Auf der ganzen Welt argumentieren Transfeind*innen mit dem Kinderschutz, wenn es ihnen darum geht, trans Personen ihre Rechte vorzuenthalten. Die US-Republikaner*innen gehen in dieser Disziplin inzwischen traditionell voran.
Drag-Shows sollen nicht vor Kindern und Jugendlichen stattfinden, trans Mädchen zum Kinderschutz am besten in den Jungssport und auf die Jungstoilette sowieso, und zuletzt hatten republikanisch regierte Bundesstaaten auch immer wieder medizinische Transitionen von Kindern und Jugendlichen verboten. Wer erwachsen ist, den kann man ja schwerlich abhalten – so wohl die zugrunde liegende Devise. Könnte man meinen.
Doch weit gefehlt. Denn dass das Argument des Kinderschutzes beim Trans-Thema nur vorgeschoben sein dürfte, lassen jetzt Gesetzesvorhaben in Oklahoma, South Carolina, Kansas, Virginia und Mississippi erahnen.
Kinderschutz bis 25?
In Oklahoma und South Carolina haben Abgeordnete Gesetze ins Regionalparlament eingebracht, die die Gewährung von Hormontherapien und operativen Eingriffen gegenüber trans Personen zum Verbrechen erklären, wenn diese jünger sind als 26 Jahre. Die Gesetze, die in den Staaten Kansas, Virginia und Mississippi vorlegen, sind nicht ganz so drastisch, gehen aber in die selbe Richtung.
Hier soll sich strafbar machen, wer die von allen maßgeblichen medizinischen Vereinigungen ausdrücklich befürworteten Behandlungen Bürger*innen verfügbar macht, die jünger sind als 22. In einem Dutzend weiterer Staaten liegen zudem Gesetzesvorhaben in den Kammern der Regionalparlamente vor, die geschlechtsaffirmierende Behandlungen von Jugendlichen verbieten sollen.
Damit kein Missverständnis aufkommt: Geschlechtszuweisende Operationen an Intergeschlechtlichen beziehungsweise solche, die ihren erwachsenen Körper an ihr "eigentliches" biologisches Geschlecht anpassen sollen, will man weiterhin erlaubt wissen. Und so werden diese Ausnahmen etwa in dem am 18. Januar im Repräsentant*innenhaus von South Carolina eingebrachten Gesetz auch extra aufgeführt.
Voraussetzung: Ein*e Ärzt*in hat bei einer Person mit einer "Störung der Geschlechtsentwicklung" durch genetische oder biochemische Tests herausgefunden, dass die Person keine "normale Struktur der Geschlechtschromosomen" oder der Produktion oder Funktionsweise ihrer Sexualhormone hat.
Die beiden Gesetze in South Carolina und Oklahoma sollen bitte, heißt es im Text, als "Millstone Act" bezeichnet werden, sollten sie verabschiedet werden. Der Name bezieht sich auf eine Bibelstelle im Evangelium nach Matthäus. Dort wird denjenigen, die Kinder zur Sünde verführen, gedroht. Ihnen solle ein Mühlstein um den Hals gehängt werden, um sie dann im Meer zu versenken, also zu ermorden.
Doch die Ausweitung der Verbote auf junge Erwachsene ist nichts, was sich christliche Republikaner*innen zum Jahreswechsel ausgedacht hätten. Auch "Gender Critical"-Bewegte haben bereits ein Auge auf die Möglichkeit geworfen, dass man Menschen erst ab dem Alter von 26 Jahren medizinische Transitionen zugestehen könnte.
So forderte die in verschiedenen Staaten der englischsprachigen Welt und darüber hinaus aktive Organisation "Genspect" im vergangenen August entsprechende Verbote. Ihr Argument: Bis zum Alter von 26 Jahren seien Menschen noch adoleszent, also Jugendliche, deren Gehirn noch nicht vollständig gereift sei. Statt Hormonen und OPs solle es besser "Therapien" geben.
Klar, was damit gemeint ist: sogenannte Konversionstherapien, also der Versuch, transgeschlechtliche Menschen zu einem cisgeschlechtlichen Leben zu manipulieren. Das ist in Deutschland etwa illegal – tatsächlich aber nach dem Willen der Großen Koalition, die das entsprechende Gesetz 2020 durchs Parlament brachte, nur bei Kindern und Jugendlichen (queer.de berichtete).
Informationssammlungen über trans Personen
Auch das verfolgerische Gebahren des Gouverneurs von Florida, Ron DeSantis, ist in der Zwischenzeit um ein Kapitel reicher geworden. Die Universitäten des Bundesstaates sollten dem Gouverneur, der Ambitionen auf die Präsidentschaftskandidatur hat, doch bitte Daten dazu aushändigen, wie viele ihrer Studierenden in welchem Alter geschlechtsangleichende Maßnahmen hatten vornehmen lassen. Eine weitere Vorbereitung von Versuchen, die Anti-Trans-Kampagnen auf das junge Erwachsenenalter auszuweiten?
Zuletzt war bekannt geworden, dass der republikanische Generalstaatsanwalt und Justizminister von Texas, Ken Paxton, versucht hatte, Führer*innenscheinbehörden des Landes zur Anfertigung und Übermittlung einer Liste transgeschlechtlicher Personen zu bringen, die ihren hinterlegten Namen hatten ändern lassen (queer.de berichtete). Das gelang aber deshalb nicht, weil die benötigten Informationen in den Behörden gar nicht einheitlich im IT-System vorgehalten worden waren.
Dass die angestrebten Ausweitungen der Verbote aufs Erwachsenenalter in Oklahoma und South Carolina mit dem biblischen Mühlstein und grausamen Ermordungen von Ärzt*innen in Verbindung gebracht werden, stellt übrigens keinen einmaligen Ausrutscher dar. Im Juli vergangenen Jahres etwa hatte eine republikanische Wahlkämpferin für ein Schulgremium in DeSantis Sonnenstaat Florida bei ihrer Bewerbungsrede öffentlich gefordert, Ärzt*innen, die Kindern und Jugendlichen transitionsbezogene Leistungen zukommen lassen, einfach am nächsten Baum aufzuhängen (queer.de berichtete).