtsstunde des queeren Kinos.

Die Dokumentation "Vorurteil und Stolz" der Schwedin Eva Beling könnte also gar keinen besseren Beginn haben. Ihre Reise durch die queere Filmgeschichte des Landes reichert sie an mit klassischen Talking Heads: Sie lässt eine Fülle an Wissenschaftler*innen, Regisseur*innen und Schauspieler*innen zu Wort kommen, etwa Liv Ullmann oder Levan Akin.

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Endlich Sex im Kino


Poster zum Film: "Vorurteil und Stolz" ist beim ist beim queerfilmfestival zu sehen

Doch nicht nur das: Archivmaterial, vor allem historische Aufnahmen Stockholms, deren Kommentar die Stadt US-Tourist*­innen schmackhaft machen soll, oder alte Fernsehinterviews erweitern das Verständnis der Filme. Denn die Doku gibt sich Mühe, nicht nur die einzelnen Filme vorzustellen und ihr queeres Potenzial herauszuarbeiten, sondern sie in einen Zusammenhang zur schwedischen Politik und Gesellschaft zu setzen.

So wird deutlich: Beides beeinflusst sich gegenseitig. Gesellschaftliche Entwicklungen lassen sich in Filmen hervorragend nachzeichnen, Filme stoßen ihrerseits Debatten an. Das trifft nicht nur auf die Aufklärungsfilme der 1970er Jahre zu, die die Menschen nicht unbedingt schauten, um aufgeklärt zu werden: Endlich echter Sex im Kino – und dann auch noch nicht nur in hetero!

Die Doku ist Pionier*innen-Arbeit

Immer wieder wird deutlich, dass Schwedens liberale Gesellschaft eine Vorreiterrolle des queeren Kinos ermöglichte. Da hätte der Film, insbesondere für das nicht-schwedische Publikum, deutlicher machen müssen, inwieweit die politischen Verhältnisse dafür verantwortlich waren – oder was das reiche queere Filmerbe der Nation zu verdanken ist. Manche Filmszenen hätten dafür ruhig kürzer ausfallen dürfen.


Der Film "Vingarne" gilt als Geburtsstunde des queeren Kinos (Bild: Salzgeber)

Auch die reichen Wechselbeziehungen kommen etwas zu kurz, etwa dass sich Einflüsse vor allem innerhalb Skandinaviens häufig nicht an Ländergrenzen hielten. Der Film spricht insbesondere den schwedisch-deutschen Austausch in den 1920er Jahren an, als schwedische Regisseur*innen wie Darsteller*innen die queerfreundliche Atmosphäre Berlins aufsogen und mit nach Hause brachten.

Dennoch ist "Vorurteil und Stolz" Pionier*innen-Arbeit. Einen Film über Filme zu machen, ist alles andere als leicht. Eva Beling hat es geschafft, einen kurzweiligen, höchst informativen, wenn auch in der Form eher konventionellen Dokumentarfilm zu drehen. Eine Arbeit, an der sich Filmemacher*innen anderswo gerne ein Beispiel nehmen dürfen. Denn queere Menschen gab's schon immer – in echt wie im Film.

Infos zum Film

Vorurteil und Stolz. Dokumentarfilm. Schweden. Island, Finnland 2021. Regie: Eva Beling. Laufzeit: 100 Minuten. Sprache: schwedische Originalfassung mit deutschen Untertiteln. Kinostart: 8. September 2022. Die Doku ist beim queerfilmfestival zu sehen.
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