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Verschwundener trans Jugendlicher

"Kieler Nachrichten" entschuldigen sich für transfeindliche Vermisstensuche

Die "Kieler Nachrichten" hatten in einer Suchmeldung über einen Jungen dessen Deadname benutzt und von "sie" gesprochen. Nun entschuldigte sich das Regionalblatt. Doch an der Einsicht sind Zweifel angebracht.


Die Meldung der "Kieler Nachrichten" geht auf eine ebenfalls transfeindliche Pressemitteilung der Polizei zurück (Bild: René Mentschke / flickr)

Die "Kieler Nachrichten" haben sich für ihre Berichterstattung zum Vermisstenfall eines 16-jährigen Jungen entschuldigt. Obwohl der Zeitung der Name des Jugendlichen als auch der Umstand bekannt gewesen war, dass er transgeschlechtlich ist, war die Suche nach einer 16-Jährigen vermeldet worden.

Doch mit der formalen Entschuldigung kommt wenig Einsicht: Die Benennung des Jungen als Mädchen sei "keineswegs diskriminierend gemeint" gewesen und habe "keine Transfeindlichkeit ausdrücken" sollen. Die Intention sei es vielmehr gewesen, alle Informationen zu nennen, um zur Suche nach dem Jugendlichen beizutragen.

"[...] ist ein Transgender"

Am Sonntag hatten die "Kieler Nachrichten" vermeldet, dass "eine 16-jährige" aus einer Wohneinrichtung in Osdorf vermisst werde. Der Teenager könne sich in Kiel, Neumünster oder Neustadt aufhalten. Dann nannte die Zeitung den weiblichen Deadname und schrieb, "sie" höre "auf den Namen […]" – es ist der eigentliche, männlich konnotierte Namen des Jugendlichen. Und: […] "ist ein Transgender".

Weil das Lokalblatt daraufhin Zuschriften erreichten, in denen gegen die transfeindliche Beschreibung protestiert wurde, editierten die Journalist*innen den Artikel und ersetzten ihn mit einer neuen Meldung. Inzwischen war der 16-jährige nämlich wohlauf gefunden worden. Die Suche "nach einem trans Mann aus Osdorf" sei demnach beendet. Er habe sich bei einer Verwandten in Kiel aufgehalten. Die alten Beschreibungen sind online nicht mehr verfügbar.

Auch dieser an die Stelle des alten Textes getretene Artikel enthält die Entschuldigung. In der ersten Suchmeldung habe man demnach "den Mädchennamen und das bei der Geburt zugewiesene Geschlecht genannt". Dies sollte aber "keine Transfeindlichkeit ausdrücken". Und: "Wenn dies als Diskriminierung empfunden wurde, möchten wir dafür um Entschuldigung bitten."

Doch die Beschreibung ist falsch: Die Daten wurden nicht bloß "genannt". Stattdessen war der Junge vorgestellt worden, als sei er die genannte weibliche Jugendliche. Sein tatsächlicher Name abseits des gegenwärtig in den Unterlagen eingetragenen Namens war genau wie sein Transsein bloß als weitere Eigenschaften der vermeintlich gesuchten Jugendlichen aufgeführt gewesen.

Die geringe Einsicht in die Problematik passt auch zu der Behauptung, dass der weibliche Name "Bestandteil des Zeugenaufrufs" gewesen sei, da im Ausweis des Jungen "wahrscheinlich noch der Geburtsname […] steht". Dabei ist die bloße Benennung des in einem Ausweis enthaltenen Namens etwas anderes als die Einführung des Jungen mit diesem Namen und seine Beschreibung im grammatikalisch weiblichen Geschlecht.

Polizeimeldung als Quelle

Die transfeindliche Vermisstensuche geht dabei auf eine ähnlich problematische Polizeimeldung zurück, die in ihrem Duktus von der Zeitung übernommen worden war. Auch in der noch immer in dieser Form online abrufbaren Meldung Der Polizei Neumünster wird zunächst der Deadname genannt und die Person im weiblichen grammatikalischen Geschlecht beschrieben. [...] "ist ein Transgender", heißt es auch dort, und: "sie hört auf den Namen […]". Eine Geschlechtsbezeichnung wird in der Meldung vermieden: Über den Jungen ist stets entweder als "Person" die Rede oder er wird mit seinem Deadname genannt und mit weiblichen Pronomen beschrieben.

Weil auch die verantwortliche Polizeidirektion entsprechende Zuschriften erreicht hätten, wolle man dort ebenfalls zukünftig auf "einen korrekten Umgang" achten, so die Entschuldigungsmeldung der "Kieler Nachrichten". Die Nennung des weiblichen Namens durch die Polizei sei aber "nicht böse gemeint" gewesen. Der Wirkung des Zeugenaufrufs seien sich die Beamten nicht bewusst gewesen.

