Es hätte so schön werden können: Eine einsame Holzhütte in einem grünen Wald, ein erfrischender See nebenan, nur Eric, Andrew und ihre Adoptivtochter Wen. Doch der Thriller "Knock at the Cabin" gönnt der Regenbogenfamilie kaum Urlaubszeit. Wen kann ein paar Grashüpfer fangen, doch dann taucht auch schon ein großer, tätowierter, unheimlicher, aber freundlicher Mann daher. Er habe die vielleicht wichtigste Aufgabe in der Geschichte der Welt, verkündet Leonard freundlich. Wen rennt zu ihren Daddys in die Hütte.
Und dann klopfen Leonard und seine drei Begleiter*innen auch schon an die Holztür. Sie wollen ins Haus, die schwulen Väter wollen sie nicht reinlassen. Die vier Fremden schlagen Fenster und Türen ein, doch sobald sie drinnen sind, räumen sie sofort auf. Komische Eindringlinge.
Die Regenbogenfamilie wird von vier Fremden überfallen und gefangen genommen (Bild: Universal Pictures Germany)
Die Apokalypse verhindern
Denn, das betonen sie immer wieder, sie kommen in besten Absichten. Ihr Anliegen sei aber so wichtig und dringend, dass es keine Alternative dazu gibt, das Paar an Stühle zu fesseln. Die vier haben die Familie aufgesucht, um die Apokalypse zu verkünden – und zu verhindern. Eric, Andrew und Wen können nichts anderes, als die Auslöschung der Menschheit verhindern. Sie müssten nur eine*n von sich opfern.
Glaubt das schwule Paar den Fremden, die von Visionen und Plagen fabulieren? Oder vielmehr: Wann glauben die beiden ihnen, wann knicken sie unter dem psychischen Druck und den ersten Plagen ein? Das ist die Spannung, die "Knock at the Cabin" ziemlich gut aufbaut und den ganzen Film halten kann. Das liegt nicht zuletzt an der Kamera von Jarin Blaschke (der für den sensationellen "Der Leuchtturm" für einen Oscar nominiert wurde), der die Gesichter und Emotionen der Figuren wunderbar einfängt.
Die Darsteller sind auch in echt schwul
Poster zum Film: "Knock at the Cabin" startet am 9. Februar 2023 im Kino
Regisseur M. Night Shyamalan, der vor über 20 Jahren mit "The Sixth Sense" einen Überraschungserfolg feierte, daran aber nicht mehr anschließen konnte, bewegt sich auch mit dem neuesten Film in seinen bevorzugten Themen: Religion und Familie. Doch auch wenn die vier scheinbar besessenen Eindringlinge nicht wie christliche Apokalyptiker*innen daherkommen, ist "Knock at the Cabin" ein Film, der auf religiösen Vorstellungen basiert.
Dennoch lässt sich der brutale Thriller inhaltlich auch weiter deuten: In der Romanadaption geht es um richtige und falsche Entscheidungen, den Druck, sich zu entscheiden, Zusammenhalt – und Vertrauen. Denn vor allem Eric (Ben Aldridge) hat zunehmend Sorge, dass sein Partner Andrew (Jonathan Groff) dem Ganzen glaubt. Dass die zwei Darsteller nicht nur im Film schwul sind, macht den Cast noch überzeugender. Und wie gut es tut, klischeearme queere Hauptfiguren in einem Genre zu sehen, das noch immer wenig vielfältig ist.
Rückblick: Homophobe Attacke und das Paar im Kinderheim
Spannung erzeugt "Knock at the Cabin" insbesondere auch durch einen bekannten, dramaturgischen Kniff: Immer dann, wenn es besonders aufregend wird, folgt ein Schnitt und ein kurzer Rückblick. Wir sehen das Paar im chinesischen Kinderheim, beim unangenehmen Kennenlernen der Schwiegereltern, bei einer homophoben Attacke. Diese kurzen Episoden bringen das sonst charakterlich nicht besonders ausgestaltete Paar zumindest etwas näher.
"Knock at the Cabin" ist ein gut gemachter, fesselnder Thriller. Vor allem ist er im Vergleich zu ähnlichen Filmen angenehm unvorhersehbar. Das Ende ist ungewöhnlich konsequent und gerade deshalb überraschend. Wer Thriller mag, kann hier ordentlich unterhalten werden.
Infos zum Film
Knock at the Cabin. Thriller. USA 2023. Regie: M. Night Shyamalan. Cast: Ben Aldridge, Jonathan Groff, Kristen Cui, Dave Bautista, Nikki Amuka-Bird, Abby Quinn, Rupert Grint. Laufzeit: 100 Minuten. Sprache: deutsche Synchronfassung. FSK 16. Verleih: Universal Pictures International Germany. Kinostart: 9. Februar 2023
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