Das Diskriminierungsverbot aufgrund der sexuellen Orientierung sowie der Behinderung hat künftig in den Niederlanden Verfassungsrang: Beide Kammern des niederländischen Parlaments in Den Haag haben einer entsprechenden Initiative der der Linksliberalen (D66), der Grünen (GroenLinks) und der sozialdemokratischen Partei (PvdA) mit jeweils einer Zweidrittelmehrheit zugestimmt.
Am Dienstag schloss sich der Senat, die Parlamentskammer der Provinzen, einer bereits vor Monaten gefallenen Entscheidung des Unterhauses mit 56 zu 15 Stimmen an, auch mit der Unterstützung von christdemokratischen Parteien. Gegenstimmen kamen aus einigen Oppositionsparteien, etwa der rechtspopulistischen PVV von Geert Wilders und der calvinistischen SGP. Nun muss nur noch König Willem-Alexander das Gesetz unterzeichnen, was als Formsache gilt.
In der niederländischen Verfassung ist Antidiskriminierung in Artikel 1 festgehalten. Dort hieß es bislang: "Alle, die sich in den Niederlanden aufhalten, werden in gleichen Fällen gleich behandelt. Niemand darf wegen seiner religiösen, weltanschaulichen oder politischen Anschauungen, seiner Rasse, seines Geschlechtes oder aus anderen Gründen diskriminiert werden." Mit der Entscheidung des Parlaments werden nun die Worte "handicap" (Behinderung) und "seksuele gerichtheid" (sexuelle Orientierung) eingefügt.
"Eine Garantie für die Zukunft"
Philip Tijsma, der Sprecher der queeren Organisation COC, bezeichnete die Entscheidung gegenüber "RTL Nieuws" als "historisch". "Das ist eine Garantie für die Zukunft. Die Rechte von queeren Menschen – etwa das Recht auf Eheschließung und auf Adoption – können nicht länger rückgängig gemacht werden. In anderen Ländern sieht man ja, wie sich der Wind drehen kann", so der Aktivist.
Ähnliche Debatte in Deutschland
Die Berliner Ampel-Regierung hat 2021 in ihrem Koalitionsvertrag festgelegt, dass sie auch in Deutschland ein entsprechendes Diskriminierungsverbot aufgrund des Merkmals "sexuelle Identität" etablieren wolle (queer.de berichtete). Im Grundgesetz ist der Gleichbehandlungsgrundsatz in Artikel 3 verankert. Hier heißt es bislang, dass niemand wegen "seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden" dürfe. 1994 wurde auch noch eingefügt: "Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden."
Für eine Verfassungsänderung ist auch die Unterstützung von zumindest Teilen der Union notwendig, da sie – ähnlich wie in den Niederlanden – in Bundestag und Bundesrat jeweils mit Zweidrittelmehrheit beschlossen werden muss. Hier gibt es Anzeichen für Bewegung: So sprach sich Hendrik Wüst, der CDU-Ministerpräsident des bevölkerungsreichsten Bundeslandes Nordrhein-Westfalen, letztes Jahr im Wahlkampf für eine entsprechende Änderung aus (queer.de berichtete). Er gewann später die Wahlen und regiert nun in Düsseldorf in einer Koalition mit den Grünen.
Allerdings gibt es nach wie vor Widerstand. Die "Welt" veröffentlichte etwa am Dienstag einen Meinungsbeitrag (Bezahlartikel), in dem argumentiert wird, dass dieser Schritt "gefährlich" wäre. Der Autor deutet darin an, dass damit möglicherweise auch Pädophile geschützt werden könnten. In queerfeindlichen Blogs wird zudem behauptet, dass etwa auch Sex mit Tieren dadurch legal werden könnte. LGBTI-Aktivist*innen halten diese Behauptungen für absurd – der Schutz des "Glaubens" bedeute ja auch nicht, dass islamistischer Terrorismus schützenswert sei. Der Begriff "sexuelle Identität" ist schon länger in deutschen Gesetzen auf allen Ebenen und in der deutschen Rechtsprechung eingeführt – so wird er etwa seit 2006 im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verwendet.