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Vor WM

LGBTI-Aktivist bei Protest in Katar festgenommen

Der bekannte britische Aktivist Peter Tatchell machte mit einem Schild auf Festnahmen und Misshandlungen queerer Menschen in dem Emirat aufmerksam.


Tatchell am Dienstag in Doha (Bild: Peter Tatchell / facebook)
  • 25. Oktober 2022, 11:26h 9 4 Min.

Zu Updates springen: Tatchell wieder auf freiem Fuß, Katar weist Vorwürfe zurück

Der Menschenrechtler und queere Aktivist Peter Tatchell ist am Dienstag bei einem Protest im Fußball-WM-Gastgeberland Katar festgenommen worden. Der Brite hielt vor dem Nationalmuseum in Doha ein Schild hoch mit dem Aufdruck: "Katar verhaftet LGBT, steckt sie hinter Gitter und setzt sie 'Konversions-Therapien' aus."

Medienberichten zufolge hatte der 70-Jährige dabei gesagt: "Mit einem anormalen Regime wie Katar kann es keine normalen sportlichen Beziehungen geben. Es ist eine homophobe, sexistische und rassistische Diktatur." Dem Emirat dürfe nicht erlaubt werden, sich mit Sport reinzuwaschen: "Es nutzt die Weltmeisterschaft, um sein internationales Image zu stärken. Wir müssen sicherstellen, dass das Tyrannenregime in Doha keinen PR-Sieg erringt."


Ausschnitt aus einem Video, das zeigt, wie ein Beamter mit Tatchell spricht und ihm das Plakat zuklappt. Die Festnahme ist nicht darauf zu sehen

Laut der Peter Tatchell Foundation, die vom ersten öffentlichen queeren Protest in einem Golfstaat spricht, ist derzeit unklar, wohin der Aktivist gebracht wurde und was nun mit ihm geschieht. Vor der Festnahme hatte er noch gesagt: "Ich habe diesen Protest veranstaltet, um die Menschenrechtsverletzungen Katars gegen LGBT+-Personen, Frauen, Wanderarbeiter und liberale Katarer zu beleuchten. Ich unterstütze ihren tapferen Kampf gegen die Tyrannei."

Willkürliche Festnahme und Misshandlung queerer Menschen

Kurz vor Beginn der WM im November reißt die Debatte über die Lage von Menschenrechten in Katar nicht ab. Das repressive Regime steht unter anderem wegen der Kriminalisierung queerer Menschen oder des Umgangs mit Gastarbeiter*innen in Kritik – mehrere tausend sollen bei der WM-Vorbereitung bei Ausbeutung unter katastrophalen Bedingungen gestorben sein. Homosexualität ist in Katar gesetzlich verboten und kann mit bis zu sieben Jahren Gefängnis bestraft werden, muslimischen Gläubigen droht sogar die Todesstrafe.

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hatte erst an diesem Montag einen Bericht veröffentlicht, in dem sie sechs Fälle von willkürlicher Festnahme und brutaler Behandlung queerer Menschen durch das Regime dokumentierte – der letzte Fall liege wenige Wochen zurück (queer.de berichtete). Die Personen seien auf der Straße festgenommen und wochenlang ohne Anklage inhaftiert worden, trans Frauen seien Sitzungen mit "Konversionstherapie" angeordnet worden. Die interviewten Menschen aus Katar berichteten von weiteren ausländischen Festgenommenen. Human Rights Watch hatte schon vorab queeren Fußballfans geraten, nicht in das Emirat zu reisen (queer.de berichtete).

Tatchell hatte auch vor der letzten ebenfalls umstrittenen Fußball-WM 2018 in Russland protestiert: Am Tag der Eröffnung wurde er auf dem Moskauer Roten Platz mit einem Plakat festgenommen, mit dem er auf die anti-queere Verfolgung in Tschetschenien und die mangelnde Aufklärung durch russische Strafverfolgungsbehörden aufmerksam machen wollte (queer.de berichtete). Zuvor war er mehrfach bei CSDs in Moskau festgenommen und teilweise von Gegendemonstranten verprügelt worden. Im letzten Jahr erschien bei Netflix eine 90-minütige Dokumentation über den seit mehr als 50 Jahre andauernden Aktivismus des gebürtigen Australiers (queer.de berichtete). (cw)

 Update  14.50h: Tatchell wieder auf freiem Fuß

Der Aktivist Peter Tatchell wurde nach seinem Protest am Nachmittag freigelassen. In einem kurzen Video erneut vor dem Nationalmuseum bedankte sich der Aktivist für die Unterstützungs-Botschaften, die er erhalten habe.

I have been freed by #Qatar police after staging the first LGBT+ protest in the homophobic Gulf state. @FIFAcom awarded...

Posted by Peter Tatchell on Tuesday, October 25, 2022
Facebook / Peter Tatchell
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Er sei nun freigelassen und bald auf dem Weg zum Flughafen. Sein Protest habe 45 Minuten gedauert, bevor Sicherheitskräfte erschienen seien und ihn festgenommen hätten. Fur rund eine Dreiviertelstunde sei er verhört worden, wo er herkomme und was er vorhabe.


