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Queerpolitik
Das Selbstbestimmungsgesetz verzögert sich erneut
Bereits zum zweiten Mal kann der Queerbeauftragte der Bundesregierung ein Versprechen nicht halten: Der von Sven Lehmann bis Jahresende angekündigte Referentenentwurf "dauert wegen Klärung einiger Fachfragen etwas länger als geplant".

Viel angekündigt, aber bislang wenig umgesetzt: Sven Lehmann (Grüne) ist seit dem 5. Januar 2022 Beauftragter der Bundesregierung für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt (Bild: IMAGO / photothek)
- 28. Dezember 2022, 13:40h 3 Min.
Ursprünglich sollte das diskriminierende Transsexuellengesetz bis Jahresende 2022 abgeschafft und durch ein Selbstbestimmungsgesetz ersetzt sein. So hatte es der Queerbeauftragte der Bundesregierung Sven Lehmann (Grüne) noch vollmundig im März angekündigt (queer.de berichtete). Drei Monate später legten Justizminister Marco Buschmann (FDP) und Familienministerin Lisa Paus (Grüne) ein erstes Eckpunktepapier vor (queer.de berichtete).
Doch die Ampel-Koalition kann sich offenbar auf kein gemeinsames Vorgehen verständigen. Im September räumte Lehmann erstmals ein, dass der ursprüngliche Zeitplan nicht zu halten sei. "Für den Referentenentwurf, der derzeit erarbeitet wird, kann voraussichtlich eine Ressortabstimmung und Verbändebeteiligung bis Ende des Jahres eingeleitet werden", erklärte der Parlamentarische Staatssekretär damals in einer Antwort auf eine Schriftliche Frage der Linken-Abgeordneten Kathrin Vogler (queer.de berichtete).
Lehmann: "Die Ungeduld kann ich sehr gut verstehen"
Nun ist das Jahr fast rum, und noch immer gibt es keinen offiziellen Entwurf für das Selbstbestimmungsgesetz. Über die erneute Verzögerung informierte Lehmann diesmal selbst auf seinen Social-Media-Kanälen. "Derzeit erhalte ich viele berechtigte Nachfragen zum aktuellen Stand beim geplanten #Selbstbestimmungsgesetz der Ampelkoalition", schrieb der Grünen-Politiker am Dienstag u.a. auf Instagram. "Die Ungeduld kann ich sehr gut verstehen. Die Arbeit an dem Gesetzentwurf dauert wegen Klärung einiger Fachfragen etwas länger als geplant."
Das sei "bedauerlich", so Lehmann weiter, denn es gebe "zu Recht eine große Erwartung an Bundesregierung und Bundestag, das diskriminierende Transsexuellengesetz schnell zu überwinden und würdevolle Verfahren für trans*, inter* und nicht-binäre Menschen beim Geschlechtseintrag zu ermöglichen". Die federführenden Bundesministerien für Familie und Justiz seien sich "dieser Verantwortung bewusst" und arbeiteten "mit Hochdruck an den letzten Details".
Linke: Ampel wird zur "lahmen Ente in der Queerpolitik"
Die Linke.queer kritisierte das "Lavieren" der Bundesregierung, die so zu einer "lahmen Ente in der Queerpolitik" werde. Wichtig wäre jetzt, "in die Offensive zu gehen und die Öffentlichkeit im Rahmen einer breitangelegten Kampagne und Veranstaltungen über das neue Gesetz zu informieren", erklärten die beiden Bundessprecher*innen Daniel Bache und Luca Renner am Mittwoch in einer Pressemitteilung. "Sollten es tatsächlich fachliche Gründe sein, die die Erarbeitung des Gesetzes verzögern, müssen diese transparent dargestellt werden." Die erneute Verzögerung lege allerdings die "Vermutung nahe, dass vor allem die FDP angesichts schwacher Umfragewerte und anstehender Wahlen Angst vor einem 'Kulturkampf' von rechts hat".
Die Linke.queer forderte die Ampel-Koalition zudem auf, die Gesetzesinitiative weiter zu flankieren. "Bisher ist nicht ersichtlich, dass das Bundesgesundheitsministerium unter Karl Lauterbach mit Blick auf das Selbstbestimmungsgesetz aktiv geworden wäre, etwa um trans Menschen langwierige Auseinandersetzungen mit den Krankenkassen zu ersparen", kritisierten Bache und Renner. "Außerdem fehlt es bundesweit an Beratungsstrukturen für die Vielzahl an Menschen, die derzeit auf das Gesetz warten und ihre Transition aufschieben. Die Bundesregierung muss signalisieren, dass sie bereit ist, Geld in die Hand zu nehmen." (mize)














