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Mehrheitsentscheidung

Gelder eingefroren: EU-Staaten machen gegen Ungarn ernst

Die EU zeigt gegen Ungarn Zähne, lässt aber Spielraum für Kompromisse. Unterdessen läuft eine Klage gegen das "Homo-Propaganda"-Gesetz weiter.


Viktor Orbáns Politik stößt in Brüssel auf Widerstand (Bild: European People's Party / wikipedia)

  • 13. Dezember 2022, 09:15h 3 4 Min.

Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán hat im Kampf gegen den Entzug von EU-Mitteln für sein Land eine große Niederlage erlitten. Wegen der Sorge, dass Gelder in Ungarn wegen unzureichender Korruptionsbekämpfung veruntreut werden, sollen nach einer Mehrheitsentscheidung im Kreis der anderen EU-Staaten bis auf Weiteres 6,3 Milliarden Euro blockiert werden. Dies teilte die derzeitige tschechische EU-Ratspräsidentschaft nach einer Sitzung der ständigen Vertreter*innen der Mitgliedstaaten in Brüssel mit. Die nur noch formal zu beschließende Einigung hat historische Dimension, ein solches Vorgehen gegen einen EU-Staat gab es zuvor noch nie.

Die Summe von 6,3 Milliarden Euro liegt um rund 1,2 Milliarden Euro niedriger als von der EU-Kommission vorgeschlagen und von Ländern wie Deutschland gewünscht. Die Einigung gilt aber dennoch als großer Erfolg, da Ungarn nun unter Druck steht, weitere Reformen zur Verbesserung der Rechtsstaatlichkeit umzusetzen. Reduziert wurde die Summe, weil mehrere EU-Staaten anerkennen wollten, dass die rechtspopulistische Regierung von Orbán in den vergangenen Wochen bereits Anstrengungen in diese Richtung unternommen hat.


Am Montag machte sich Orbán noch über das Gebaren der EU lustig, indem er auf den Korruptionsskandal um EU-Parlamentsvizepräsidentin Eva Kaili anspielte

Zudem brachten andere EU-Staaten die queerfeindliche Regierung in Budapest dazu, den wochenlangen Widerstand gegen neue Ukraine-Hilfen und eine wichtige Richtlinie zur Umsetzung der internationalen Mindeststeuer für große Unternehmen aufzugeben. Hintergrund war laut Diplomat*innen die Drohung von Ländern wie Deutschland, eine Genehmigung des ungarischen Plans zur Verwendung von EU-Corona-Hilfen zu blockieren. Dies hätte zur Folge gehabt, dass am Jahresende 70 Prozent der zur Verfügung stehenden EU-Mittel von 5,8 Milliarden Euro unwiderruflich verfallen.

Der ungarische Corona-Hilfen-Plan wurde nach der ungarischen Zustimmung zur Mindeststeuerrichtlinie und den Ukraine-Hilfen vom Ausschuss der ständigen Vertreter*innen gebilligt. Dies bedeutet allerdings lediglich, dass keine Mittel verfallen. Auszahlungen sollen erst dann erfolgen können, wenn insgesamt 27 Voraussetzungen erfüllt sind. Diese betreffen zum Beispiel die Wirksamkeit der neu eingerichteten "Integritätsbehörde" zur Überprüfung von mutmaßlichen Korruptionsfällen und das Verfahren für die gerichtliche Überprüfung staatsanwaltlicher Entscheidungen. Damit soll sichergestellt werden, dass rechtsstaatliche Standards eingehalten und EU-Gelder in dem Land nicht veruntreut werden.

Finanziell angespannte Lage

Dass Orbáns Regierung unter Druck gesetzt werden konnte, dürfte nach Angaben von EU-Diplomat*innen auch an der finanziell angespannten Lage in dem knapp zehn Millionen Einwohner*innen zählenden Land liegen. So steht die ungarische Wirtschaft am Rande einer Rezession und die Kritik an Orbáns Wirtschaftspolitik nimmt zu. Jüngst musste die Regierung sogar eine seit mehr als einem Jahr geltende Benzinpreisdeckelung mit sofortiger Wirkung aufheben, weil sie deren Funktionieren nicht mehr sicherstellen konnte.

