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FIFA World Cup

Eine Liebe, viele Fragen: Wie geht es in der WM-Debatte weiter?

In der "One Love"-Debatte bleiben viele Fragen offen. Der Deutsche Fußball-Bund ist großen Zwängen ausgesetzt. Im Mittelpunkt steht die Kapitänsbinde, die vor einem Monat noch kritisiert worden war.


FIFA-Chef Gianni Infantino sorgt mit seiner harten Linie für Kopfschütteln, sitzt aber wohl fest im Sattel (Bild: World Trade Organization / flickr)

  • Von Jan Mies, Florian Lütticke, Arne Richter und Marek Majewsky, dpa
    22. November 2022, 12:17h 4 6 Min.

Keine Liebe für die FIFA und den DFB: Nach dem Verbot der "One Love"-Kapitänsbinde für europäische WM-Teilnehmer durch den Weltverband stehen dieser und der Deutsche Fußball-Bund stark in der Kritik. Eine "Machtdemonstration" beklagte DFB-Präsident Bernd Neuendorf – sein Verband muss sich dem Vorwurf des angeblichen Einknickens stellen. Als erster Sponsor zog der Handelsriese REWE am Dienstag Konsequenzen und wirbt nicht mehr für den DFB während der WM.

Was wären die unmittelbaren Konsequenzen, trüge DFB-Kapitän Manuel Neuer die Binde doch?

Neuer könnte vom Schiedsrichter mit der Gelben Karte verwarnt werden. Die Binde sei Teil der Ausrüstung und bei Mängeln an dieser dürfe ein Spieler nicht an der Partie teilnehmen, erklärte der erfahrene frühere FIFA-Schiedsrichter Manuel Gräfe bei Twitter. "Macht er es trotzdem, wäre es ein unerlaubtes Betreten des Spielfeldes/unsportliches Verhalten", das mit Gelb zu ahnden sei. Gelb-Rot gebe es in der Folge nicht, weil ein Spieler nicht zweimal für ein Vergehen bestraft werden dürfe – theoretisch sei aber ein Spielabbruch möglich. Dieser müsse "aber immer verhältnismäßig sein", schrieb Gräfe. Der DFB begründete den Verzicht nach der FIFA-Androhung damit, das Politikum nicht auf dem Rücken der Spieler ausfechten zu wollen. Zudem sei es das Ergebnis der Beratungen aller Europa-Verbände gewesen. DFB-Mediendirektor Steffen Simon war der FIFA in einem Interview des Deutschlandfunks am Dienstagmorgen "extreme Erpressung" vor.

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Warum riskiert der DFB nicht den Bruch mit der FIFA und notfalls noch schärfere Sanktionen?

DFB-Präsident Bernd Neuendorf gab an, die FIFA habe "keine konkreten Aussagen" gemacht, was passieren könne, die Rede sei von "sportlichen Sanktionen" gewesen. Die könnten dann noch weiterführen: Ein provozierter Spielabbruch und der damit vielleicht sogar verbundene Ausschluss aus dem Turnier könnte den Verband Strafzahlungen im schnell zweistelligen Millionenbereich kosten. Wie in Abschnitt 5 der Wettbewerbsregularien festgelegt, stünde dann auch der Ausschluss von kommenden FIFA-Weltmeisterschaften im Raum – dem DFB würden weitere fest geplante Einnahmen entgehen. Der Verband gibt viel von seinem Geld an die Amateurverbände weiter.

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Wie ist das Auftreten von Neuendorf zu bewerten?

