In der vergangenen Woche sorgte eine "SternTV"-Ausgabe zum Thema "Detransition" für teilweise erhitzte Reaktionen bei Trans-Unterstützer*innen. Der Grund: Die beiden eingeladenen Gästinnen Sabeth Blank und die ebenfalls detransitionierte Nele treten als "Detrans"-Aktivistinnen auf und machen im Sinne der "Gender Critical"-Bewegung Stimmung. Auch in der Talkshow forderte Blank die Einschränkung medizinischer Selbstbestimmungsrechte von trans Personen.
Wussten die Macher*innen, wen sie eingeladen hatten? Zumindest hatten Äußerungen des Moderators Steffen Hallaschka den Eindruck erweckt, dass ihm die grundsätzlich transfeindliche Positionierung etwa von Blank nicht bekannt gewesen war. Doch nach queer.de-Informationen ist die Sache anders gelagert.
Nicht nur wurden die Verantwortlichen ausführlich zum Thema beraten. Auch Backgroundchecks der Gästinnen fanden statt. Trotzdem entschied man sich nicht dafür, eine detransitionierte Person einzuladen, die solidarisch gegenüber transgeschlechtlichen Menschen und ihrem Kampf um Rechte eingestellt ist. Oder, anders gesagt: "SternTV" entschied sich bewusst für die problematischen Akteurinnen.
Keine Verunsicherung säen?
Dabei hatte Hallaschka in der Show noch betont, dass es nicht das Anliegen sei, Verunsicherung zu säen. Vielleicht schauten ja auch junge Menschen zu, die sich ihrer transgeschlechtlichen Identität noch unsicher seien, begründete er die angebrachte Vorsicht.
Und: Mit der Präsentation ihrer persönlichen "Detrans"-Geschichte müsse sich doch, so Hallaschka in der live aufgezeichneten Show, für Sabeth Blank ein Dilemma ergeben. Diese wolle doch sicher nicht den "Falschen" Argumente liefern – Leuten nämlich, die Transgeschlechtlichkeit ohnehin für eine Spinnerei hielten. Doch für eine solche Unterhaltung sind die beiden Gästinnen die Falschen.
Wie ernst waren Hallaschkas Bemühungen um Abgrenzung von transfeindlicher Agitation gemeint? queer.de fragte bei der "SternTV"-Redaktion an und bekam Antwort. Danach gefragt, ob bekannt war, dass es sich bei Sabeth Blank um eine bekannte Protagonistin der "Gender Critical"-Bewegung handelt, hieß es: "SternTV sind entsprechende Darstellungen, wie sie sich in Social Media und u.a. in Artikeln auf queer.de finden, bekannt."
Weil es sich bei der Sendung um ein journalistisches Format handele, seien Gäst*innen "recherchiert" worden, ließ ein Sprecher zudem auf die Frage hin wissen, ob ein Backgroundcheck der Beiden stattgefunden habe. Und: Auf die Frage, ob die Redaktion im Nachhinein glaube, dass die Einladung der Intention der Sendung widersprochen hat, keine Verunsicherung zu säen und den "Falschen" keine Argumente zu liefern, lautet die Antwort: "Nein."
Eine Anfrage zur zweiten Protagonistin Nele wurde nicht beantwortet. Auf die Frage, ob ihre problematischen Äußerungen bekannt waren, hieß es nämlich: "Die Frage ist leider zu unkonkret, um sie sinnvoll beantworten zu können." Anders ausgedrückt: Was soll hier bitte "problematisch" sein?
Solidarische "Detrans"-Person sei "zu intellektuell" gewesen
Jenny Wilken arbeitet bei der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität. Gegenüber queer.de erzählt sie, dass sie eine Mitarbeiterin der "SternTV"-Redaktion im Vorhinein beraten hatte. Unter anderem seien ausführliche Mails auch mit Studienmaterialien ausgetauscht und über eine Stunde telefoniert worden.
