Weiß etwas, was wir nicht wissen: CSU-Generalsekretär Martin Huber (Bild: Stephanie von Luttitz, Büro Martin Huber)
Der Rauch der Silvesternacht hatte sich noch nicht ganz verzogen über der Bundeshauptstadt, da leistete die CSU aus dem fernen Bayern bereits Schützenhilfe für ihre Berliner Schwesterpartei. Die befindet sich gerade im Wahlkampf für die nachzuholende Wahl zum Abgeordnetenhaus.
"Typisch Berlin" sei das, was da geschehen war, so der bayrische Landesfürst Markus Söder (CSU). Dinge wie die Silvestervorfälle, die dem Land gleich zu Beginn des Jahres die erste ätzende "Debatte" über allzu freche Minderheiten bescherten, passierten in der Hauptstadt doch "ständig". In Bayern aber, da wäre so etwas nie passiert. Nie und nimmer.
Und weil Bayern so vorbildlich ist, Berlin aber so eine Art Polen der Bundesrepublik, müssten nun dringend Gelder gestrichen werden. So verlangt etwa Alexander Dobrindt, Chef der Bundestags-CSU, die Einbehaltung eines Teils des ganzen Zasters aus dem Länderfinanzausgleich. Denn: Bei denen funktioniert doch der Rechtsstaat nicht nur nicht, die wollen auch gar nicht!
Zu wenig Polizei, zu viele "Gender-Toiletten"
Gemeint war mit "Rechtsstaat" freilich nicht das Recht von Bürger*innen, den Staat auf die Einhaltung seiner eigenen Gesetze zu verpflichten. Klar, in der Disziplin würde auch die bayrische Bilanz, wo man etwa Klima-Aktivist*innen einfach mal vor und nicht nach begangenen Straftaten ins Gefängnis wirft, nicht unbedingt gut dastehen. Den Vergleich mit dem Problembären der Europäischen Union brachten der Hauptstadt vielmehr angeblich zu wenig Polizei und zu wenig Durchgreifen auf der Straße ein. Genau wie in Polen also!
Doch dann legte CSU-Generalsekretär Martin Huber in der Causa noch mal mit viel Fantasie nach. Wenn man sehe, dass "bayrisches Geld" in Berlin "zum Fenster rausgeschmissen" werde, und zwar "für irgend so einen Krampf wie Gender-Toiletten", na dann sehe man das kritisch.
Am Wochenende untermauerte er die Verknüpfung des Geldflusses mit den Toiletten noch mal bei Twitter. Zwar bekomme Berlin jährlich "Milliarden" aus dem Programm, das den Ländern die Erfüllung ihrer staatlichen Aufgaben und die Gewährleistung ähnlicher Lebensverhältnisse ermöglichen soll. Doch lieber gebe man das Geld dort, wo gegenwärtig ein rot-rot-grüner Senat regiert, für zwei Dinge aus: Für Wahlkampfgeschenke und für "Gender-Toiletten".
Was ist eigentlich eine "Gender-Toilette"?
Zwar erklärt Huber nicht, was er unter "Gender-Toiletten" versteht. Vermutlich dürften aber weder für Männer kostenfreie, für Frauen aber kostenpflichtige öffentliche Toilettenanlagen wie in Köln gemeint sein, noch jeweils nach Frauen und Männern gegenderte Toiletten, wie es sie wohl auch in Bayern zuhauf zu finden gibt.
Huber hat wohl etwas ganz anderes im Sinn: Toiletten vielleicht, die sich an gar kein Geschlecht – "Gender" – richten, wie sie etwa in Zügen standardmäßig anstelle gegenderter Toiletten verbaut sind. Oder aber Toiletten, die sich explizit an Menschen richten, deren Geschlecht weder "Frau" noch "Mann" ist. Aber sind solche dritten Klos dann nicht irgendwie auch nur "Gender-Toiletten" wie jedes bayrische Frauen- oder Herrenklo? Und in Berlin sollen jetzt für einen Gegenwert von Milliarden von Euro solche Dinger stehen?
Überhaupt: Wäre es nicht eigentlich staatliche Aufgabe in einem Land, das die drei positiven Geschlechtseinträge "männlich", "weiblich" und "divers" sowie einen vierten, leeren Eintrag kennt, dann auch mindestens drei verschiedene Toilettenanlagen vorzuhalten und nicht zwei? Was ist eigentlich mit der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse für diverse Personen in Bayern, wenn in Berlin – angeblich – jetzt sogar überall Toiletten für sie gebaut werden?
Klar, dass man sich das in Bayern alles nicht bieten lassen will. Und so kündigte Huber in der Angelegenheit nichts Minderes als die Einreichung einer Klage an.
Auf welcher Rechtsgrundlage die fußen und wogegen sie sich genau richten soll, ist bisher nicht bekannt geworden. Sollte die Klageschrift jedoch nähere Informationen darüber enthalten, was es mit den Berliner "Gender-Toiletten" auf sich hat, werden wir auf queer.de selbstverständlich sofort darüber berichten.
Davon wollen sie offenbar ablenken, indem sie immer lauter gegen andere Parteien keifen.
Aber langsam fängt es an, wirklich unappetitlich zu werden. Wenn die Union mit solchen Aussagen letztlich weitere Hetze von Rechten, Religiösen, TERFs, etc. provoziert, sollte das eigentlich kein Mittel der politischen Auseinandersetzung sein. Aber der Union ist wohl momentan jedes Mittel recht, ihre Macht auszubauen und mehr Pöstchen abzustauben - unabhängig davon, was sie damit anrichtet.