Mit der Schilderung eines sexuellen Übergriffs während der Dreharbeiten lenkte die ehemalige Teilnehmerin Jo vergangene Woche den Blick auf die lesbische Realityshow "Princess Charming". Die Mitbewerberin Wiki, der der Vorwurf galt, hat die Tat öffentlich eingeräumt (queer.de berichtete). Doch damit hat sich die Aufregung rund um die Sendung keineswegs gelegt.
Gegen die Produktionsfirma Seapoint werden Vorwürfe erhoben, das Thema durch ihr Schweigen zu deckeln. Am Donnerstag wurde dann bekannt, dass es einen weiteren sexuellen Übergriff am Set gegeben haben soll.
"Als Objekt benutzt"
Den Vorwurf erhob die ehemalige Teilnehmerin Sarina, wie Jo und Wiki ebenfalls Teil der ersten Staffel von "Princess Charming". Und wie schon zuvor Jo suchte Sarina für ihre Erfahrungen bei der Sendung via Instagram die Öffentlichkeit. Schriftlich beschreibt sie dort, wie eine namentlich nicht genannte Mitbewerberin sie im Schlafsaal, in dem die Teilnehmer*innen in Doppelbetten übernachten, zum Geschlechtsverkehr gezwungen haben soll.
Demnach habe die Täterin mit einer metapherhaften Formulierung zunächst bei ihr nach Sex angefragt, was Sarina mit einem "Nein" quittiert habe. Doch statt das zu akzeptieren, soll die Frau Sarina weiter bedrängt haben – sowohl verbal als auch körperlich. Die Hand, die sie der Betroffenen unter das Shirt zu schieben versucht haben soll, habe Sarina noch beiseite geschoben. Daraufhin sei das selbe mit der Hose versucht worden. Auch das will die Betroffene verbal explizit verneint und darauf hingewiesen haben, dass sie schlafen wolle.
Als die Täterin sich dann weggedreht und nach Kuscheln angefragt habe, habe Sarina sich in Sicherheit gewogen, wie sie auf Instagram weiter beschrieb. Doch stattdessen soll es dann offenbar noch viel schlimmer geworden sein: "Dann nahmst du meine Hand. Du nahmst meine Hand und du hast meine Hand als Toy benutzt. Als Objekt."
Die Täterin habe die Hand dann an ihre Vulva geführt – und sie schließlich auch eingeführt. Sarina sei "geschockt" gewesen, wie sie schreibt, und: "Ich dachte doch, es sei vorbei gewesen." Sie habe aufgegeben und gedacht, dass es besser so sei, als wenn die Täterin umgekehrt sie berühre. So sei es "gleich wenigstens vorbei" gewesen.
Die Täterin sei irgendwann, so die Schilderungen weiter, "aufgesprungen" und ins Bad gelaufen. Bei ihrer Rückkehr habe Sarina sich schlafend gestellt. Ihre Vorwürfe an die Frau formuliert die Betroffene weiter aus: "Wie viele Neins braucht es, dass du aufhörst? Du hast meine Hand benutzt. Du hast mich benutzt. Als Utensil. Für dein Vergnügen."
Will Produktionsfirma Thema deckeln?
Doch die Vorwürfe und Schilderungen rund um die erste "Princess Charming"-Staffel richten sich nicht nur gegen Teilnehmer*innen, sondern inzwischen auch vermehrt gegen das Produktionsteam. So beklagt Jo, die das Thema mit ihrem Videostatement vergangene Woche Montag erstmals richtig aufgebracht hatte, dass sich die Macher*innen von Seapoint nicht gegenüber Medien äußerten.
"Ich spreche gerade des Öfteren mit Zeitungen, damit mein und unser Anliegen noch größer wird" heißt es in einem Videostatement von Donnerstag. Dadurch habe sie jedoch erfahren, dass RTL und Seapoint "zu keinen Aussagen bereit gewesen" seien. In dem entsprechenden Fall sei ein Artikel zur Verantwortung der Produzent*innen am Set vonseiten der Journalist*innen bei "so einem sensiblen Thema" als ein "No Go" eingestuft worden. Er hätte dann nämlich nur Jos "einseitige Perspektive" enthalten, nicht aber die der Produzent*innen. Darum sei er schließlich nicht erschienen. Um welche Zeitung es sich dabei gehandelt haben soll, nannte die Teilnehmerin nicht.