Doch am Ende blieb Wilkens Einfluss wohl mehr als begrenzt. Über eine detransitionierte Frau etwa, die mit transgeschlechtlichen Menschen solidarisch ist und schon mehrfach bereit war, ihre persönliche Geschichte in der Medienöffentlichkeit zu teilen, habe es demnach geheißen: "zu intellektuell".
Wilken findet es gut, dass das Thema Präsenz bekommen hat – und, mit Blick auf Sabeth Blank und Nele, dass "die Beiden den Mut haben, darüber öffentlich zu sprechen". Schade findet sie es aber, dass "nur ein bestimmtes Narrativ gezeigt und nicht erwähnt worden ist, dass die Mehrheit der detransitionierenden Personen aus ganz anderen Gründen detransitionieren". Gründe, die Wilken aufzählt: sozialer Druck, Mobbing, Gewalterfahrungen.
"Die Gewalt gegen trans Personen ist irre hoch. Das zeigen etwa das Berliner LSBTI-Monitoring und auch Studien dazu", so Wilken. "Diese detransitionierten Personen kommen aber im Diskurs nicht vor, etwa, weil sie schwere Traumata erlitten haben. Aber eigentlich müssten sie in einer solchen Debatte Gehör finden."
Das Fehlen dieser Kontextualisierung kritisiert sie. Man hätte "zumindest redaktionell mit einem Beitrag darauf hinweisen können". Dass diese für eine gute Sendung so wichtigen Kontexte bekannt waren, weiß Wilken. Sie selber habe sie ja erklärt und das mit entsprechendem Studienmaterial untermauert.
Außerdem irritiert sie, dass der in der Show ebenfalls anwesende Endokrinologe Dr. Achim Wüsthof die Sorge aufbrachte, wonach es bei jungen transmännlichen Personen zuletzt so stark ansteigende Zahlen geben würde. Auch hatte Wüsthof davon gesprochen, dass es sich bei dem Trans-Thema um eines "in Mode" handele.
"Ja, die Zahlen steigen", meint Wilken dazu, "aber sie tun dies nicht übermäßig viel." Das sehe man auch in großen Studien, etwa der Gallup-Studie: "Es gibt keine explosionsartige Entwicklung. Ein Trend oder eine 'Mode', wie Dr. Achim Wüsthof das genannt hat, ist so nicht erkennbar."
Sabeth Blank gehört zu den umtriebigsten Stimmen der deutschsprachigen "Gender Critical"-Bewegung, war Administratorin der deutschen Gründungsgruppe der in vielen Staaten als Hassgruppe geltenden "LGB Alliance" (queer.de berichtete) und setzt auf ihrem Twitter-Account eine Vielzahl transfeindlicher Tweets und Retweets ab.
Die ebenfalls detransitionierte Nele stimmte in einem Interview mit der "Emma" etwa in transfeindliches Geraune mit ein, wonach sich Mädchen nicht mehr als lesbisch bezeichneten, um nicht als transphob zu gelten. Lesbischsein würde ja bedeuten, so eine andere detransitionierte Frau, "dass man auf biologische Frauen steht" und nicht auf Frauen mit Penis. Das aber dürfe man nicht mehr. Auch Nele habe sich daher als "queer" und "pansexuell" bezeichnet.
Der angebliche Druck transgeschlechtlicher Frauen auf cisgeschlechtliche Lesben, mit ihnen zu schlafen, ist ein bekannter Talking Point der "Gender Critical"-Bewegung.
Gäste werden da so eingeladen, dass die Quote stimmt. Und so sieht dann auch die Bearbeitung des Themas aus.
Im linearen TV gibt es ja auch kein wirkliche Auseinandersetzung mit der queeren Kultur, da wird nur übertrieben gegendert, Männerschminkshows gezeigt und mal eine Transperson als Attraktion durch Manege geführt.
Wie Peter Lustig früher richtig sagte: ABSCHALTEN
Allerdings werden davon die Probleme auch nicht weniger.
Ich hab vermutlich resigniert.