Am Donnerstagnachmittag stellt sich der AfD-Abgeordnete Stephan Brandner im Bundestag der Wahl zum Stellvertreter des Bundestagspräsidenten. Der 56-jährige Rechtsanwalt war von seiner Fraktion für das Amt nominiert worden (PDF). Sollte er gewählt werden, wäre er einer von sechs Stellvertreter*innen von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD).
Dass der zum völkisch-nationalistischen Flügel seiner Partei gehörende Brandner eine Mehrheit der Abgeordneten erhält, gilt als praktisch ausgeschlossen: Zuletzt scheiterte die AfD-Fraktion am 19. Januar mit ihrem Kandidaten Gerold Otten. In geheimer Wahl stimmten 571 Abgeordnete gegen den ehemaligen Berufssoldaten. 99 Abgeordnete votierten für ihn, 20 enthielten sich ihrer Stimme. Der Hintergrund: Zwar steht laut Geschäftsordnung des Bundestags jeder Fraktion ein Stellvertreterposten zu – allerdings muss die Partei auch eine Person finden, die mehrheitsfähig ist. Die AfD scheiterte im März 2022 vor dem Bundesverfassungsgericht mit einer Klage, mit dem sie ihren Einzug ins Bundestagspräsidium erzwingen wollte.
Bereits mehrfach hatte die AfD Kandidat*innen für das Präsidium präsentiert, die teilweise als etwas gemäßigter gelten. Damit wollten sie die demokratischen Parteien unter Druck setzen. Diesen Vorwand gab die Fraktion inzwischen auf: Brandner gilt als Rechtsextremist, der immer wieder mit Provokationen auf sich aufmerksam macht. Dabei macht er auch gerne Stimmung gegen queere Menschen. So bezeichnete er letztes Jahr Regenbogenflaggen als "Propagandafähnchen" (queer.de berichtete). Er war in der letzten Legislaturperiode auch die treibende Kraft hinter einem Gesetzentwurf, mit dem die AfD Homosexuellen das Recht auf Eheschließung wieder entziehen wollte (queer.de berichtete).
Der Bundestag hat bereits einschlägige Erfahrungen mit Brandner gemacht: So war er nach seinem Parlamentseinzug 2017 zum Vorsitzenden des Rechtsausschusses gewählt worden. Die Chefposten in den Ausschüssen stehen den Fraktionen nach Proporz zu. 2019 kam es aber zu einem seltenen Eklat: Brandner wurde nach einer antisemitischen Äußerung abgewählt (queer.de berichtete). (dk)