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"Gender Recognition Act"
London stoppt schottisches Selbstbestimmungsgesetz
Erstmals seit Schaffung des schottischen Parlaments macht die britische Regierung von einem Veto-Recht Gebrauch.

Unterstützer*innen des Selbstbestimmungsgesetzes im Dezember vor dem schottischen Parlament (Bild: Adam Knight / twitter)
- 16. Januar 2023, 18:20h 3 Min.
Wenige Wochen nach Verabschiedung im schottischen Parlament hat die britische Regierung eine regionale Reform des "Gender Recognition Act" gestoppt. Das Gesetz hätte die Änderung des rechtlichen Geschlechts vereinfachen und selbstbestimmter gestalten sollen.
Der Tory-Politiker Alister Jack, Minister für Schottland der britischen Regierung, informierte die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon Medienberichten zufolge am Montag über die Entscheidung. Es ist das erste Mal, dass sich London über eine Entscheidung aus dem 1999 eingerichteten Parlament in Edinburgh hinwegsetzt.
"Trans Menschen, die den Prozess durchlaufen, ihr rechtliches Geschlecht zu ändern, verdienen unseren Respekt, unsere Unterstützung und unser Verständnis", so Jack in einer Stellungnahme. Er habe sich die Entscheidung nicht leicht gemacht. Er begründete sie unter anderem mit Auswirkungen auf das landesweite Gleichbehandlungsgesetz. Die regional begrenzte Reform würde auch in anderen Rechtsbereichen für Chaos sorgen, hatten Regierungsvertreter*innen aus London am Wochenende in Interviews betont.
Sturgeon hatte London noch am Montag vor dem Schritt gewarnt: "Meiner Meinung nach gibt es keine Grundlage, dieses Gesetz anzufechten", sagte die Chefin der Schottischen Nationalpartei SNP (queer.de berichtete). Der Schritt dürfte die Spannungen zwischen London und Edinburgh noch verstärken. Sturgeon setzt sich für die Unabhängigkeit ihrer Region ein und würde gerne wieder der Europäischen Union beitreten. Außerdem gilt sie als scharfe Kritikerin der in London regierenden konservativen Tory-Partei.
Das schottische Regionalparlament hatte im Dezember nach langer und teils heftiger Debatte mit großer Mehrheit für das Selbstbestimmungsgesetz gestimmt (queer.de berichtete). Mit der Neuregelung sollte die Pflicht für ein medizinisches Gutachten als Voraussetzung für eine Änderung des Geschlechtseintrags entfallen. Das Mindestalter für einen solchen Antrag wäre von 18 auf 16 gesenkt worden. Die Dauer, in der eine Person in dem Geschlecht gelebt haben muss, sollte von zwei Jahren auf drei Monate verkürzt werden. Gezielt falsche Anträge und Einträge wären eine Straftat.
Bislang werden in Schottland rund 30 "Gender Recognition Certificates" pro Jahr ausgestellt, für die Zukunft rechnete die Regierung mit 250 bis 300. Gegner*innen des Gesetzes hatten in den letzten Monaten transfeindliche Stimmung bei Protesten oder in sozialen Netzwerken geschürt, darunter die "Harry Potter"-Autorin Joanne K. Rowling (queer.de berichtete). Sie stellte etwa Regierungschefin Sturgeon als "Zerstörerin von Frauenrechten" dar. Mehr als 60 queere Organisationen hatten hingegen Abgeordnete angeschrieben, um das Vorhaben zu unterstützen.
Auch vor dem schottischen Parlament war es zu Demonstrationen beider Lager gekommen. Nach der Verabschiedung hatte der britische Schottland-Minister Alister Jack bereits eine mögliche Blockade angekündigt mit den Worten: "Wir teilen die Besorgnis vieler Menschen hinsichtlich bestimmter Aspekte dieses Gesetzentwurfs und im Besonderen den Sicherheitsbedenken für Frauen und Mädchen". Die Debatte um das Gesetz dürfte – mit all ihren transfeindlichen Untertönen und Wirkungen – nun noch länger anhalten.
Eine geplante Reform des "Gender Recognition Acts" für Großbritannien war vor wenigen Jahren von der britischen Gleichstellungsministerin und späteren Premierministerin Liz Truss gestoppt worden. Im Nachbarland Irland ist seit 2015 ein Selbstbestimmungsgesetz ab 18 Jahren in Kraft. (cw/dk/dpa)














