Kommentare
Noch keine Kommentare.
Wir sprachen mit dem schwulen US-Schauspieler Michael Urie über seine Rolle in der neuen AppleTV-Serie "Shrinking", seinen Durchbruch als Klischee-Husche in "Ugly Betty" und den Sex-Appeal von Harrison Ford.
Mehr oder weniger über Nacht bekannt wurde Michael Urie, als er ab 2006 in "Ugly Betty" als schnippischer, schwuler Assistent von Vanessa Williams zu sehen war. Für die Rolle war der 1980 geborene Texaner sogar für den Emmy nominiert. Anschließend übernahm er wiederkehrende Rollen in Serien wie "The Good Wife", "Younger" oder "The Bite", war Gast-Juror bei "RuPaul's Drag Race" und stand vor allem regelmäßig auf den verschiedensten Theaterbühnen.
Nun ist Urie, der seit 2008 mit seinem Kollegen Ryan Spahn liiert ist, neben Jason Segel und Harrison Ford seit dem 27. Januar 2023 bei AppleTV+ in "Shrinking" zu sehen (Serienkritik von queer.de).
Für unser Zoom-Interview war er vorübergehend zurück "in the closet" – seit der Pandemie dient der kleine Wandschrank der beiden nicht mehr nur als Bücherregal und Abstellkammer, sondern auch als schalldichtes Studio für Video-Konferenzen.
Mr. Urie, wonach entscheiden Sie, ob Sie eine Rolle wie nun in der Comedy-Serie "Shrinking" annehmen? Achten Sie da vor allem auf die Geschichte oder geht's mehr um die Menschen, mit denen Sie arbeiten werden?
Am wichtigsten ist für mich eigentlich schon die Rolle, die ich spielen soll. Wenn die mich nicht interessiert, habe ich natürlich eher selten Lust darauf. Aber tatsächlich war "Shrinking" einer der Fälle, wo ich zuerst auf anderes geachtet habe. Ich wusste, dass Jason Segel die Hauptrolle spielt und Bill Lawrence und Brett Goldstein die Serie für Apple entwickelt haben. Da hätte das Drehbuch schon sehr schlecht sein müssen, um so eine Chance an sich vorbeiziehen zu lassen. War es dann zum Glück auch nicht. Und vor allem erkannte ich schnell, dass die Rolle tatsächlich zu mir passt und ich beim Casting gute Chancen haben könnte. Wobei ich diesbezüglich inzwischen auch entspannt bin.
Was meinen Sie?
Vor zehn oder 15 Jahren war ich ganz allgemein als Schauspieler sehr viel nervöser und angespannter, wenn es um Castings und Vorsprechen ging. Doch ich habe meine Lektion gelernt und weiß heute: Wenn ich eine Rolle nicht bekomme, dann war sie in der Regel auch nicht für mich bestimmt. Außer natürlich, ich habe das Vorsprechen schlicht in den Sand gesetzt. Aber wenn ich gut und trotzdem nicht der Richtige war, dann ist das schon okay. Und inzwischen entwickle ich auch schon bei der Lektüre ein ziemlich gutes Gespür dafür, ob das überhaupt passt. Ist ja nicht bei jedem Skript so, das auf meinem Tisch landet. Mich vor allem um Rollen zu bemühen, auf die ich eine Chance habe, statt um die, die auf dem Papier super klingen, hatte eine sehr befreiende Wirkung.
Der Anwalt, den Sie in "Shrinking" spielen, ist queer, was allerdings für die Handlung nicht im eigentlichen Sinne eine Rolle spielt. Empfinden Sie diese Selbstverständlichkeit bei LGBTI-Figuren noch als etwas Besonderes?
Definitiv. Weder für ihn noch für die anderen Figuren in der Serie ist seine Queerness irgendwie ein Thema, das finde ich sehr erfrischend. Er ist queer und er ist witzig, aber das hat nichts miteinander zu tun. Weder die Gags rund um diese Figur basieren auf seiner sexuellen Identität noch seine Konflikte. Das empfinde ich immer noch als ziemlich neu, wenn ich mir frühere Serien anschaue.
Spielen Sie da jetzt auf "Ugly Betty" an?
