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Studie von unabhängiger Kommission
Sexualisierte Gewalt im Sport: Schuldgefühle bei schwulen Opfern
Schwule Opfer von Missbrauch im Vereinssport geben sich oft selbst die Schuld für die Gewalt, die ihnen angetan wurde. Das geht aus einem neuen Bericht zu sexualisierter Gewalt hervor.

Die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs war 2015 vom Bundestag ins Leben gerufen worden, um weit verbreitete Fälle sexueller Gewalt ans Tageslicht zu bringen – und zwar auch in den Sportvereinen (Bild: freepik.com)
- 27. September 2022, 11:25h 3 Min.
Die unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs hat am Dienstag einen ersten Bericht zu sexualisierter Gewalt gegenüber jungen Menschen im deutschen Breiten- und Leistungssport vorgelegt (PDF). Die Forschenden attestieren bei Sportvereinen ein Problem, das bei den Betroffenen "lebenslängliche Schäden für die Gesundheit, Psyche sowie die Teilhabe am Sport und am gesellschaftlichen Leben" verursache. In diesem Bericht wurden 72 Berichte von Betroffenen und Zeitzeug*innen aus der Bundesrepublik und der DDR ausgewertet.
Aus dem Papier geht hervor, dass sich schwule Opfer in manchen Fällen selbst für die Übergriffe verantwortlich machen. "Männliche homosexuelle Betroffene fragen sich mitunter, ob sie aufgrund ihrer sexuellen Orientierung etwas ausgestrahlt und den Täter dadurch animiert haben könnten", heißt es in dem Bericht. "Sie geben sich für die erlittene Gewalt daher nicht selten zumindest eine gewisse Mitschuld."
Schuldgefühle für Simon "Teil meines Lebens"
Das Papier zitiert auch in direkter Rede Simon, der mit 14 Jahren bei einem Ausflug seines Rudervereins von seinem Trainer vergewaltigt worden war. Später habe es weitere Übergriffe gegeben, bis er den Verein unter einem Vorwand verließ. Simon erklärte: "Regelmäßig befallen mich Schuldgefühle." Heute wisse er aber, "dass selbst, wenn ich etwas ausgestrahlt haben sollte, dies keine Legitimation für gewalttätige sexuelle Übergriffe ist". Die Schuldgefühle blieben "aber ein Teil meines Lebens".
Bis heute ist Simon – wohl wegen der Übergriffe – in psychotherapeutischer Behandlung. Er leidet außerdem an einer sehr schmerzhaften Erkrankung der Speiseröhre, die nach Ansicht seines Therapeuten mit der Tat zusammenhängt. "Ich bin tatsächlich ein Betroffener von sexualisierter Gewalt, und die sexuellen Gewaltübergriffe werden mich ein Leben lang begleiten. Es wird nie so sein, dass ich irgendwann morgens aufwache und sagen kann: 'Okay, das Thema ist jetzt durch!'"
"Kultur des Wegsehens und Schweigens im Sportverein"
Simons Vergewaltigung habe sich laut dem Bericht vor längerer Zeit ereignet. Damals habe es eine "Kultur des Wegsehens und Schweigens im Sportverein" gegeben, "denn jeder dort hat die besondere Nähe des Trainers zu mir registriert, doch niemand hat etwas gesagt", erklärte Simon. Zudem sei der in einer konservativen Familie aufgeachsene damalige Messdiener nicht aufgeklärt worden und Sexualität – insbesondere Homosexualität – tabuisiert worden, so dass ein Gespräch über den Missbrauch praktisch unmöglich gewesen sei.
Tatpersonen seien laut dem Bericht überwiegend männlich und stammten aus dem direkten Umfeld der Betroffenen. Die Opfer erlebten häufig, dass ihre Erfahrungen verschleiert oder bagatellisiert würden. Daher forderte Aufarbeitungskommissionsmitglied Heiner Keupp ein "Recht der Aufarbeitung" für die Betroffenen. (dk)















Homophobie ist ein Verbrechen, aber man kann dieses Verbrechen nicht für alle anderen Verbrechen mitverantwortlich machen.