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Heimkino
Ein lesbischer Liebesfluch auf einer türkischen Insel
Im Liebesdrama "Love, Spells and All That" von Ümit Ünal sucht Eren nach zwanzig Jahren der Trennung ihre Jugendliebe Reyhan. Im Zentrum des dialoggetriebenen Films steht die Frage, ob sie dies freiwillig tut.

20 Jahre nach dem Ende ihrer Liebesbeziehung besucht Eren ihre Jugendliebe Reyhan an dem Ort, an dem ihre Liebe einst begann (Bild: Pro-Fun Media)
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18. September 2022, 07:48h - 4 Min.
Eine kurzhaarige Frau steht auf einem Boot, das sich bald als eine Fähre herausstellt. Von ihr sind zwar nur die Umrisse zu sehen, ihre nervösen Bewegungen lassen dennoch vieles von ihr erkennen. Etwas treibt sie um, an ihrem Ziel scheint etwas von großer Bedeutung auf sie zu warten.
Und tatsächlich: Auf der kleinen türkischen Insel Büyükada sucht Eren (Ece Dizdar) nach Reyhan (Selen Uçer). Man könnte sie als ihre Jugendliebe bezeichnen, was der Sache aber nicht gerecht würde. Losgelassen hat sie ihre Freundin von damals nicht, sonst würde sie jetzt, zwanzig Jahre später, nicht an ihren langen zurückgelassenen Heimatort zurückkehren.
Die wunderliche Frage, die im Zentrum von "Love, Spells and All That" (Amazon-Affiliate-Link ) steht, ist, ob sie dies freiwillig tut. Denn nachdem Eren die deutlich schlechter gealterte Reyhan auf dem örtlichen Markt ausfindig gemacht hat und ihr in epischer Breite den Grund ihrer Reise erklärt hat – dass sie seither mit vielen Männern geschlafen und sogar mit einem verheiratet gewesen ist, sie aber niemals vergessen konnte – endet sie mit den Worten: "Es ist, als stünde ich unter deinem Bann."
Reyhan, die bis eben noch abgestritten hat, sich überhaupt an Eren zu erinnern, die mit ihrem Einkaufstrolley stur weiter in Richtung ihres Zuhauses geeilt ist, das sie sich mit Freund Gökhan (Uygar Özçelik) teilt, hält plötzlich inne, fordert die unverhoffte Besucherin sogar auf, ihr zu folgen.
Dort offenbart sie ihr, dass sie sie vor langer Zeit mit einem Liebeszauber belegen ließ. Die Hexe habe ihr prophezeit, dass Eren an einem Donnerstag, und ein solcher ist heute, zu ihr zurückkehren werde.
Poetische Worte, soziale Härten

"Love, Spells and All That" ist am 9. September 2022 auf DVD und digital erschienen
Regisseur und Drehbuchautor Ümit Ünal interessiert sich in seinem atmosphärischen Liebesdrama für das Magische, dass das Alltägliche überstrahlt. Wenn Eren und Reyhan miteinander sprechen, legt er den beiden Frauen poetische, bedeutungsschwere Worte in den Mund. Über weite Strecken folgt man ihren Dialogen, die sich immer wieder zu Wortgefechten steigern, deshalb gerne.
Manchmal wirkt ihre Ausdrucksweise jedoch etwas zu gekünstelt, was "Love, Spells and All That" gerade in Verbindung mit seinem esoterisch angehauchten Überbau zu einem affektiert-wirkenden Melodram macht. Was es dennoch mit der Realität verbindet, sind die vielen Momente, in denen das Gespräch der Protagonistinnen um die sozialen Härten kreist, denen sich insbesondere Reyhan in Folge der verbotenen Beziehung der beiden Jugendlichen gegenübersah.
Während Eren als Sohn eines Ministers von ihrem Vater bald ins europäische Ausland verbannt wurde, um ihr Leben "in geordnete Bahnen" zu lenken, wurde ihr das Leben auf der Insel bald unmöglich. Ein Studium war aus finanziellen Gründen ausgeschlossen, immer wieder verlor sie durch die Einmischung des einflussreichen Politikers ihre Arbeitsstelle. Ihre Begeisterung für Literatur, Lyrik und alles Schöngeistige blieb auf der Strecke und sie wurde zu der abgekämpften Frau, die sie heute ist.
Von einem wettergegerbten Stolz getragen, verwehrt sie sich allerdings auch den Rettungsversuchen ihrer einstigen Geliebten, hat kein Interesse daran, zur "Mätresse" einer wohlhabenderen, gebildeten Frau zu werden, die sich ihres überlegenen Standes sehr wohl bewusst ist.
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Die Insel als stille Protagonistin
"Love, Spells and All That" bettet den fortwährenden Austausch zwischen Reyhan und Eren in eine romantische Bildsprache. Die Insel, ihre Flora und Fauna samt ihren Geräuschen als nahezu einzige akustische Untermalung, werden zur stillen dritten Protagonistin.
Oder um es im Stile der hochtrabenden Worte der beiden Frauen zu sagen: Zu einer Art "Garten Eden", aus dem sie vor so vielen Jahren vertrieben wurden. In ihm lässt sich der Film treiben, und die beiden Frauen trotz der angestauten Enttäuschungen, Verletzungen, Wut allmählich wieder zueinander finden.
Ob Erens Anziehung nun einem ominösen Zauber zu verdanken oder doch in der tiefen Verbundenheit aus Jugendtagen begründet liegt, wollen sie dennoch herausfinden, weshalb sie bald eine weitere Magierin aufsuchen, die ihn brechen soll.
Vollends in seinen Bann ziehen kann der Film selbst am Ende nicht. Dafür geschieht zu wenig, sind seine Ideen nicht einzigartig genug. Die besondere Dynamik zwischen den beiden Hauptdarstellerinnen und seine wohltuende Atmosphäre wissen aber zumindest vorübergehend zu bezaubern.
Love, Spells and All That. Drama. Türkei 2019. Regie: Ümit Ünal. Cast: Ece Dizdar, Selen Uçer, Aysenil Samlioglu, Damla Ersan, Murat Toprak, Uygar Özçelik, Emrah Kolukisa, Tonguç Radar, Sirzat Bilallar. Laufzeit: 96 Minuten. Sprache: türkische Originalfassung. Untertitel: Deutsch, Englisch, Spanisch, Niederländisch, Polnisch (optional). FSK 12. Pro-Fun Media
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» "Love, Spells and All That" auf DVD bei amazon.de
» Der Film bei Amazon Prime Video
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» auf sissymag.de
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