Der 61-Jährige wählte für seine Stellungnahme mit DFB-Geschäftsführer Oliver Bierhoff klare Worte ("Machtdemonstration"), machte aber deutlich, für den Dialog mit der FIFA weiter offen zu sein. Neuendorfs Sachlichkeit ist eher selten im Fußballgeschäft, im kommenden Jahr soll der DFB-Präsident ins FIFA-Council an Infantinos Tisch aufrücken. Deutschland bewirbt sich mit den Niederlanden und Belgien um die Ausrichtung der Frauen-WM 2027. Es ist ein sehr schmaler Grat, kritisch genug zu sein, aber nicht zu sehr im FIFA-Zirkel abzurutschen und gar nichts mehr bewirken zu können. Im medialen Echo in Deutschland stand Neuendorf am Montag und Dienstag schlecht da – dagegenhalten wurde gefordert. REWE begründete seinen vorzeitigen Ausstieg aus den Werbemaßnahmen – der Vertrag lief bis zum Jahresende – eher mit Kritik an der FIFA.

Wie haben sich die Spieler positioniert?

Die Nationalspieler haben in den vergangenen Jahren eine bemerkenswerte Entwicklung gemacht und sich teils deutlich für gesellschaftspolitische Themen starkgemacht. Als Stimme der DFB-Auswahl hat sich Leon Goretzka etabliert – im vergangenen Jahr ging seine Herz-Geste im EM-Gruppenspiel vor dem ungarischen Fanblock um die Fußball-Welt. An der Ankündigung, "One Love" in jedem Fall zeigen zu wollen, müssen sich die Spieler um Neuer nun aber messen lassen. Er wirke so "dass wir sie jetzt überfrachtet haben", sagte Ex-Profi Thomas Hitzlsperger in den ARD-"Tagesthemen". "Nur, was sie verstehen müssen, ist, dass sie in der Vergangenheit selbst Zeichen setzen wollten, so haben sie die Erwartungshaltung gesteigert." Es werde "eine Zeit dauern, bis sie wieder glaubwürdig für diese werte einstehen können".

Welche Botschaft vermittelt die "One Love"-Binde?

Kurioserweise war die mehrfarbige Binde mit dem Herz nach der Vorstellung im September von mehreren Seiten scharf kritisiert worden, weil sie eben nicht den symbolkräftigen Regenbogen abbildet. Homosexualität ist in Katar per Gesetz verboten. Der DFB wehrte sich und verwies darauf, dass sich die "One Love"-Binde gegen jede Form von Diskriminierung wende. Der Unterschied zur von der FIFA vorgegebenen "NoDiscrimination"-Kapitänsbinde der FIFA scheint nicht mehr so groß.

Welche Fronten haben sich gebildet?

Im Kern waren in Katar noch sieben europäische Nationen bei der Kampagne dabei: Deutschland, England, Wales, die Niederlande, Schweiz, Dänemark und Belgien. Als prominenteste Europa-Nation bei der WM fehlte Spanien. Im FIFA-Council sitzt nur der Vertreter aus Deutschland – Peter Peters soll im kommenden Jahr von Neuendorf abgelöst werden. Im Grundsatz sind die glorreichen Sieben ohnehin sehr dem eigenen Geschäft innerhalb der Europäischen Fußball-Union zugeneigt, die sich mit der FIFA in einem Dauerstreit befindet. Neu war Neuendorfs Versuch, sich kurz vor der WM als Infantino-Kritiker zu positionieren.

Wie sicher ist Gianni Infantino auf seinem Präsidentenstuhl?

Die Mitteilung des DFB, den Schweizer für die Wahl im März in Kigali nicht zu nominieren, wäre nicht zwingend notwendig gewesen. Bis zum Fristende mussten Kandidaten einen Job im Fußball und die Unterstützung von fünf Nationalverbänden präsentieren. Für Infantino eine leichte Aufgabe: Der 52-Jährige erfährt große Unterstützung insbesondere aus Afrika und Asien. Insgesamt gibt es 211 FIFA-Nationen. Einen Gegenkandidaten oder eine Gegenkandidatin gibt es nicht, und das wäre die erste Voraussetzung für eine geordnete Ablösung des früheren UEFA-Generalsekretärs. Es wäre nicht fair, einen aussichtslosen Kandidaten ins Rennen zu schicken, hieß es von Neuendorf. Und dass Infantino westliche Kritik ziemlich kaltlässt, zeigte zuletzt dessen Pressekonferenz am Samstag mit dem großen Rundumschlag gegen Europa.

