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Entscheidung
Deutscher Presserat hat kein Problem mit transphobem "Welt"-Artikel
Nach einem transphoben Artikel in der "Emma" erhält auch eine ähnlich hasserfüllte Abhandlung in der "Welt" die Absolution des Presserates.

Nach dem Okay des Presserates dürften in der Debatte um das Selbstbestimmungsgesetz alle Hemmungen fallen (Bild: welt.de)
- 5. Oktober 2022, 08:52h 2 Min.
Ein von der queeren Community scharf kritisierter Gastbeitrag der "Welt" vom 1. Juni ist vom Deutschen Presserat nicht beanstandet worden. Das Gremium sah mit fünf gegen eine Stimme bei einer Enthaltung keinen Verstoß gegen die publizistischen Grundsätze. Wie die "Welt" mitteilte, werde nach Ansicht des Presserats in dem Artikel eine Meinung ausgedrückt, "die eine extreme Position im Spektrum des öffentlichen Diskurses darstellt". Diese sei aber von der Meinungsfreiheit gedeckt.
Der Gastbeitrag trug die Überschrift "Wie ARD und ZDF unsere Kinder sexualisieren und umerziehen" und warnte davor, "dass eine kleine Anzahl von Aktivisten mit ihrer 'woken' Trans-Ideologie den [öffentlich-rechtlichen Rundfunk] unterwandert, Falschdarstellungen als vermeintlichen Stand der Wissenschaft verbreitet und das Leben von Kindern und Jugendlichen nachhaltig beschädigt". Dies müsse gestoppt werden. Viele LGBTI-Organisationen kritisierten, dass das einzige Ziel des Beitrags sei, Hass auf queere Menschen zu erzeugen und diese zu dämonisieren. Autor*innen waren unter anderem der umstrittene Jugendpsychiater Alexander Korte und die Doktorandin Marie-Luise Vollbrecht, deren Gender-Vortrag an der Berliner Humboldt-Universität im Juli für Aufregung sorgte (queer.de berichtete).
Zulässig, aber grenzwertig
Der Presserat hatte Beschwerden erhalten, in denen kritisiert wurde, dass der Gastbeitrag falsche Informationen enthalte, trans Menschen diskriminiere oder auch Aufklärung als "Indoktrination" verunglimpft werde. All diese Argumente wurde vom Presserat mehrheitlich zurückgewiesen. Die Verwendung von Kampfworten gegen queere Menschen aus der rechten Szene, wie "Indoktrination" oder "Sexualisierung", hält der Presserat für zulässig, aber auch für "grenzwertig". Das Gremium beanstandet auch nicht, dass bei der Bebilderung eine Regenbogenfahne umgedreht gezeigt wurde – dies sei laut "Welt" nur ein Versehen gewesen und korrigiert worden. Dass der Beitrag ausgerechnet am 1. Juni, also dem Beginn des Pride-Monats erfolgte, sei ebenfalls in Ordnung. Ohnehin fänden sich trotz des Vorwurfs der "Sexualisierung" im Artikel "keine Werturteile über die LGBTQ-Szene allgemein oder zu Trans-Menschen im Besonderen, und schon gar keine herabwürdigenden".
Der Deutsche Presserat überprüft die Einhaltung des Pressekodex, also der ethischen Standards des Journalismus. Laut diesem Ehrenkodex darf etwa niemand wegen "seiner Zugehörigkeit zu einer ethnischen, religiösen, sozialen oder nationalen Gruppe diskriminiert werden". Queere Menschen werden zwar nicht direkt erwähnt; Homosexuelle werden aber etwa als "soziale Gruppe" angesehen, wie der Presserat 2017 im Falle eines FAZ-Artikels bestätigte (queer.de berichtete).
Im Fall von transphober Berichterestattung drückte der Presserat zuletzt beide Augen zu: Bereits im Juni sprach das Gremium die "Emma" frei, die in einem Artikel die trans Bundestagsabgeordnete Tessa Ganserer als "er/sie" verspottet und ihren abgelegten Deadnamen benutzt hatte (queer.de berichtete). (dk)














