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Debatte am Donnerstag
Die Linke erinnert an die "'vergessenen' queeren Opfer" der Nazi-Diktatur
Der Bundestag soll sich bei allen queeren Opfern des Nationalsozialismus entschuldigen, fordert die Linksfraktion. Über den Antrag debattiert das Parlament am Donnerstag.
- 24. Januar 2023, 16:01h 3 Min.
Am Freitag wird der Bundestag in einer Feierstunde erstmals speziell den homosexuellen Opfern des Nazi-Regimes gedenken (queer.de berichtete). Am Tag zuvor wird das deutsche Parlament bereits über einen Antrag der Linksfraktion mit dem Titel "Die 'vergessenen' queeren Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung" debattieren.
Die Linksfraktion hat den entsprechenden Antrag, der queer.de vorliegt, am Dienstag beschlossen. Laut der Tagesordnung des Bundestages sind am Donnerstagabend ab 18.10 Uhr 45 Minuten für eine erstmalige Beratung des Entwurfs im Plenum reserviert – zwischen Debatten über die nationale Wasserstrategie und die Waldbewirtschaftung. Das Papier wird danach voraussichtlich in den Rechtsausschuss verwiesen, wo darüber weiter beraten wird. Mit dem Antrag möchte die Linksfraktion einen demokratischen Konsens über das Unrecht, das queeren Menschen angetan wurde, erzielen. Auf diesem könnten weitere Schritte aufgebaut werden.
Die Linke: Bis heute Unrecht durch Gesetzgebung nicht anerkannt
Konkret beklagt der Antrag, dass es bis heute "an einer Anerkennung des Unrechts durch den Gesetzgeber, das allen queeren NS-Opfern nach 1945 in beiden deutschen Staaten widerfahren ist", fehle. "Die queeren Opfer anzuerkennen und sich bei den Betroffenen zu entschuldigen, ist über 75 Jahre nach dem Ende des nationalsozialistischen Schreckens ein symbolischer Akt. Nahezu alle Opfer sind verstorben." Dennoch wäre dies "für die Hinterbliebenen und Angehörigen [...] ein Zeichen der Einsicht des Gesetzgebers, dass hier Unrecht geschah."
Das Papier weist darauf hin, dass verschiedene Opfergruppen nicht als "Homosexuelle" verfolgt wurden – die Nazis nutzten etwa meist die Kategorie "asozial" für die Verfolgung lesbischer Frauen. Zudem wird beklagt, dass auch nach dem Ende der Nazi-Diktatur die Opfer in der Bundesrepublik und der DDR unterbliebene Entschädigungszahlungen für Haft- und Konzentrationslageraufenthalt, Sterilisation und Kastration bzw. 'freiwillige Entmannung' sowie verweigerte Rentenansprüche erleiden mussten.
Der Bundestag hatte bereits im Jahr 2000 einstimmig sein Bedauern dafür ausgesprochen, dass Paragraf 175 in seiner Naziversion bis 1969 in der Bundesrepublik weiter galt. Das diskriminierende Gesetz wurde erst 1994 abgeschafft. 2017 stimmte der Bundestag einstimmig dafür, die meisten Opfer des Paragrafen 175 bzw. des DDR-Pendants Paragraf 151 zu entschädigen (queer.de berichtete). Betroffene können bis bis 2027 entsprechende Anträge einreichen (queer.de berichtete).
Bei der traditionellen Gedenkstunde des Bundestags für die Opfer des Holocaust stehen am Freitagvormittag erstmals Homosexuelle im Mittelpunkt. Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) wird die Gedenkstunde am Freitag um 10 Uhr mit einer Ansprache eröffnen. Bei der Veranstaltung wird auch die Holocaust-Überlebende Rozette Kats sprechen. Danach stellen die Schauspieler*innen Jannik Schümann und Maren Kroymann zwei wegen ihrer Homosexualität von den Nazis verfolgte Menschen vor. Anschließend wird Klaus Schirdewahn als Vertreter der queeren Community das Wort ergreifen. Die Sängerin Georgette Dee und der Pianist Tobias Bartholmeß werden die Gedenkstunde musikalisch begleiten. Das ZDF und Phoenix werden die Veranstaltung ab 10 Uhr live übertragen. (dk)
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