Jede Person, die von der AfD nicht als "normal" angesehen wird, muss sich bei einer Regierungsbeteiligung fürchten (Bild: Wahlplakat 2021)
Am 6. Februar 2013 gründeten rund 20 Beteiligte um den Wirtschaftsprofessor Bernd Lucke und den konservativen Publizisten Konrad Adam im hessischen Königstein die AfD. An diesem Montag will die Partei in der Kleinstadt nahe Oberursel mit 300 Mitgliedern, darunter auch den beiden Vorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla, den Jahrestag feiern. Mehrere Gegendemonstrationen sind angekündigt.
Anfangs gab sich die AfD als Partei der konservativen Professoren, heutzutage versuchen radikale Aufrührer wie Björn Höcke nicht einmal mehr, ein bürgerliches Image aufrechtzuerhalten. Harmlos war die selbsternannte Alternative aber nie: "Alle hässlichen Seiten der Partei – Populismus, Rassismus, nationalistische Abschottungsfantasien, Geschichtsklitterung und Haudrauf-Antworten auf komplexe politische Probleme – waren in der eurokritischen Professorenpartei schon angelegt", schrieb etwa der "Spiegel" anlässlich des Jahrestages in seiner "Lage am Morgen".
Die AfD mischte 2014 auch bei der "Demo für alle" mit (Foto: gk)
Auch Homophobie gehörte seit jeher zur DNA der AfD: Wenige Monate nach der Gründung stellte der Bundesvorstand bereits eiskalt fest, dass die Gleichbehandlung homosexueller Paare für die AfD "nicht identitätsstiftend" sei. Von Anfang an mischte auch "Demo für alle"-Aktivistin Beatrix von Storch mit, die die Ablehnung queerer Menschen zu einer ihrer Lebensaufgaben gemacht hat. Auch der erste Parteichef Bernd Lucke machte beim Queer-Bashing mit. Kein Jahr nach der Parteigründung kritisierte er etwa das Coming-out des ehemaligen Fußballnationalspielers Thomas Hitzlsperger (queer.de berichtete). In den letzten Jahren hat die Partei trans Menschen als ihre neuen Hassobjekte entdeckt.
Weidel als Feigenblatt
Zwar hat die AfD mit Alice Weidel eine lesbische Frau als Co-Chefin. Allerdings fungiert die Politikerin stets als Feigenblatt: Vor einem halben Jahr sagte sie im ZDF offen, dass ihr die Homosexuellenfeindlichkeit in ihrer Partei "relativ egal" sei (queer.de berichtete).
Wahlkampfwerbung 2017
Dabei widerspricht ihr eigenes Leben den Vorstellungen ihrer Partei grundsätzlich. Obwohl die AfD stets erklärt, Kinder pauschal vor Schwulen und Lesben schützen zu wollen, hat sich Weidel eine eigene kleine Regenbogenfamilie (laut AfD-Definition im aktuellen Wahlprogramm eine "Pseudofamilie") aufgebaut: Sie lebt seit Jahren mit Frau und angeblich zwei Söhnen zusammen. Allerdings wohnt sie schweizerischen Medien zufolge nicht in Deutschland, sondern zunächst in Biel und seit 2019 in Einsiedeln. Zu diesem Widerspruch hat sich Weidel bislang nicht geäußert.
Brandmauer bröckelt
In zehn Jahren hat die AfD erheblich an Einfluss gewonnen: Sie ist im Bundestag und in 14 von 16 Landesparlamenten in Fraktionsstärke vertreten. Zwar ist sie noch in keiner Koalition mit demokratischen Parteien eingegangen, die Brandmauer bröckelt gerade im Osten aber sichtlich. Erst im November arbeitete die Thüringer CDU etwa mit der von Höcke angeführten AfD-Fraktion zusammen, um gegen geschlechtergerechte Sprache vorzugehen.
Laut Politikwissenschaftler*innen gilt es nicht mehr als unmöglich, dass die AfD einmal mitregieren wird: "Es wird noch dauern, bis die AfD in einem Bundesland regiert, aber auszuschließen ist es – siehe die Erfahrung mit der Linken – nicht", erklärte etwa der Mainzer Parteienforscher Jürgen Falter der "Neuen Osnabrücker Zeitung". "Die AfD ist gekommen, um zu bleiben und sie wird bleiben", attestierte der Bonner Politologe Frank Decker.
Allerdings gibt es auch Widerspruch: Die AfD sei "aufgrund ihrer eigenen Inkompetenz und ihres Desinteresses an funktionierender Politik für alle anderen politischen Kräfte kein bündnisfähiger Akteur", erklärte Rechtsextremismusforscher Gideon Botsch von der Universität Potsdam gegenüber der "taz". "Um in Regierungsverantwortung zu kommen, hätte die AfD sich sehr viel deutlicher als koalitionsfähig profilieren müssen. Gucken Sie doch mal auf die Fakten: Die AfD ist eine sehr unbeliebte Partei in Deutschland. Selbst in den östlichen Bundesländern sagen mehr als 60 Prozent, dass sie die AfD niemals wählen würden."
Das ist aus Sicht der afd ein Erfolg.
Das Verschieben von Tabus, die Alltäglichkeit des Unsagbaren und die offene Hetze prägen Politik und Gesellschaft. Längst nicht mehr nur aus der afd heraus.
Für die Zukunft können wir nur hoffen, dass derart schwere Krisen ausbleiben, die die afd für eine Masse wählbar machen würde. union und fdp haben in Thüringen bereits bewiesen, dass sie bereit sind mit der afd zu taktieren. Die Brandmauer gegenüber den Nazis scheint noch einigermaßen stabil, wenn auch mitunter sehr porös.
Höchste Wachsamkeit sowie vor allem keine Gewöhnung, keine Relativierung und keine Unterschätzung bezüglich der afd muss primäres Ziel von Politik, Gesellschaft und Mensch sein.