Von der Wohneinrichtung sei der Polizei demnach "der gebürtige Mädchenname übermittelt worden". Doch ob die Wohneinrichtung den Namen nur übermittelt oder den Jungen selbst so benannt hatte, geht aus der Beschreibung des Vorgangs nicht hervor. Was aus den Beschreibungen allerdings deutlich hervor geht, ist, wie weit verbreitet es noch immer ist, die Kritik an Diskriminierung mit der Behauptung abzuwehren, es sei eine böswillige Intention unterstellt worden.

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Im vergangenen Jahr hatte die Polizei im nordrhein-westfälischen Herne ebenfalls durch eine falsche Polizeimeldung Berichterstattungen losgetreten, in der die bei dem Vorfall fast getötete 15-jährige Jess als Junge bezeichnet und von einem "Streit" als Auslöser der Tat berichtet worden war (queer.de berichtete).

Auch hier hatte sich die Polizei auf die Behauptung zurückgezogen, dass man das Geschlecht aus einem Ausweis von Jess abgelesen habe. Doch laut Angaben aus der ZDF-Doku "Influencer in Uniform – Polizei und Social Media" (ab 31:10) soll es sich um eine Schutzbehauptung handeln. Demnach gebe es überhaupt keinen solchen Ausweis.

#1 Ith_Anonym
  • 31.01.2023, 11:48h
  • "Weil auch die verantwortliche Polizeidirektion entsprechende Zuschriften erreicht hätten, wolle man dort ebenfalls zukünftig auf "einen korrekten Umgang" achten, wie es nun im Entschuldigungsschreiben der Kieler Nachrichten heißt. Die Nennung des weiblichen Namens durch die Polizei sei aber "nicht böse gemeint" gewesen. Der Wirkung des Zeugenaufrufs seien sich die Beamten nicht bewusst gewesen."

    Ach, komm, von wegen nicht böse gemeint und passiert nicht wieder. Das Erste, was die Polizei dir als Transperson erzählt, WENN du mit ihr redest, ist der Hinweis / die Zurechtweisung, dass bei denen nur dein Deadname zählt, und danach wirst du dann konsequent misgendert.
    Womit du dir dann über eine Anzeige wegen misgendernder Beleidigung schon gar keine Gedanken mehr machen brauchst, weil du dich derart lächerlich dabei fühlst, dass du hier echt versuchst, etwas anzuzeigen, das die Leute dir gegenüber normal, richtig und selbstverständlich finden und ihrerseits praktizieren.
    Man muss im gesellschaftlichen Rang schon echt sehr weit oben stehen, damit es anders läuft. In meiner aktuellen Gegend gibt es nichtmal eine explizite Ansprechperson für queere Themen, da kann man sowas gleich vergessen. Und da "queer" bekanntermaßen cis-schwul bedeutet, wäre es selbst mit so einer Ansprechperson immer noch wie Lotto spielen.
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#2 MaybemeProfil
  • 31.01.2023, 13:02hBochum
  • Wir haben hier ja zwei Ebenen

    Zu erst die Polizeiebene, die eine falsche Mitteilung rausgegeben hat (nach einer Entschuldigungsmail durch Eile geboten, weil es mitten in der Nacht war), hier liegt also entweder mangelender Will oder mangelde Ausbildung vor (und da Polizisten ja zu mindestens in der Theorie der DGTI Ausweis vorgestellt wird, und damit das Konzept Deadnaming ja bekannt ist, eher mangelender Wille)

    (Spitze hierbei nach an Herrn Ameldung: Der Tweet zu dem Thema, dass der Deadname genannt wurde, weil die Person ja so kurz out ist erst, war hirnverbrannt, weil selbst wenn diese Angabe stimmt, andersrum geschrieben würde es dann nur Sinn ergeben)

    Die Zweite Ebene ist die Zeitung, die blind ohne nachzudenken eine Polizeimeldung übernimmt. Was neben der Weiterführung des Deadnamings noch eine ganz andere Problematik birgt: Der Mangel an Kritischer Auseinandersetzung mit Staatsorganen. Anstelle ihre Funktion als Vierte Gewalt und Überprüfung staatlicher Stellen wahrzunehmen, machen sie sich zum ausführenden Organ.

    Ob Jonas wirklich wohlauf ist? Keine Ahnung. Meine Erfahrung mit trans Menschen in solchen Einrichtungen deutet da eher auf das Gegenteil hin.

