Der baden-württembergische FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke will mit CDU und AfD ein Sprachverbot durchsetzen (Bild: Landtag Baden-Württemberg)
In den Landesparlamenten von Hamburg und Baden-Württemberg war am Mittwoch die geschlechtergerechte Sprache Thema. Ein Antrag der AfD für ein Verbot der Gender-Sprache an Hamburgs Schulen hat in der Hamburger Bürgerschaft zu einer heftigen Kontroverse geführt, ebenso wie ein ähnlicher Antrag der FDP in Baden-Württemberg.
In Hamburg, wo das Thema bald zu einer Volksentscheid führen könnte, sprach sich neben der AfD sich auch die CDU dafür aus, geschlechtergerechte Sprache an Schulen pauschal zu untersagen. Sternchen und Unterstriche hätten "in der deutschen Sprache nichts zu suchen", sagte die Bildungsexpertin der Fraktion, Birgit Stöver. Gendersprache dürfe nicht angeordnet werden. "Menschen sollten das amtliche Regelwerk der deutschen Rechtschreibung korrekt anwenden dürfen." Bei der anschließenden Abstimmung stimmte allerdings auch die CDU gegen den AfD-Antrag.
AfD beleidigt inter Menschen
Die AfD wolle verhindern, dass Kinder an den Schulen von "links-grün-ideologischen Umerziehern" durch geschlechtergerechte Sprache indoktriniert werden, sagte Fraktionsvize Alexander Wolf. Für Empörung sorgte sein Abgeordnetenkollege Krzysztof Walczak, der mit Blick auf inter Menschen erklärte, dies seien "Personen, die einen beschädigten Chromosomensatz haben".
Nils Hansen von der SPD wies ein Verbot der Gendersprache zurück. "Sprache verändert sich, Sprache entwickelt sich – ich als Deutschlehrer finde das super, ich mag lebendige Sprache", sagte er. Es gebe an den Schulen klare Rechtschreibregelungen. Mit dem Genderverbot wolle die AfD den Schülerinnen und Schülern eine Entscheidungsmöglichkeit nehmen. "Hinter diesem Antrag steht ganz viel Angst vor einer meinungsstarken Jugend."
Die schulpolitische Sprecherin der Grünen verwies auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die erlaubt, dass Menschen, die weder eindeutig männlich noch weiblich sind, sich im Geburtenregister als divers eintragen lassen können. "Dass es mehr als zwei Geschlechter gibt, ist also keine Ideologie", sagte Ivy May Müller. "Wenn Sprache die Diversität der Geschlechter nicht deutlich macht, denken wir sie nicht mit", warnte sie.
Die FDP-Abgeordnete Anna von Treuenfels-Frowein mahnte zur Sachlichkeit bei dem Thema: "Ich finde, wir sollten keine moralischen Debatten auf diesem minderwertigen Niveau führen. Ich finde, jeder kann tun und lassen was er will."
Baden-Württemberg: FDP will CDU mit Hilfe der AfD vorführen
Anders verhielten sich die Liberalen in Baden-Württemberg: Dort kämpfte die FDP mit einem Antrag für ein umfassendes Genderverbot an Schulen, Universitäten und Behörden. Menschen dürften durch geschlechtergerechte Sprache nicht "verwirrt" werden, so FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke ganz im AfD-Jargon. "Deshalb hat die Gendersprache in Schulen und Behörden nichts verloren." Rülke gilt bei Bürgerrechtsfragen als Wackelkandidat: Er hatte vor neun Jahren für Empörung gesorgt, als er im Streit um den Bildungsplan Homosexuellen attestierte, nicht "gleichwertig" mit anderen Menschen zu sein ("Wir betrachten andere Lebensformen als tolerabel, aber nicht als gleichwertig").
Ziel des FDP-Antrags war, die grün-schwarze Koalition vorzuführen. So sprach sich Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) letzten Monat selbst gegen die Gendersprache an Schulen aus (queer.de berichtete). Die CDU beschloss bei einer Klausurtagung letzten September sogar ein umfassendes Genderverbot.
Die Christdemokrat*innen spielten dieses liberale Spiel aber nicht mit: "Kein Binnen-I dieser Welt und kein Genderstern dieser Welt ist es wert, dass die AfD im Landtag von Baden-Württemberg Mehrheitsbeschaffer wird", stellte CDU-Fraktionschef Manuel Hagel klar. Am Ende stimmten nur FDP und AfD für das Verbot.
Die Brandmauer zwischen CDU und AfD hält bei diesem Thema allerdings nicht überall: Erst letzten November votierten die beiden Fraktionen in Thüringen gemeinsam für einen Antrag gegen das Gendern – und überstimmten damit die rot-rot-grüne Minderheitsregierung (queer.de berichtete).
Geschlechtergerechte Sprache soll – etwa mit dem Genderstern – dazu beitragen, dass Frauen und geschlechtliche Minderheiten sichtbarer werden. Auch wenn das Thema insbesondere in den letzten Jahren ideologisch aufgeladen diskutiert wurde, ist es nicht neu: So gab es bereits in den Siebzigerjahren Kritik an der "männerzentrierten" Sprache. Langsam wurde daraufhin das generische Maskulinum relativiert: Aus "Frau Minister" wurde schließlich "Ministerin" oder aus der "Putzfrau" die "Reinigungskraft". Viele dieser – einst umstrittenen – geschlechtergerechteren Ausdrücke sind inzwischen in der Öffentlichkeit akzeptiert. Allerdings sind sich Expert*innen nicht einig, wie weit die sprachliche Gleichbehandlung gehen soll und wie schnell Sprachgewohnheiten geändert werden können. (dpa/dk)
Korrektur: In einer ersten Version des Artikels hieß es gemäß dpa, der Hamburger AfD-Abgeordnete Krzysztof Walczak hätte einen Ordnungsruf erhalten. Dem ist nicht so. Der Parlamentspräsident wies den Politiker aber darauf hin, dass Walczak "den parlamentarischen Sprachgebrauch bewahren" müsse. "Das gilt auch im Zusammenhang mit dem Herabwürdigen von Personen." Zudem sprach Walczak abwertend über inter Menschen, nicht über nichtbinäre Personen.
So sieht sie also aus, die selbsternannte "Brandmauer gegen rechts" bei der Arbeit :clown: :lol: