Die 1960er Jahre im ländlichen, abgeschiedenen Nordalbanien: Es ist die Zeit des sozialistischen Diktators Enver Hoxha, aber auch des Brautpreises und der Blutrache. In dieser zutiefst traditionellen Umgebung fällt die junge Frau Luana (Rina Krasniqi) besonders auf, denn sie ist willensstark und wissbegierig. Sie will nicht wie die anderen Frauen zur bloßen Verhandlungsmasse gemacht werden.
Doch sie hat keine Wahl. "Wir sind stolze und sture Menschen", sagt ihr Vater – ein Satz, der die Gesellschaft perfekt beschreibt. Ihre Jugendliebe Agim muss sie verleugnen, da sie längst Flamur Fiku versprochen wurde. Eine arrangierte Ehe, wie sie zu der Zeit die Regel in der Gebirgsregion ist. Doch ihrem Verlobten ist Luana zu aufmüpfig, zu rebellisch. Kurz vor der Hochzeit zweifelt er an ihrer Jungfräulichkeit – die wurde ihm schließlich zugesichert. Flamur Fiku vergeht sich an Luana, ihr Vater bekommt das mit, es kommt zur Auseinandersetzung, in der Flamur Fiku schließlich seinen Fast-Schwiegervater tötet.
Atemberaubende Natur als Hauptrolle
Poster zum Film: "Luanas Schwur" startet am 9. Februar 2023 bundesweit im Kino
Die Tragödie bringt Luana zu einer alles verändernden Entscheidung: Sie beschließt, fortan als sogenannte Schwurjungfrau, als Burrnesha, zu leben. Sie muss auf Ehe und Kinder – also auch auf ihre Jugendliebe – verzichten und nimmt dafür die Stellung ihres verstorbenen Vaters ein. Die junge Frau wird Familienoberhaupt und kann als solches den Vater rächen.
Es ist eine komplexe und räumlich wie zeitlich weit entfernte Gesellschaft, die der albanische Regisseur Bujar Alimani in "Luanas Schwur" portraitiert. Die Identifikation mit den Figuren fällt entsprechend schwer. Alimani lässt sich zu Beginn seines Dramas viel Zeit, Luanas Familie und deren Alltag zu zeigen. Die grandios in Szene gesetzte, atemberaubende und unberührte Natur seiner Heimat übernimmt hier zunächst die Hauptrolle.
So fällt es relativ schwer, in der eigentlichen Story anzukommen. Das Drehbuch verliert sich in uneindeutigen Nebenstorys, während der spannendste Teil allein im letzten Viertel des Films stattfindet: Luanas Schwur und ihre Mann-Werdung nehmen zu wenig Raum ein.
Preis für beste weibliche und männliche Hauptrolle
Luana wil fortan Jack genannt werden (Bild: Roland-Guido Marx / Elsani & Neary Media GmbH)
Es gibt eine Vielzahl an ethnologischen Untersuchungen zum Gender-Phänomen der Burrnesha. Wie genau sich die Tradition der Schwurjungfrauen mit modernen westlichen Konzepten und Begriffen beschreiben lässt, ist umstritten. Zwar verhalten sich die Burrneshas weitgehend wie Männer, die Identifikation unterscheidet sich jedoch deutlich.
So sagt auch Luana, dass sie fortan Jack genannt werden will. Nach ihrem Schwur trägt sie einen Dreiteiler, schneidet sich die Haare ab, ihre Mutter hilft ihr, sich die Brust abzubinden. Wie es Luana wirklich geht, wie sie in ihrer neuen Rolle ankommt, wie ihr Umfeld darauf reagiert – all das zeigt das Drama jedoch nur in Facetten.
Schwurjungfrauen fordern nicht nur seit Jahrzehnten westliche Vorstellungen von Gender und Geschlechterrollen heraus, ihre Darstellung vermag bis heute zu Diskussionen führen. So erhielt Hauptdarstellerin Rina Krasniqi beim Filmfestival von Prishtina im Kososvo im September 2022 die Preise für die beste Darstellung einer weiblichen und einer männlichen Hauptrolle – was dort eine Debatte über Geschlechterverhältnisse auslöste.
Infos zum Film
Luanas Schwur. Drama. Albanien, Belgien, Deutschland, Kosovo 2021. Regie: Bujar Alimani. Cast: Rina Krasniqi, Shkurte Sylejmani, Gresa Pallask. Laufzeit: 120 Minuten. Sprache: deutsche Synchronfassung. FSK 16. Verleih: splendid film. Kinostart: 9. Februar 2023
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