 Update  19.30h: Katar weist Vorwürfe zurück

Die Regierung Katars hat in einer Stellungnahme abgestritten, dass es zu einer Festnahme gekommen sei. Entsprechende Berichte seien "komplett falsch und ohne Grundlage". Weiter heißt es: "Eine Person, die in einem Kreisverkehr stand, wurde herzlich und professionell aufgefordert, sich auf den Bürgersteig zu begeben, es wurden keine Festnahmen vorgenommen." Man sei immer offen für Dialog "aber die Verbreitung falscher Informationen mit der bewussten Absicht, negative Reaktionen zu provozieren, ist unverantwortlich und inakzeptabel."

Laut der BBC zeige Videomaterial, dass zwei uniformierte Beamte und drei Zivilbeamte am Protestort Tatchells eintrafen. "Sie falteten sein Plakat zusammen und machten Fotos von Tatchells Pass und anderen Papieren sowie von einem Mann, der ihn begleitete."

Tatchell betonte in einer Stellungnahme, er und sein Kollege, der ihn filmte, seien von der Polizei und Sicherheitskräften festgehalten und vom Gehen abgehalten worden. Die Beamten hätten Fragen gestellt, Videomaterial gelöscht und betont, dass die Männer einen Flug außer Landes nehmen müssten. Es sei eine "Schande", dass die Regierung mit der falschen Darstellung eines friedlichen Protests von "teuflischen Menschenrechtsverletzungen" ablenken wolle.

Am Dienstag hatte ein Regierungsbeamter auch den oben im Text angesprochen und unten verlinkten Bericht von Human Rights Watch vom Montag über Menschenrechtsverletzungen an queeren Menschen zurückgewiesen. Einige Informationen zum Thema seien schlichtweg falsch, so der Sprecher laut dpa. "Die katarische Regierung betreibt oder lizenziert keine 'Konversionszentren'", behauptete der Beamte. Zu den konkreten Misshandlungsvorwürfen äußerte er sich hingegen nicht. "Katar toleriert keine Diskriminierung von irgendjemandem, und unsere Richtlinien und Verfahren basieren auf der Verpflichtung zu den Menschenrechten für alle." (cw)

-w-

#1 KilianEhemaliges Profil
  • 25.10.2022, 14:04h
  • Erstaunlich, zu was man fähig ist, wenn man kein Fussballer, Funktionär, Politiker oder Popsänger ist.

    Da stellt sich jemand mit einem kleinen Schild auf die Straße und setzt sein Leben aufs Spiel, weil er die nüchternen Fakten benennt und erreicht damit mehr, als es millionschwere, europäische Verbände mit ihrer Fake-Regenbogenbinde jemals vermögen, während in Deutschland Beckenbauer noch immer Arbeitssklaven leugnet und Hoeneß 10.000 Tote via Telefonschalte im deutschen Fernsehen relativiert.
  • Direktlink »
#2 KonradCgnAnonym
  • 25.10.2022, 14:44h
  • Antwort auf #1 von Kilian
  • Ich habe Respekt vor Tatchells Aktion. Er ist allerdings auch nicht irgendein Typ, sondern relativ prominent und medial gut vernetzt, somit ist sein Risiko geringer als wenn du oder ich uns da hinstellen würden. Trotzdem geht er ein vermutlich schwer kalkulierbares Risiko ein. Hut ab dafür.
  • Direktlink »
#3 Kotzen Im StrahlAnonym
  • 25.10.2022, 14:51h
  • Das muss dieses "Alle Fans bei Fußball-WM willkommen" sein, von dem der Emir mehrfach wahnfieberte:
    Hier:
    www.queer.de/detail.php?article_id=43283

    oder hier:
    www.queer.de/detail.php?article_id=42086

    (wobei: Hui, ist das schon das "Hintertürchen"? Der "Respekt für die Kultur" von Menschenrechtsverstößen, Hass und Ausgrenzung? Ts, ts, ts, wer hätte es gedacht).

    Oder sind das diese "beachtlichen Fortschritten" in Sachen Menschrechte, die F1F4-Präsi Gianni Infantino erst vor Kurzem erwähnte:
    www.queer.de/detail.php?article_id=43345

    Darf ich diese Kritik überhaupt äußern?
    Oder ist der verurteilte Steuerbetrüger Uli H. aus Bayern schon wutschnaubend auf dem Weg zum Telefon, was uns denn einfiele, Kritik zu äußern, Fußball sei ja nicht die Hauptversammlung von Amnesty International (kurz: Scheiß auf Menschenrechte, sobald sie uns Geld verhindern)?

    Mich interessiert dieser Sport null, ich kann diese Blut-WM also nicht boykottieren, weil ich sie eh nicht geschaut hätte. Aber es wäre schön, wenn sich diese völlig enthemmte Ablehnung jeglicher Menschenrechte seitens der ausrichtenden, teilnehmenden, übertragenden und berichtenden Täter und Mithelfer maximal negativ für sie auszahlte (was es nicht tun wird, ich weiß, immerhin reden wir ja von: "FUUUUUSSBAAAAALL - FUUUUSSBAAAAAAALL!!!" und das steht bei Alman Mutermann bekanntlich noch vor den 7x Fleisch am Tag und Tempo 240 als "letzte Freiheit in diesem Land(TM)".
  • Direktlink »

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