Kommentare
Noch keine Kommentare.
Wir sprachen mit Regisseur Silas Howard über seine Arbeit für "Transparent" und "Pose" sowie seinen neuen Film "Darby and the Dead", der jetzt bei Disney+ zu sehen ist.
Über 20 Jahre ist es her, dass Silas Howard mit der autobiografisch inspirierten Low-Budget-Produktion "By Hook Or By Crook" seine Regiekarriere begann. Jahre später war der Amerikaner in der zweiten Staffel von "Transparent" der erste trans Regisseur, der eine Episode für die Serie inszenierte. Es folgten weitere, auch für Serien wie "The Fosters", "This Is Us", "Pose", "Tales of the City", "Dickinson", "Everything's Gonna Be Okay" oder zuletzt "A League of Their Own".
Nachdem Howards Film "A Kid Like Jake" mit Jim Parsons und Claire Danes 2018 eher unterging, ist nun bei Disney+ sein neuer zu sehen: die übernatürliche Highschool-Komödie "Darby and the Dead". Wir sprachen ihn dazu im Interview.
Mr. Howard, "Darby and the Dead" hat auf den ersten Blick nicht viel mit Ihren bisherigen Arbeiten gemeinsam. Was reizte Sie daran?
Tatsächlich ist der Film für mich auch Neuland, denn dies ist das erste Mal, dass ich einen Film im Auftrag eines großen Studios gedreht habe. Aber gleichzeitig geht es in dieser Geschichte um eine transformative Freundschaft, also eine Freundschaft, die beide Beteiligte grundlegend verändert. Das war mein allererster Film "By Hook Or By Crook" auch schon, nur dass es da nicht um Teenager ging. In beiden Fällen ist die Erkenntnis die gleiche: Es gibt im Leben wenig Heldenhafteres als die Güte und Empathie, die wir unseren Liebsten schenken. Außerdem gefiel mir bei "Darby and the Dead" die Metapher, die den Kern der Geschichte ausmacht.
Was genau meinen Sie?
In unserem Film erlangt die junge Protagonistin durch ein traumatisches Ereignis in ihrem Leben übernatürliche Kräfte. Das gefiel mir, denn in der Regel erzählen wir ja von Trauma als etwas, das uns isoliert und einsam macht. Dabei weiß ich aus eigener Erfahrung, dass man aus so mancher sehr schlimmer Situation am Ende auch gestärkt hinausgehen kann. Wenn man an einem traumatischen Erlebnis nicht zerbrochen ist, sondern es überwunden hat, kann das eine enorme Stärke nach sich ziehen.
Und das Genre der Highschool-Komödie erschien Ihnen nicht zu abgenudelt?
Dass dieses Setting so altbekannt ist, hat mich eher gereizt. Als trans Person hat man ja meist eine Außenseiter-Perspektive und erkennt eher die Risse in einer Fassade, um es mal so auszudrücken. Da wollte ich ansetzen – und innerhalb eines bewährten Rahmens Kleinigkeiten auf den Kopf stellen. Die typische Frage, welchen der beiden Jungs die Heldin am Ende abbekommt, steht zum Beispiel in "Darby and the Dead" gerade nicht im Vordergrund. Und mit Derek Luke als ihrem Vater sehen wir einen allererziehenden Schwarzen Vater, der enorm präsent und fürsorglich ist, was in vielen Filmen sonst auch eher eine Seltenheit ist. Darüber hinaus ist eine der Schülerinnen trans und queer, gespielt von der trans Schauspielerin Nicole Maines. Thematisiert wird das allerdings nur in einem Nebensatz, und wer den überhört, realisiert das vielleicht gar nicht. Was für mich natürlich gerade der springende Punkt war.
Worauf haben Sie besonders geachtet bei der Besetzung all der jugendlichen Rollen?
Für mich als Regisseur sind Authentizität und Wahrhaftigkeit wichtig, nicht nur in einem Fall wie der besagten trans Rolle. Ich hatte bei einer Serien-Episode, die ich inszenierte, auch schon mit einer autistischen Figur zu tun, die dann von jemandem gespielt wurde, der selbst aus dem Spektrum ist. Und im Falle dieses Films war es für mich zum Beispiel essentiell, Schauspieler*innen zu finden, die altersmäßig möglichst nah an dem ihren Figuren sind. Nichts ist schließlich schräger, als wenn Highschool-Kids von Leuten Ende Zwanzig gespielt werden. Ansonsten habe ich aber natürlich auch versucht, den üblichen Casting-Teufelskreis zu durchbrechen. Gerade bei der Besetzung junge Rollen dreht sich in Hollywood viel um Popularität und Follower*innen-Zahlen, was oft bedeutet, dass der übliche Status quo bedient wird, der vor allem weiß, cis und hetero ist. Dankenswerterweise hatte ich die volle Unterstützung der Produktion, da ein wenig gegenzusteuern.
Weil Sie gerade Ihre Serien-Arbeit ansprechen: Sie haben an einigen der aus LGBTI-Sicht wichtigsten Serien der letzten Jahre mitgewirkt. Hat einer dieser Jobs für Sie eine ganz besondere Bedeutung?
Jeder einzelne war mir eine Freude, aber natürlich war es etwas sehr Besonderes, bei "Transparent" engagiert zu werden. Ich hatte 15 Jahre lang queere Geschichten erzählt, in Videos, Kurzfilmen und anderen Werken, aber Geld verdienen konnte ich damit nicht. Das änderte sich mit dem Job bei "Transparent", aber natürlich auch, weil das Fernseh- und Serien-Geschäft plötzlich immer queerer wurde. Für mich war das fast surreal. Ich war in den frühen 1990er Jahren nach San Francisco gekommen und habe noch die Aids-Pandemie aus nächster Nähe miterlebt; ich bin wie alle queeren Menschen dieser Generation geprägt von all diesem Schmerz und Verlust, aber auch dem Galgenhumor, die für uns immer fester Bestandteil des Lebens waren. Und plötzlich interessierte sich der Mainstream für unsere Perspektiven und unsere Geschichten? Dass ich an "Transparent" und dann auch "Pose" mitwirken durfte, zwei Serien, die wirklich wegweisend waren und unsere Kultur vermutlich für immer verändert haben, ist für mich schon ein sehr besonderes Geschenk, von dem ich nie zu träumen gewagt hätte.
Mehr queere Kultur:
» auf sissymag.de
Noch keine Kommentare.