Gefeiert wurde die Einigung in der Nacht zum Dienstag insbesondere auch wegen der Beschlüsse zur Mindeststeuer und zu den Ukraine-Hilfen. Ziel der Mindeststeuer ist es, die Verlagerung von Unternehmensgewinnen in Steueroasen zu verhindern. Bei den Ukraine-Hilfen geht es darum, dem von Russland angegriffenen Land im kommenden Jahr über die EU Kredite in Höhe von insgesamt bis zu 18 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen. Das Geld soll es unter anderem ermöglichen, laufende Ausgaben für Rentenzahlungen, Krankenhäuser und Schulen zu decken. Wegen eines Vetos von Ungarn sah es bis Montag so aus, als könnten die notwendigen Garantien für die Kredite nicht wie vorgesehen über den EU-Haushalt bereitgestellt werden. Als Notfalllösung war am Wochenende bereits ein Plan B erarbeitet worden, der nationale Garantien erfordert hätte.

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Qualifizierte Mehrheit notwendig

Notwendig zur endgültigen Annahme der Entscheidungen sind nun noch formale Beschlüsse des EU-Ministerrats. Sie sollen in einem schriftlichen Verfahren bis zum EU-Gipfel am Donnerstag gefasst werden. Damit soll gewährleistet werden, dass sich sie Staats- und Regierungschef*innen um andere Themen wie die Energiekrise kümmern können. Für die Entscheidungen zur Mindeststeuerrichtlinie und den Ukraine-Hilfen braucht es Einstimmigkeit. Der bislang beispiellosen Maßnahme gegen Ungarn müssen mindestens 15 der 27 EU-Staaten zustimmen, die zusammen mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU ausmachen.

Die Bundesregierung hatte bereits in den vergangenen Tagen ihre Zustimmung zum harten Vorgehen gegen Ungarn signalisiert und sich für das Einfrieren von rund 7,5 Milliarden Euro ausgesprochen. "Hier geht es um unsere Werte, um unsere Rechtsstaatlichkeit als Europäische Union im Ganzen", sagte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) am Montag am Rande eines Treffens mit Kolleginnen und Kollegen der anderen EU-Mitgliedstaaten in Brüssel.

Klage gegen "Homo-Propaganda"-Gesetz

Unabhängig von dieser Einigung geht die EU-Kommission juristisch gegen queerfeindliche Politik Orbáns vor: Die Behörde von Ursula von der Leyen hatte im Sommer Klage gegen Ungarns Gesetz gegen "Homo-Propaganda" eingereicht (queer.de berichtete). Dieses verstoße gegen das von der EU garantierte Recht auf Nichtdiskriminierung. (dpa/cw)

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#1 PeerAnonym
  • 13.12.2022, 10:53h
  • Richtig so und lange überfällig...

    Die EU verliert komplett ihre Glaubwürdigkeit und würde es langfristig auch nicht überleben, wenn sie nicht endlich mal ihr eigenes Recht und ihre eigenen Regeln durchsetzt und dafür sorgt, dass alle EU-Staaten sich auch an EU-Recht halten.

    Denn einige Staaten (neben Ungarn zum Beispiel auch Polen) nehmen zwar gerne die EU-Milliarden an, scheren sich aber sonst einen Dreck um die EU, halten sich nicht an Regeln und lachen sogar noch über den Goldesel EU.

    Das muss sich endlich und nachhaltig ändern, sonst wird man irgendwann die Bürger verlieren und die EU wäre am Ende.
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#2 Pride
  • 13.12.2022, 19:15h...
  • Die EU-Kommission geht wohl erst den juristischen Weg bzgl. des queerfeindlichen Gesetzes und behält dann erst Fördergelder als dann festgesetzte Strafgelder ein, um gar nicht erst juristische Zweifel aufkommen zu lassen.
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#3 DannyMarc
  • 13.12.2022, 19:52h
  • Sehr gut! Bedauerlich, dass man Ungarn nicht hochkant aus der EU werfen kann, so wie sie die Ukraine und somit die Demokratie und Europa verrät.
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