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Kinostart
Süßer Liebeswirrwarr nach der Trennung
Die italienische Komödie "Mascarpone" ist ein cineastischer Meilenstein mit gutaussehenden schwulen Helden, deren Gefühlsleben man gut nachvollziehen kann.

Szene aus "Mascarpone" (Bild: Cinemien)
- Von Dat tat Do
2. Oktober 2022, 03:49h 3 Min.
"Wir haben keine klassische romantische Komödie mit schwulen Hauptdarstellern", stellten Matteo Pilati und Alessandro Guida eines Tages fest. Das wollte das Autoren- und Produzentengespann ändern und setzte den Plan – noch vor dem kommenden Kinostart "Bros" – in die Tat um. "Mascarpone" entstand während der Pandemie, die das Drehen in Rom verkomplizierte, ohne Support durch eine große Produktionsfirma und ohne etablierten Verleih. Potenziellen Sponsor*innen war das finanzielle Risiko zu groß, da nur eine kleine Anzahl von Zuschauer*innen erwartet wurde.
Eine konventionelle RomCom ist den Autoren stellenweise gelungen, allerdings sind auch viele ernste Untertöne vorhanden. Wie zum Beispiel die Trennung der langjährigen Partner Lorenzo und Antonio, nachdem Erstgenannter gesteht, dass er eine anderthalbjährige Affäre mit einem gemeinsamen Freund hat.
Antonio zieht darauf beim flamboyanten Denis ein, der sein Leben durcheinanderwirbelt. Er vermittelt Antonio eine Stelle bei Luca, der eine Bäckerei betreibt. Der Liebesreigen beginnt, die Funken fliegen – doch bevor sich der 30-Jährige entscheiden kann, ob er zu seinem Ex zurückkehrt oder Luca für eine feste Beziehung ins Auge nehmen soll, muss er noch einige Hürden nehmen und seinem Leben eine neue berufliche Ausrichtung geben. Die Nachspeise Mascarpone spielt dabei eine nicht unerhebliche Rolle. Ein bisschen Geduld sollte man mitbringen, bevor man richtig lachen darf.
Situationskomik und schwule Klischees

Poster zum Film: "Mascarpone" startet am 6. Oktober 2022 regulär im Kino
In der ersten Hälfte hält sich die Story mit viel Liebeswirrwarr auf, aber leider nicht auf die lustige Art, schon eher bedrückend und zu ernsthaft für eine leichte Komödie. Hin und wieder blitzt schon mal solide inszenierte Situationskomik auf. Zum Beispiel Antonios großspurige Masturbationsszene im neuen Heim.
Typische schwule Klischees werden ebenso auf unterhaltsame Art bespielt: Der Opern-Fan Denis tänzelt erst im Kimono durch die Wohnung und lässt dann seinen nackten Hintern scheinen. Der extrovertierte Hauptmieter hat selbstverständlich viele Dates, konsumiert Cannabis, ist immer auf Achse und leidet unter ständiger Geldnot. Dabei ist seine Frohnatur ansteckend und überaus sympathisch. Die anderen Nebendarsteller*innen nehmen keinen wichtigen Raum ein, auch nicht die beste mollige Freundin, die Schwägerin oder ein Love Interest. So wird der Denis-Darsteller Eduardo Valdarnini zum eigentlichen Star des Streifens.
Die moderne Lebenswirklichkeit der Großstadt-Schwulen
Auf dem letztjährigen OUTshine LGBTQ+ Film Festival in Miami wurde "Mascarpone" hochgelobt und gefeiert. Verständlich, wenngleich es an schrägen und aberwitzigen Szenen mangelt. Auch ohne Slapstick-Gags ist ein heiteres, anrührendes Werk gelungen, das vor allem die moderne Lebenswirklichkeit von Großstadt-Schwulen widerspiegelt. Mit den ganzen Verführungen durch Dating-Apps, dem banalen Alltag einer schwulen Ehe, Fitness- und Körperkult, dem Wohnungsmangel und der Jobsuche werden sich viele identifizieren können.
Den einen wird der Film vielleicht zu brav, zahm und angepasst sein, die anderen werden ihn als Erfolg für die Community verbuchen, wo es nun endlich möglich ist, einen "Mainstream-Hit" mit schwulen Hauptdarstellern zu zeigen. Das einzige Manko: Die Story wird nicht in allen regulären Kinosälen gezeigt. Mit einer deutschen Synchronisation wäre die Reichweite eindeutig höher als im italienischen Original mit englischen Untertiteln.
Dennoch ist "Mascarpone" ein cineastischer Meilenstein mit gutaussehenden Helden, deren Gefühlsleben man gut nachvollziehen kann. Eine Fortsetzung wäre wünschenswert.
Mascarpone. Komödie. Italien 2021. Regie: Alessandro Guida, Matteo Pilati. Cast: Barbara Chichiarelli, Carlo Calderone, Eduardo Valdarnini, Giancarlo Commare, Gianmarco Saurino, Lorenzo Adorni, Michela Giraud. Laufzeit: 101 Minuten. Sprache: italienische Originalfassung mit deutschen Untertiteln. FSK 12. Verleih: Cinemien. Kinostart: 6. Oktober 2022
Links zum Thema:
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14:00h, Arte:
Von uns wird es keiner sein
Spielfilm über eine Suizidankündigung an einer Schule, mit dabei Schüler Waldi, der nach Möglichkeiten sucht, seine wahre Persönlichkeit auszudrücken und dem schwulen Lehrer Ritchie.
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Und phänomenal, was die mit dem begrenzten Budget geschaffen haben.
Absolut empfehlenswert.
Ich finde nur schade, dass das nicht synchronisiert wurde. Ich höre zwar sehr gerne italienisch, aber ich verstehe halt kein einziges Wort. Bei englischen Filmen mag das noch in Ordnung sein, wenn man vielleicht nur mal an einzelnen Stellen die Untertitel lesen muss. Aber wenn man konstant Untertitel liest, bekommt man von der Handlung im Bild immer nur die Hälfte mit und Dinge wie Nuancen in der Mimik, etc. verpasst man oft komplett.
Natürlich wird gerne gesagt, dass sich das für "kleine" Filme mit wenigen Zuschauern wirtschaftlich nicht lohne. Aber das ist natürlich ein Zirkelschluss. Denn solche Filme haben weniger Zuschauer als sie haben könnten, weil viele aus genau diesem Grund einen Film nicht gucken. Mit einer Synchronisierung würden gleich mehr Leute den Film gucken, so dass sich das in der Regel tragen würde.
Und selbst wenn nicht, erwarte ich von Verleihern, die ja auch daran verdienen wollen, auch mal ähnlichen Mut zu einem (kleinen) Risiko wie die Produzenten des Films, die gerade bei solchen kleinen, unabhängigen Produktionen ja oft ihr gesamtes eigenes Geld (und auch noch Geld von Freunden und Familie) riskieren, um ihr Projekt zu verwirklichen.