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Auch in diesem Jahr war die Liste der LGBTI-Geschichten lang, die es in Utah auf der Leinwand (sowie alternativ auf dem heimischen Laptop) zu sehen gab. Die Highlights stellen wir hier vor.
Das Sundance Film Film Festival, ins Leben gerufen vor 45 Jahren von Robert Redford, konzentriert sich ganz auf das Independent-Kino (allen voran das US-amerikanische) und ist damit traditionell auch ein Zuhause des Queer Cinemas. Die Liste der Filme, die hier über die Jahre Premiere feierten und sich anschließend in die Kino-Geschichte einschrieben, ist lang und reicht von "Paris Is Burning" und "The Celluloid Closet" über "Little Miss Sunshine" oder "High Art" bis "Southern Comfort", "Girlfight", "Hedwig and the Angry Inch" und "Beach Rats".
Auch in diesem Jahr war die Liste der LGBTI-Geschichten lang, die es in Utah auf der Leinwand (sowie alternativ auf dem heimischen Laptop) zu sehen gab. Einige davon werden diesen Monat auch auf der Berlinale zu sehen sein, darunter "Kokomo City", eine berührende und freimütige Dokumentation über vier Schwarze trans Sexarbeiterinnen. Andere kommen hoffentlich bald regulär ins Kino, etwa die smarte, auf einer Graphic Novel basierende Komödie "Shortcomings" von Randall Park, in der neben Justin H. Min die wunderbare Komikerin Sherry Cola als queere beste Freundin des Protagonisten brilliert. Unbedingt vormerken sollte man sich auch "Cassandro", ein liebevolles Biopic über den schwulen mexikanisch-stämmigen Wrestler Saúl Armendáriz, mit Gael García Bernal in der Hauptrolle.
Sechs weitere Highlights des diesjährigen Sundance Film Festivals stellen wir hier kurz vor.
Passages
Auf Ira Sachs ist Verlass. Der in New York lebende Regisseur, der von "Forty Shades of Blue" über "Keep the Lights On" bis "Love Is Strange" schon häufig seine Filme in Sundance präsentiert hat, legt mit "Passages" einmal mehr ein echtes Highlight vor. Schon die Besetzung hat es in sich: Franz Rogowski spielt einen Filmemacher in Paris, Ben Whishaw seinen Lebensgefährten und Adèle Exarchopoulos (aus "Blau ist eine warme Farbe") die Frau, mit der er ein Verhältnis beginnt. Aus der Prämisse entspinnt sich eine Geschichte über Liebe, Beziehungen und Egoismus, die ungemein wahrhaftig und gleichermaßen feinsinnig und emotional brutal ist. Und eine Sexszene beinhalt, wie man sie so heiß und glaubwürdig nicht alle Tage zu sehen bekommt. Also unbedingt vormerken, zumal auch "Passages" im Februar zum Berlinale-Programm gehört.
Fairyland
Basierend auf Alysia Abbotts autobiografischem Buch "Fairyland: A Memoir of My Father" erzählt dieser Film von Andrew Durham von einem ungewöhnlichen Vater-Tochter-Gespann. Nach dem Unfalltod der Mutter zieht Steve Abbott (Scoot McNairy) mit seiner Zweijährigen in den 1970er Jahren aus der Provinz nach San Francisco, wo er fortan seine Identität als schwuler Mann und den Traum vom Schreiben auslebt. Nicht zuletzt als Alysia (Emilia Jones) in die Pubertät kommt, wird das Verhältnis der beiden ordentlich auf die Probe gestellt, doch das Aufkommen von Aids verändert schließlich alles. "Fairyland" ist kein immer rundum gelungener Film, doch gerade in vielen kleinen Momenten berührt er auf herzzerreißende Weise. Und nicht zuletzt die Schauspieler*innen überzeugen, allen voran McNairy sowie in kleinen Nebenrollen Geena Davis, Cody Fern und sogar Adam Lambert.
Little Richard: I Am Everything
Musik-Dokus gehören längst zum festen Bestandteil der jährlichen Filmauswahl in Sundance. In diesem Jahr gab es unter anderem welche über die Indigo Girls und Willie Nelson zu sehen, aber eben auch diesen Film über Little Richard, der dem Ausnahme-Musiker ein würdiges Denkmal setzt. Die Dokumentation von Lisa Cortés lässt nicht nur Mick Jagger, Tom Jones oder John Waters sowie Wegbegleiter*innen zu Wort kommen, sondern vor allem auch viele Musik- und Kulturwissenschaftler*innen, die seine wegweisende Bedeutung auf spannende Weise einordnen und verständlich machen. Richards Queerness – inklusive der Auftritte als Dragqueen Princess Lavonne im Alter von 19 Jahren – wird ausreichend Platz eingeräumt, und natürlich kommt auch seine eigene, oft widersprüchliche Haltung dazu (und zu seinen regelmäßigen Hinwendungen zur Religion) zur Sprache.
Mutt
Noch ein Film, der erfreulicherweise auch auf der Berlinale zu sehen sein wird. Das Regiedebüt von trans Filmemacher Vuk Lungulov-Klotz erzählt von Feña (Lío Mehiel), einem trans Mann in seinen Zwanzigern, der nach seiner Transition einige wichtige Beziehungen seines Lebens wiederaufzunehmen versucht, darunter die zum Vater, zur Schwester und zum heterosexuellen Ex-Freund (gespielt von Cole Doman, dem schwulen Hauptdarsteller aus "Ein Freund zum Geburtstag"). Ein eindrucks- und liebevolles, aber vor allem ehrliches Drama, das toll gespielt ist. Für Newcomer Mehiel gab es dafür in Sundance verdient einen Darsteller*innen-Preis.
Theatre Camp
Zu den witzigsten und charmantesten Filmen des Festivals gehörte diese Komödie von Molly Gordon und Nick Lieberman. Ein Theater- und Musical-Camp im Bundesstaat New York, wo jeden Sommer Dutzende Kinder und Teenager ihre Ferien verbringen und vom Broadway träumen, muss sich etwas einfallen lassen, um nach dem Ausfall seiner Leiterin nicht für immer dicht gemacht zu werden. Zusammen mit den Ko-Autoren Ben Platt und seinem Verlobten Noah Galvin, die genau wie Gordon auch vor der Kamera standen, ist dem Regie-Duo ein herrlich komischer, improvisiert wirkender Film gelungen, der sich über nerdig-queere Theater-Fanatiker*innen aller Altersklassen nicht nur selbstironisch lustig macht, sondern ihnen vor allem ein Denkmal setzt.
Rotting in the Sun
Als lobende Erwähnung soll an dieser Stelle auch "Rotting in the Sun" erwähnt sein, der neue Film des chilenischen Regisseurs Sebastián Silva. Der spielt sich in dieser bösen Meta-Satire selbst: einen depressiven Filmemacher, der sich mit Drogen betäubt und bei einem Urlaub am schwulen FKK-Strand den Social-Media-Promi Jonathan Firstman kennen lernt. Als Silva später verschwindet, macht sich letzterer auf die Suche nach ihm. Weder Silva noch Firstman sind mit ihrer Arbeit jedermanns Geschmack. Doch wie sie sich hier an sich selbst abarbeiten, ist allemal interessant. Und mehr Penisse werden wir wohl in diesem Jahr in keinem anderen Spielfilm zu Gesicht bekommen.
Links zum Thema:
» Homepage vom Sundance Film Festival
Mehr queere Kultur:
» auf sissymag.de
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