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Nach Pleiteserie
NDR plant offenbar Änderungen beim ESC-Vorentscheid
Wegen der seit Jahren anhaltenden schlechten deutschen Platzierungen beim Eurovision Song Contest will es der NDR offenbar künftig besser machen.

Barbara Schöneberger moderierte die letzten beiden deutschen Vorentscheide (Bild: NDR / Uwe Ernst)
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11. Oktober 2022, 09:55h 4 Min.
Nach dem enttäuschenden Abschneiden von Malik Harris beim diesjährigen ESC will der Norddeutsche Rundfunk offenbar sein Konzept für den Vorentscheid ein wenig ändern. "Es wird Eurovision-Fan-Sachkompetenz in das Team eingebracht", kündigte "Dr. Eurovision" Irving Wolter, der für den NDR arbeitet, in einem Live-Chat an. "Es wird auf jeden Fall eine Veranstaltung, die näher an den Herzen der Fans ist, als wir es in den letzten Jahren erlebt haben."
Die Verantwortlichen wollten "wirklich was ändern" und "erfolgreich sein", sagte Wolter weiter. Die Radiobeteiligung sei allerdings "nicht vom Tisch". "Es ist ja auch wichtig, dass das Radio beteiligt wird, vielleicht in einer anderen Form, wie das 2022 der Fall war." Der NDR, der seit 1996 für den deutschen ESC-Beitrag verantwortlich ist, hat sich noch nicht offiziell zu seinen Plänen geäußert.
/ byJannikUnser Lied für Liverpool?
byJannik (@byJannik) October 8, 2022
Dr. Eurovision Irving Wolter (@Dr_Eurovision) ließ in seinem "ESC-Katerfrühstück" Livestream heute morgen bereits ein wenig zum deutschen Vorentscheid 2023 durchsickern: pic.twitter.com/PyuiGVakYC
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Dieses Jahr hatte die Auswahl der Songs zu einiger Kritik geführt. Die sechs Finalsongs waren maßgeblich von den ARD-Radiopopwellen ausgesucht worden (queer.de berichtete). Dabei hätten sie mehr auf Radiotauglichkeit geachtet als auf Siegchancen beim Songcontest, hieß es vonseiten von ESC-Fans.
Insbesondere, dass es die Metalcore-Band Electric Callboy nicht in die Auswahl schaffte, stieß vielen sauer auf. Die Band aus Castrop-Rauxel startete in Folge der Ablehnung richtig durch: Nach ihrer Niederlage bei der ESC-Auswahl veröffentlichte Electric Callboy ein Album, das auf Rang eins der deutschen Charts sprang und sich auch in mehreren anderen europäischen Ländern in den Charts platzierte – angesichts des internationalen Erfolgs wäre auch ein gutes Abschneiden beim ESC wahrscheinlich gewesen. Einen neuen Anlauf gibt es aber nicht: Electric Callboy kündigten bereits an, im nächsten Jahr nicht mehr für den ESC zur Verfügung zu stehen.
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Trotzdem sei laut Wolter nicht alles schlecht verlaufen: Malik Harris habe schließlich "mehr zu tun" gehabt, als es bei Jendrik ("I Don't Feel Hate") im Vorjahr der Fall gewesen sei. Harris belegte zwar den letzten Platz beim ESC, der Song "Rockstars" schaffte es in Deutschland aber bis auf Platz acht der Charts und platzierte sich auch in den Hitparaden in Österreich und der Schweiz. Der offen schwule Jendrik, der 2021 immerhin Vorletzter beim ESC-Finale wurde, verfehlte dagegen die Top-100 der deutschen Charts und landete lediglich auf dem 102. Platz.
Ohnehin wird darauf verwiesen, dass ein gutes Ergebnis beim ESC nicht unbedingt einen Song zum europa- oder gar weltweiten Superhit aufsteigen lässt. So waren der ukrainische Siegersong "Stefania" und der britische Zweitplatzierte "Space Man" zwar in ihren Heimatländern erfolgreich, in den deutschen Charts schafften sie es – anders als Malik Harris – aber nicht in die Top-Ten.
Als erfolgreich erwies sich dagegen der armenische Beitrag "Snap" von Rosa Linn, der ebenfalls auf Platz acht der deutschen Charts kletterte. "Snap" wurde auch zu einem Hit in vielen europäischen Ländern und Lateinamerika und platzierte sich sogar in den US-Charts. Allerdings trat der Erfolg erst Monate nach dem ESC ein, als das Lied auf TikTok viral ging. Beim Songcontest kam Rosa Linn nur auf den 20. Platz.
Deutschland hatte zuletzt einen Lauf, wenn es um Fehlschläge beim ESC geht. In den letzten sieben Songcontests belegte der vom NDR oder einem NDR-Vorentscheid bestimmte Song in sechs Fällen den letzten oder vorletzten Platz. Einzige Ausnahme war 2018 das Lied "You Let Me Walk Alone" von Michael Schulte, das es auf Rang vier und 26 Finalsongs schaffte. Die letzten Jahren gelten trotzdem als die schlechteste Periode für deutsche Songs seit dem Start des Festivals im Jahr 1956. Die besten Ergebnisse in diesem Jahrhundert hatte der NDR zwischen 2010 und 2012, als er beim Vorentscheid mit dem Privatsender ProSieben kooperierte.
Deutscher Vorentscheid bereits im Februar
Wie "ESC Kompakt" berichtet, soll im Februar 2023 ein deutsches TV-Finale zur ARD-Primetime ausgestrahlt werden. Dieses Jahr fand die Auswahlshow Anfang März statt (queer.de berichtete). "Der reichweitenstärkste unabhängige deutschsprachige Nachrichtenblog zum Eurovision Song Contest" meldet weiter, dass das Publikum beim Voting "maßgeblich beteiligt" werden soll. Geplant seien 50 Prozent. Zudem wird es mehr Songs geben als die sechs, die dieses Jahr antreten durften. Demnach seien acht bis zwölf konkurrierende Lieder geplant.
Der nächste ESC findet im Mai 2023 in Liverpool statt (queer.de berichtete). Eigentlich hätte das Siegerland Ukraine den Songcontest austragen sollen. Die Europäische Rundfunkunion entschied jedoch schon wenige Wochen nach dem Sieg, dass das Land aufgrund des russischen Angriffskrieges aus Sicherheitsgründen das Event nicht austragen könne (queer.de berichtete).














