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Personalpronomen
"Er", "sie", "they": Was sagt eigentlich die Wissenschaft?
Rechten Politiker*innen treibt der bloße Hinweis auf Pronomen immer wieder die Zornesröte ins Gesicht. Mit einer Konferenz in Bielefeld schalteten sich jetzt Wissenschaftler*innen in die aufgeheizte Debatte ein.

Klare Botschaft bei der Wiener Regenbogenparade 2021: "Respektiert unsere Pronomen" (Bild: Ivan Radic / flickr)
- 21. Oktober 2022, 03:00h 4 Min.
Sie gehören zu den kürzesten Wörtern der deutschen Sprache. Und doch herrscht um sie immer wieder große Aufregung. Die Rede ist von Personalpronomen: "Er", "sie" und "es" kennen viele noch als "Fürwörter" aus dem Deutschunterricht – hochpolitisch wird es aber, wenn etwa von "they/them" die Rede ist. Mit Pronomen wie diesen lassen sich auch nichtbinären Geschlechtsidentitäten ausdrücken. Gerade vielen jüngeren Menschen ist die richtige Bezeichnung ein wichtiges Anliegen, rechten Politiker*innen treiben die "Gender Pronouns" dagegen regelmäßig die Zornesröte ins Gesicht.
In Bielefeld haben jetzt Wissenschaftler*innen den nur scheinbar unscheinbaren Personalpronomen eine ganze Konferenz gewidmet. "Es ist eigentlich eine unauffällige Wortgruppe. Aber sehr, sehr bedeutsam", sagt Mona Körte, Professorin für Literaturwissenschaft und Organisatorin der Tagung mit dem Titel "Personalpronomen: Grammatik im Wandel?". Wer einen genaueren Blick auf Texte zu Personalpersonen werfe – von Humboldt über Grimm bis ins 20 Jahrhundert hinein – stelle fest, "dass diese Theorietexte das Phänomen gar nicht zu bändigen helfen, sondern im Gegenteil eher Verwirrung stiften. Und das hat uns sehr interessiert."
Kritik an der binär-hierarchischen Ordnung
Vor allem bei jüngeren Menschen ist es in den vergangenen Jahren gängiger geworden, in E-Mail-Signaturen oder auf Profilen in sozialen Medien ihre Personalpronomen anzugeben. Die Bewegung stammt aus den USA. Bei vielen nichtbinären Menschen hat sich dort "they/them" etabliert. Aber auch viele cis Menschen geben etwa "she/her" oder "sie/ihr" an. Sie wollen damit zeigen, dass sie die Geschlechtsidentität anderer respektieren. So soll von nichtbinären Personen der Druck genommen werden, sich immer wieder erklären zu müssen.
"Die Anforderungen, dem Zwang zu genügen, sich in die binäre Ordnung einzufügen – das wird von vielen Menschen verstärkt als Zumutung erlebt", erklärt die auf der Konferenz vertretene Professorin für Geschlechtersoziologie, Tomke König, die Anfänge der Bewegung. Je vielfältiger die geschlechtlichen Lebensweisen würden, umso lauter werde auch die Kritik an der alten binär-hierarchischen Ordnung. "Boykott dem binären Komplott!" – so drückt es die Band Drangsal in einem Songtext aus.
Pronomen sind schon sehr lange ein Thema
Personalponomen seien derzeit "hochgradig politisch aufgeladen", sagt Körte. "Wir nehmen die politische Debatte nur zum Anlass, um uns dann tatsächlich wissenschaftlich über diese interdisziplinären Ansätze zu verständigen." So waren auf der Tagung am Mittwoch und Donnerstag neben der Sprachwissenschaft auch Philosophie, Biologie, Soziologie oder Tierethik vertreten. Es ging etwa um die "Konstruktion von Identität in der römisch-antiken Lebenswelt" oder die Verwendung von Pronomen in Tierenzyklopädien.
Das Thema zu kontextualisieren und zu historisieren, tue der politischen Debatte gut, ist sich Körte sicher. Dort spiele Wissenschaft nämlich kaum eine Rolle, sagt sie. "Unsere Tagung ist ein Ansatz, ein Versuch in diese Richtung." Interessant sei, "dass die Wissenschaft bei den Pronomen nicht einhegt und befriedet". Sie mache vielmehr deutlich, dass Pronomen in ihrer Variabilität, ihren Schattierungen und Nuancen schon sehr lange ein Thema seien.
Warum fühlen sich nicht wenige Menschen provoziert?
Im Englischen haben sich weitgehend die Pronomen "they/them" etabliert, im Deutschen gibt es dagegen bislang kaum adäquate Anreden abseits der männlichen und weiblichen Formen, die auch allgemein verständlich sind. "Ich beobachte, dass sich eher das Nennen des Namens durchsetzt", sagt König. "Und das finde ich eine sehr gute Lösung, weil wir dann keine neuen Worte erfinden müssen." Ein Beispielsatz: "Steffi putzt sich die Zähne, bevor Steffi ins Bett geht."
Befürchtungen von "Sprachverunstaltung" weist König zurück. "Wichtiger wäre, dass niemand diskriminiert wird", sagt sie. Es gehe gar nicht nur um Repräsentation, sondern auch um "Verantwortung, die ich dafür habe, respektvoll und anerkennend meinem Gegenüber zu begegnen, für den respektvollen Umgang miteinander."
Aber warum provoziert die Verwendung von Pronomen wie "they/them" eigentlich so sehr? Geschlechtersoziologin König erklärt, die Empörung sei nicht überraschend. In diesen Debatten gehe es nicht nur um den Erhalt oder die Überwindung der Differenz zwischen den Geschlechtern, sondern um Lebensweisen, die für unsere Gesellschaft bislang wesentlich (konstitutiv) gewesen seien, allen voran die Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern. (cw/dpa)















Für die Lösung dieses Problems bedarf es daher eines gut durchdachten Systems von neuen leicht audsprechbaren geschlechtsneutralen Begriffen und Formen. Der Verein für geschlechtsneutrales Deutsch e. V. unterstützt die Entwicklung eines solchen Systems. Siehe geschlechtsneutral.net.
Jetzt gerade führt der Verein eine Umfrage durch, mit der die letzten Details festgelegt werden sollen, bevor er den Vorschlag an die Öffentlichkeit trägt:
www.soscisurvey.de/inklusivum/
Dabei geht es unter anderem darum, ob das geschlechtsneutrale Pronomen in diesem System en oder hen lauten soll.
Natürlich ist es wichtig zu beachten und darüber aufzuklären, dass jede Person selbst entscheiden kann, welches Pronomen für sie verwendet werden soll. Das soll sich durch dieses System auch nicht ändern. Es gibt bei vielen aber auch den Wunsch, dass sich zukünftig ein geschlechtsneutrales Pronomen im Sprachgebrauch so weit etabliert, dass jede Person dieses Pronomen für sich auswählen kann, ohne ständig erklären zu müssen, wie es funktioniert ähnlich wie beim singular they im Englischen. Ein solches allgemeines geschlechtsneutrales Pronomen hätte noch weitere Vorteile, zum Beispiel beim Sprechen über eine unspezifische Person beliebigen Geschlechts oder über eine spezifische Person, deren Pronomen unbekannt ist.