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Ab Donnerstag im Kino

Eine queere Geschichte aus der brasilianischen Provinz

Im Film "My Private Desert" geht es um "echte" Männer, Transidentität und die Liebe. Der offizielle Kandidat Brasiliens für den Oscar 2022 will mit Erwartungen brechen und verfängt sich doch sehr in Klischees.


Daniel (Antonio Saboia) hält sich für einen "richtigen" brasilianischen Mann (Bild: GMfilms)

Abseits der brasilianischen Strände und auch weit weg von den sozialen Brennpunkten, sondern einfach irgendwo in der Mittelschicht lebt Daniel (Antonio Saboia). Von seinem Job als Polizist beurlaubt und mit einem internen Ermittlungsverfahren wegen Fehlverhaltens vor der Nase, fühlt er sich allein und haltlos. Plötzlich auf sich selbst zurückgeworfen, hat Daniel einfach nichts mehr zu tun, außer seinen dementen Vater zu pflegen – und mit der schönen Sara (Pedro Fasanaro) zu chatten, die er online kennengelernt hat. Doch dann antwortet Sara mit einem Mal nicht mehr auf seine Nachrichten...

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Ein Zeichen für ein modernes Brasilien

Wie so viele Länder auf der Welt ist auch das Brasilien der Gegenwart tief gespalten. Das knappe Ergebnis der letzten Wahl zeigt nur zu deutlich, dass die Entscheidung für einen progressiven Weg in die Zukunft nicht von allen gewünscht ist. In Anbetracht dessen muss "My Private Desert" sicher auch als ein Zeichen gegen Restauration, Repression und Reaktion gesehen werden. Dass Brasilien den queeren Film von Regisseur Aly Muritiba für den Oscar für den besten fremdsprachigen Film ins Rennen schickte, hat durchaus symbolische Strahlkraft.


Daniel und Robson (Pedro Fasanero) küssen sich für ein modernes Brasilien (Bild: GMfilms)

Dass der Film dann aber nicht in die engere Auswahl um den amerikanischen Filmpreis kam, ist aber wohl eher als Qualitäts- denn als politisches Urteil zu sehen. Der Film nimmt sich vor allem das traditionelle Männlichkeitsbild Brasiliens vor: Daniel ist als Polizist ein "echter Mann", der sich von niemandem etwas gefallen lässt, sich verteidigen kann, standhaft ist und seine Pflicht tut. Die bekannte Kehrseite dieses Machismo-getränkten Bildes ist die fehlende Auseinandersetzung mit den eigenen Gefühlen, ein Mangel an Empathie und eben Einsamkeit, wenn die Strukturen (der Arbeit), die dem Leben den vermeintlichen Sinn geben, mit einem Mal wegbrechen.

Zum richtigen Mann gehört dann natürlich auch die richtige Frau. Und die muss für Daniel eher einer in nebulösem Dunst leuchtenden Phantasievorstellung entsprechen, ein Abziehbildchen einer Frau. Oder anders: eine Ansammlung schöner Fotos in einem Chatprofil, die nicht viel mehr hergeben als eine große Projektionsfläche. In der Anlage fokussiert "My Private Desert" also einige interessante Punkte – die Frage nach Männlichkeit innerhalb der Polizei, nach Zärtlichkeit zwischen Vater und Sohn, Rollenverteilung innerhalb der Familie, Weiblichkeit über biologischen Grenzen hinweg u.a. ist dabei noch nicht einmal erwähnt. Doch leider fällt der Film nach dem ersten Drittel ziemlich flach.

Kino der Konventionen


Poster zum Film: "My Private Desert" startet am 17. November 2022 im Kino

In der ersten halben Stunde etwa werden die beschriebenen Themenfelder alle eröffnet, nur um dann sofort komplett fallen gelassen zu werden, als mit dem (überraschend spät einsetzenden) Vorspann Daniels Reise durch das Land beginnt. Auf der Suche nach Sara fährt er von einem auf den anderen Augenblick einfach los. Dass ein Film keine Lösungen für die Probleme findet, die er aufwirft, mag als Stilmittel funktionieren und Ausweglosigkeit, Hilflosigkeit oder Beklemmung vermitteln. Doch sie einfach nicht mehr anzusprechen, frustriert dann doch eher, da unklar ist, wieso sie überhaupt eine halbe Stunde lang ausgebreitet wurden. Umso mehr als die dann folgenden Auflösungen nur scheinbare sind. Ohne viel von der Handlung und vor allem dem Ende verraten zu wollen, sei hier die Leere und der Behauptungscharakter von albernen Tanzszenen zu 1980er-Jahre-Hymnen erwähnt.

Was als Momente des Glücks inszeniert ist, entlarvt den Film in Gänze als Phantasmagorie, als ein Trugbild. Anders als etwa der chilenische Film "Eine fantastische Frau" (2017) schafft "My Private Desert" es eben nicht, die Ernsthaftigkeit, das Tragische und das Schöne zusammenzubringen, sodass beide Teile – die realen sozialen und psychologischen Probleme, als auch die Flucht und der kurze Blick in eine vermeintlich glücklichere Welt – fad bleiben. Die Probleme sind nicht vergessen und das Glück ist eigentlich nur Kitsch.

Der gezwungene Symbolismus etwa von Daniels Gipsarm, der in seiner Künstlichkeit den Film hindurch zu leuchten scheint, die Inszenierung von Saras Identität als großes Rätsel oder auch das sehr bemühte poetische Gerede, bei dem plötzlich nur noch in Vergleichen und Allegorien gesprochen wird, geben dem Film dann den Rest. So wichtig "My Private Desert" als politisches Zeichen ist, so enttäuschend ist er doch leider als Kunstwerk.

Direktlink | Offizieller deutscher Trailer
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Infos zum Film

My Private Dessert. Drama. Brasilien 2022. Regie: Aly Muritiba. Cast: Antonio Saboia, Pedro Fasanaro, Thomas Aquino, Laila Garin, Zezita De Matos, Sandro Guerra, Luthero De Almeida, Otávio Linhares, Cynthia Senek. Laufzeit: 124 Minuten. Sprache: portugiesische Originalversion mit deutschen Untertiteln. FSK 12. Verleih: GMfilms. Kinostart: 17. November 2022
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