Was würde eine EU-Resolution am Donnerstag bedeuten?

Einen Vorgeschmack auf die mögliche WM-Resolution des EU-Parlaments am Donnerstag gab es Montagabend. Von einer "WM der Schande" sprachen Abgeordnete, manche forderten ein Boykott der Veranstaltung, eine Parlamentarierin trug bei ihrer Rede aus Protest die "One Love"-Armbinde, mit der eigentlich ein Zeichen gegen Diskriminierung gesetzt werden sollte. Wenn das Parlament am Donnerstag geschlossen die WM in Katar und die FIFA verurteilt, wäre das eine symbolische Ohrfeige für die Organisatoren. Rechtlich ist der Text zwar nicht bindend. Neben negativer Berichterstattung über die WM, könnten durch die anhaltende Kritik auch Sponsoren zu dem Schluss kommen, dass die Weltmeisterschaft für sie als Veranstaltung für Werbung weniger attraktiv wird. Allerdings kommen bis auf Adidas keine Geldgeber der FIFA mehr aus Europa.

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#1 Svennie89Anonym
  • 22.11.2022, 16:50h
  • Da kann man nur sagen: Prima !

    Dieser rüchgratlose DFB und die Mannschaft sollten nicht mehr als Deutsche Nationalmannschaft auftreten.
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#2 ehneenntAnonym
  • 22.11.2022, 22:01h
  • Das Narrativ das FIFA und co. versuchen zu setzen ist: "Die Queere-Community versaut allen den Spaß."
    Die FIFA behauptet sie wolle das Gegenteil, aber sie hat durch diese Gelbe-Karte-Aktion erzwungen, dass Politik und Sport vermischt werden. Bei einer Geldstrafe wäre das nicht der Fall gewesen. So aber hat sie hat die Queere Community und Menschenrechtler in die Schusslinie geschoben als Sündenbock. Das ist widerlich, perfide, niederträchtig und unmenschlich.

    Ich hoffe die Fußballer tragen die Binde einfach trotzdem.
    Ich wünschte sie würden einfach komplett gehen - aber ich habe Angst vor dem Ergebnis. Sie würden Millionenfans wütend machen und nicht alle
    werden die FIFA als Verantwortlichen sehen. Vielleicht ist es hier effektiver nicht die perfiden Regeln der FIFA zu bekämpfen sondern die Organisation selbst. Die Armbinde hätte viel bedeutet, aber man kann auch ohne für Queere- bzw. Menschenrechte eintreten. Und man kann sie tragen, wenn man gewonnen hat und die hohle Strafe nichts mehr wert.
    Gott sei Dank gibt es klugen Protest wie z.B. von Rewe. Ich glaube sowas bringt am meisten... Es sendet eine klare Botschaft, vergrätzt aber nicht pauschal die Fans.

    Es macht leider einen gewissen Sinn, die Gelbe Karte nicht in Kauf zu nehmen. Ich vermute es war eine Abwägungsentscheidung bei der Deutschen Mannschaft: Man will verhindern, dass die Queere Community zum Sündenbock gemacht werden kann, für eine unsportliche oder verlorene WM. Menschen wie z.B. Putin versuchen Queerphobie politisch zu instrumentalisieren, besser vermeiden was ihnen in die Hände spielen könnte.

    Ich hoffe und bete, dass die FIFA in ihrem Ruf, ihren Quoten und Geldern so nachhaltig beschädigt wird, dass sie eingeht oder wenigstens nie wieder sowas machen kann. Es ist zum heulen, aber am Ende wird Katar und FIFA verlieren. Sie werden Regenbögen und Liebe nicht verbieten können.
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#3 t5fhnbgAnonym
  • 23.11.2022, 05:44h
  • Infantino ist italienisch und bedeutet Kleinkind.
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