Im Ergebnis bedeute dies, beklagt Jo, dass ihre Stimme "von Dritten abhängt", und zwar "genau von denen, die ich öffentlich anzuklagen ersuche". Die Produktionsfirma finde dadurch, dass sie Rufe nach Verantwortung und nach Antworten ignoriere, Wege, "meine Wahrheit leiser zu stellen".
Hintergrund ist, dass Jo bereits in der vergangenen Woche auch den Umgang von Seapoint mit dem Übergriff gegen sich kritisiert hatte. Ein Vorwurf hatte etwa auch gelautet, dass Seapoint seine Verträge mit Teilnehmer*innen mit einer Verschwiegenheitsklausel ausstatte, die es Jo erschwert habe, öffentlich über den Übergriff zu reden.
Dabei hatten sich die Produzent*innen auf ihrem Instagram-Kanal "charmings.official", dessen Impressumsangabe wiederum auf RTL verweist, durchaus geäußert. Am vergangenen Freitag teilten sie in einem kurzen Statement mit, dass ihnen Details und Ausmaß des von der Teilnehmerin beschriebenen Vorfalls "so nicht bekannt" gewesen seien. Ansonsten hätte man "vor Ort selbstverständlich sofort reagiert".
Aber wie hätte Seapoint dann mitten in den laufenden Dreharbeiten reagiert? Zumindest wegen des auch immer wieder in Kritik stehenden Umgangs der Macher*innen mit anderen Grenzverletzungen aus beiden Staffeln besteht an einem verantwortungsvollen Handling berechtigter Zweifel. Die wurden nämlich teilweise sogar ausgestrahlt und in die Dramaturgie eingebaut. Darunter befinden sich zum Beispiel auch aufgezwungene Küsse.
"Körperlichkeit" brauche "unbedingt Konsens", hieß es dann noch, kaum kontrovers, im Seapoint-Statement. Zudem habe "das Wohlergehen unserer Singles" bei der Sendung "für uns jederzeit höchste Priorität". Doch mit dem inzwischen neu aufgekommenen Vorwurf eines sexuellen Übergriffs, der wie der von der Teilnehmerin Wiki verübte durch die Schlafsituation am Set erleichtert worden sein dürfte, scheinen auch an dieser Behauptung durchaus kritische Fragen angemessen.
Von Jos Wunsch, über den Vorfall zu reden, habe man, darüber hinaus, "ebenfalls erst jetzt erfahren". Kurzfassung: Seapoint will nichts falsch gemacht und von nichts gewusst haben. Doch wenn das so ist, wieso beantworten die Produzent*innen dann keine Presseanfragen? Tatsächlich blieb auch eine queer.de-Anfrage von vergangenem Freitag bisher unbeantwortet.
Die Äußerung von Seapoint brachte nicht nur viele Nutzer*innen gegen die Verantwortlichen auf, sondern auch die Betroffene Jo. Sie sei "von eurem implizierten Vorwurf, eurer toxischen Verharmlosung und nicht zuletzt euren Lügen abgrundtief geschockt", erwiderte sie auf die Behauptungen, die die Produzent*innen in ein für sie günstiges Licht rückten.
"Dieses Statement ist eine Schande und ein Schlag ins Gesicht jeder betroffenen Person" kommentierte ein anderer Nutzer denn auch. Jedem sei zudem bekannt, dass am Set "24/7 mitgeschnitten wird". Zudem sollte auch "der eigene Anspruch anders angelegt" sein. Seapoint verstecke sich in einem Moment, in dem reflektiert und aufgearbeitet werden sollte, hinter dem Statement.
"Übernehmt Verantwortung!" ruft er den Macher*innen dann auch zu. Doch das einzige, was auf dem Kanal seitdem veröffentlicht wurde, war Promo für die laufende "Prince Charming"-Staffel.