Auch, klar. Viele Gags bei "Ugly Betty" basierten darauf, dass meine Rolle schwul war. Das war auch okay so – und meistens wirklich witzig. Aber es war eben eine andere Zeit. Oder denken Sie an "Will & Grace". Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass die Einführung der Ehe für alle in den USA viel damit zu tun hat, dass Amerika sich in die Figuren aus "Will & Grace" verliebt hatte. Da hat Joe Biden schon Recht, der den Stellenwert der Serie diesbezüglich ja auch explizit betont hat. Sie war brillant und revolutionär, aber heute würde man eine solche Sitcom, in der wirklich alles auf dem Schwulsein des Protagonisten basiert, nicht mehr drehen. Und auch nicht mehr brauchen. Was ein wunderbares Zeichen von Fortschritt ist.
Über "Ugly Betty" selbst müssen wir jetzt aber auch noch ein paar Worte verlieren. Die Serie hat schließlich Ihr Leben verändert, nicht wahr?
Das kann man wohl sagen, und ich denke immer mit Freude und Dankbarkeit an diese Zeit zurück. Meine Karriere war danach eine vollkommen andere, von meinem Kontostand ganz zu schweigen. Eben teilte ich mir mit drei anderen Leuten eine kleine Wohnung in Brooklyn und jobbte für 200 Dollar die Woche in einem Kellerclub – und plötzlich war mein Gesicht am Kiosk zu sehen und ich wurde im Supermarkt erkannt. Aber nicht nur das. Ich habe Freundschaften geschlossen, die bis heute halten. Und menschlich wie professionell unfassbar viel gelernt. Wenn man jeden Tag von Legenden wie Vanessa Williams, Judith Light und Tony Plana umgeben ist oder mit einem Ausnahmetalent wie America Ferrara arbeiten darf, dann nimmt man zwangsläufig unfassbar viel mit. Ich bin auf vieles stolz, was danach kam, sei es beim Theater oder auf meine Rolle im ersten queeren Weihnachtsfilm von Netflix. Aber "Ugly Betty" wird immer etwas ganz Besonderes für mich bleiben. Eine Serie, die so witzig und albern und camp, aber gleichzeitig so echt und wahrhaftig und emotional ist, gibt es nicht alle Tage.
Zum Abschluss muss jetzt doch noch eine Frage zu Harrison Ford sein. Stimmt es, dass Sie ihm erzählt haben, dass er und sein Film "Die Waffen der Frauen" fester Bestandteil des schwulen Filmkanons sind?
Oh ja, und ihm hat das gut gefallen. Ich glaube, er fand das schmeichelhaft. Wobei er es auch nicht ganz verstanden hat und nach Gründen dafür fragte. Dabei liegt das doch auf der Hand, oder? Erstens ist er in der Rolle verdammt sexy und richtig lieb und süß. Und zweitens ist er umgeben von starken Frauen, wie sie schwule Männer schon immer verehrt haben. Wer würde sich nicht identifizieren mit Melanie Griffith, die erst einmal ihr wahres Ich und ihr Potential finden muss, bevor sie wirklich aufblühen und selbstbewusst sein kann? Für mich ist das der perfekte Film, auch dank Joan Cusack und Sigourney Weaver. Und dem unglaublichen Soundtrack! Aber Harrison Ford, wie er sich im gläsernen Büro sein Hemd auszieht und seinen ganzen Sex-Appeal entfaltet, hat natürlich auch viel damit zu tun.
Links zum Thema:
» "Shrinking" bei AppleTV+
» "Ugly Betty" bei Amazon Prime Video
Mehr zum Thema:
» Streamingtipp: Jason Segel und Harrison Ford in "Shrinking" (31.01.2023)
Mehr queere Kultur:
» auf sissymag.de
Informationen zu Amazon-Affiliate-Links:
Dieser Artikel enthält Links zu amazon. Mit diesen sogenannten Affiliate-Links kannst du queer.de unterstützen: Kommt über einen Klick auf den Link ein Einkauf zustande, erhalten wir eine Provision. Der Kaufpreis erhöht sich dadurch nicht.
Noch keine Kommentare.