    Ich hoffe er ist wirklich gut untergebracht nun, und bekommt die Behandlung, die er braucht.
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#3 RaphaAnonym
  • 31.01.2023, 13:27h
  • Mich stört dieses "es war ja nicht böse gemeint", "wir wollten niemanden beleidigen".
    Als ob damit alles wieder gut wäre. Natürlich haben die das nicht automatisch böse gemeint. Die haben einfach nicht darüber nachgedacht. Hinterher heißt es dann immer, dass das ja keine Absicht war und wir sollen das dann brav abnicken. Einfach mal vorher überlegen, geht nicht. Man kann sich ja hinterher entschuldigen, also alles kein Problem. Und wenn wir dann mal sagen, dass das nicht OK ist, sind wir die laut schreienden Aktivisten, die nicht wissen wann es genug ist.
    Das ist schon wieder so perfide!
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#4 KommissarRexAnonym
  • 31.01.2023, 14:03h
  • "... ist ein Transgender und hört auf den Namen Jonas." klingt halt wie: "Ist ein Kurzhaardackel und hört auf den Namen Bello".

    Die Kommentare bei Twitter sind mittlerweile sehr toxisch. Anscheinend ist Sifftwitter und die Drachenlordbubble darauf aufmerksam geworden.
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#5 ChrisNAnonym
  • 31.01.2023, 16:05h
  • Man darf aber leider auch die Problematik nicht außer Acht lassen, dass nicht nur bei Journalisten und Polizisten, sondern vor allen bei einem Großteil der Bevölkerung erschreckende Unkenntnis über die Thematik herrscht. Die können mit Transvestit und ggf. Transsexuelle(r) evtl. noch was anfangen, aber bei Transgender oder Deadname hört es dann meistens auf. Auch ist bei Transfrau und Transmann vielen nicht klar, ob sich Frau oder Mann auf das Geschlecht vor oder nach der Transition bezieht.

    Die Journalisten können daher nicht nur die korrekten Begriffe verwenden, die viele Leser ratlos zurücklassen und die Wirkung des Zeugenaufrufs daher stark beeinträchtigen würden, sondern sie müssen den Spagat finden, es so rüberzubringen, dass es alle verstehen und gleichzeitig vom Wording her transfreundlich zu bleiben. Das wäre gleichzeitig auch eine Chance, der Bevölkerung mehr Wissen über Transsexualität zu vermitteln.

    Leider haben viele Journalisten keine Lust dazu und auch keine Lust sich hier schlau zu machen und verflüchten sich dann in Ausreden. Es ist aber grundsätzlich möglich, einen Artikel auch unter Nennung des Deadnames zu schreiben (sofern relevant, da ihn/sie vielleicht Weggefährten nur unter diesem Namen kennen) und trotzdem die Rechte des Gesuchten zu wahren und ihn nicht ungewollt zu diffamieren.

    Und was die Polizei angeht, würde die Einrichtung von internen Queer-Beauftragten und deren Konsultation in solchen Fällen ungemein helfen. Viel mehr als irgendwelche Schulungen etc., die es sicher begleitend dennoch geben sollte.
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#6 KarlAnonym
  • 01.02.2023, 10:18h
  • Antwort auf #5 von ChrisN
  • Bei aller berechtigtere Kritik kann ich durchaus nachvollziehen, dass hier eine mangelnde Sensibilität vorliegt. Immerhin betrifft die Thematik über 99,5% der Bevölkerung nicht. Trotz steigender medialer Aufmerksamkeit haben doch die aller wenigsten jemals einen echten Kontakt zu Transmenschen. Aus diesem Umstand ergibt sich eine mangelnde Übung und ggf. sogar ein Desinteresse. Dies spiegelt sich dann in prozessgetriebenen ungeschickten Meldungen wieder.
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#7 MandalorianAnonym
#8 SeraphinaAnonym
  • 01.02.2023, 12:19h
  • Antwort auf #7 von Mandalorian
  • Ith meinte damit, dass diese in hiesigen cishetero Kreisen, Behörden etc. oft die einzigen sind die mitgedacht sind wenn der Begriff queer verwendet wird und nicht, dass die meisten cis schwule sich als queer identifizieren würden (da reicht schon ein Blick in Social Media Profile für um das zu verneinen, von denen viele dann trans-/nichtbinärenfeindlich aktiv und pro LGB Alliance und Gedöns sind).
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#9 MandalorianAnonym
  • 01.02.2023, 13:29h
  • Antwort auf #8 von Seraphina
  • Danke aber warum sollten die nur an die Schwulen denken und nicht auch an Lesben? Wenn sie es schon nur schaffen bis Homo zu denken, warum dann nicht auch bei den Frauen? Erscheint mir nicht schlüssig.
    Was denkst du, verringert die Bezeichnung Queer die Sichtbarkeit marginalisierter Teile der Community?

    Und sich nicht einem Label angehörig zu fühlen ist nicht damit gleichzusetzen den anderen feindlich gegenüber eingestellt zu sein. Q in LGBTQIA+ ist ja nicht grundlos ein eigener Buchstabe
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