Der spanische Senat hat am Mittwochabend einem umfassenden Gesetz für queere Rechte zugestimmt. Es enthält unter anderem ein Verbot der "Heilung" von queeren Menschen und verbesserten Zugang für queere Singles zu künstlicher Befruchtung. Herzstück ist jedoch das Selbstbestimmungsgesetz, mit dem trans Menschen nicht mehr pathologisiert werden sollen, sondern ihren Geschlechtseintrag künftig frei wählen dürfen.
144 Senator*innen stimmten dafür, 108 dagegen, es gab zwei Enthaltungen. Die spanische Gleichstellungsministerin Irene Montero von der Linkspartei Podemos begrüßte die Verabschiedung und erklärte, bei dem Entwurf handle es sich um "eines der wichtigsten Gesetze dieser Legislaturperiode".
Bereits kurz vor Weihnachten hatte das Abgeordnetenhaus den Gesetzentwurf mit 188 zu 150 Stimmen bei sieben Enthaltungen passieren lassen (queer.de berichtete). Dafür sprachen sich die – zuletzt in mehreren Fragen zerstrittenen – Regierungsparteien aus sozialdemokratischer PSOE und linker Podemos aus. Dagegen kämpften vor allem die konservative PP und die rechtspopulistische Partei Vox.
Das Gesetz muss nun noch einmal vom Abgeordnetenhaus verabschiedet werden, um in Kraft treten zu können, da der Senat einige eher technische Änderungen am ersten Entwurf durchgeführt hat. Eine rasche Verabschiedung gilt aber als sicher.
Selbstbestimmung ab 16 Jahren
Die neue Regelung ermöglicht es trans Personen ab 16 Jahren, ihr rechtlich anerkanntes Geschlecht und ihren Vornamen selbstbestimmt zu ändern. Für die Änderung des Eintrags auf dem Personalausweis und weiteren Dokumenten entfällt die bisherige Notwendigkeit einer medizinischen Diagnose oder des Beginns einer Hormontherapie.
Auch die Geschlechtsidentität jüngerer trans Jugendlicher und Kinder wird in bestimmten Lebensbereichen anerkannt. Bei Jugendlichen im Alter von 14 und 15 Jahren müssen die Eltern zustimmen, bei Kindern zwischen zwölf und 13 Jahren entscheidet ein Gericht. Trans Kinder müssen zudem in Schulen mit ihrem gewählten Vornamen angesprochen werden, auch wenn sie jünger als zwölf Jahre alt sind.
Die Gesetzesinitiative hatte zu aggressiven Auseinandersetzungen zwischen der Regierung und der rechten Opposition geführt. PP und Vox erklärten, das Gesetz werde Kindern "irreparablen Schaden" zufügen und Frauen gefährden. Ähnliche Widerstände gibt es auch bei der aktuellen Debatte um das Selbstbestimmungsgesetz in Deutschland. Auch hierzulande behaupten Konservative etwa, Selbstbestimmung würde dazu führen, dass es plötzlich mehr trans Menschen gebe – von einer "Trans-Mode" spricht etwa die bayerische Sozialministerin (queer.de berichtete).
Rechte "gefangen in der Vergangenheit"
Regierungsvertreter*innen warfen der rechten Opposition vor, in einer anderen Zeit zu leben: "Meine Herren der PP, Sie sind in der Vergangenheit gefangen. Sie sprechen sich immer gegen mehr Rechte für die Bürger aus", erklärte Senator Francisco Díaz Muñoz (PSOE). Er erinnerte die Partei daran, dass sie bereits bei der Debatte um die Ehe für alle die Zeichen der Zeit nicht erkannt habe. Die Ehe war 2005 durch eine PSOE-Regierung für Schwule und Lesben geöffnet worden – damals gegen den erbitterten Widerstand der Konservativen und der Kirche (queer.de berichtete). Als die PP 2011 aber die Regierung übernahm, tastete sie das Gesetz nicht an. "Sie werden sehen, dass wenn Sie wieder regieren werden – falls Sie wieder regieren werden – Sie nichts zurücknehmen werden", so Díaz Muñoz.
In Spanien gab auch etwas Widerstand in der feministischen Bewegung und innerhalb der sozialdemokratischen Regierungspartei. Hier wurde vor allem gemutmaßt, dass trans Frauen in Frauen-Schutzzonen eindringen, um dort "echte" Frauen zu belästigen. Zu den Gegnerinnen gehörte etwa die frühere Vizeministerpräsidentin und Gleichstellungsministerin Carmen Calvo. Sie wurde erst am Mittwoch von ihrer Partei zu einer Geldstrafe von 600 Euro verurteilt, weil die Abgeordnete im Dezember bei der Abstimmung über das Selbstbestimmungsgesetz mit PP und Vox gegen die Fraktionslinie gestimmt hatte.
Das Gesetz umfasst weitere Punkte, die jedoch in der Öffentlichkeit nur am Rande behandelt wurden, insbesondere ein Verbot sogenannter "Konversionsbehandlungen". Es sieht landesweit Geldstrafen bis zu 150.000 Euro bei Verstößen vor und ergänzt entsprechende Regelungen aus neun von 17 Regionen.
Wie bisher lesbische Paaren sollen laut dem Gesetz auch queere Singles teilweise Zugang zu Techniken künstlicher Befruchtung erhalten. Zu trans Personen soll es eine aktive Inklusions-Strategie in den Bereichen Arbeit, Erziehung und soziales Wohnen geben. Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitenden müssen ein Antidiskriminierungskonzept erstellen. Der Staat darf zudem niemanden, der LGBTI-Feindlichkeit fördert, finanziell unterstützen. Das Recht auf gleichgeschlechtliche Ehe und auf Änderung des staatlich anerkannten Geschlechts soll zudem mehr Ausländer*innen und Migrant*innen geöffnet werden. (dk)