CDU-Wahlkämpfer warben im Regenbogenkiez auch um queere Stimmen (Bild: LSU Tempelhof-Schöneberg)
Bei der Berliner Abgeordnetenhauswahl sind am Sonntag erneut mehrere queere Kandidat*innen ins Parlament gewählt worden. Den Wiedereinzug über die Landesliste schaffte etwa Mathias Schulz, der queerpolitische Sprecher der SPD-Fraktion. Auch Linken-Spitzenkandidat und Kultursenator Klaus Lederer ist erneut im Parlament vertreten. Über ihre Listenplätze zogen zudem Werner Graf und Daniel Wesener (beide Grüne) sowie Carsten Schatz (Linke) erneut ins Abgeordnetenhaus ein.
Wie schon 2021 verpassten die Linken-Politiker*innen Hakan Taş (Landesliste Platz 24) und Dragqueen Gloria Viagra (Landesliste Platz 34) den Einzug ins Stadtparlament. Der schwule AfD-Politiker Frank-Christian Hansel darf sich ebenfalls über den Wiedereinzug freuen; für den gesundheitspolitischen Sprecher der AfD-Fraktion, der auch schon mal Interviews im russischen Propagandasender RT gibt, sind LGBTI-Rechte allerdings "Luxusprobleme".
Sebastian Walter, der grüne Sprecher für Queer-, Diversitätspolitik und Haushalt, schaffte sogar erneut, direkt gewählt zu werden: Er konnte seinen Wahlkreis Tempelhof-Schöneberg 1 mit weitem Abstand vor der CDU-Bewerberin Katharina Senge gewinnen. Walter erreichte 31,2 Prozent, Senge kam auf 21,0 Prozent.
Großer Erfolg auch für den schwulen CDU-Politiker Stefan Evers: Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion und CDU-Generalsekretär konnte der SPD das Direktmandat im Wahlkreis Treptow-Köpenick 3 abnehmen – und das sogar mit einem Erdrutschsieg: Evers erreichte 32,7 Prozent der Erststimmen (+14,9), seine SPD-Konkurrentin Ellen Haußdörfer schaffte es nur auf 19,0 Prozent (-3,9).
Der engagierte Sozialdemokrat Tom Schreiber, der frühere queerpolitische Sprecher seiner Fraktion, flog dagegen wegen des Abwärtssogs seiner Partei nach 17 Jahren aus dem Abgeordnetenhaus raus. 2021 hatte er seinen Wahlkreis Treptow-Köpenick 5 noch mit einem Vorsprung von rund neun Prozentpunkten gegen CDU-Bewerber Martin Sattelkau gewinnen können – bei dieser Wahl lag er aber neun Prozent hinter Sattelkau.
CSD-Gegner gewinnt Direktmandat
Auch Queerfeind*innen wurden erneut ins Parlament gewählt. So gewann der AfD-Politiker Gunnar Lindemann wie schon 2021 im Wahlkreis Marzahn-Hellersdorf 1 sein Direktmandat – dieses Mal sehr komfortabel. Vor knapp 18 Monaten hatte der 52-Jährige mit 22,7 Prozent nur 0,4 Prozentpunkte Vorsprung vor SPD-Kandidat Gordon Lemm. Jetzt erreichte Lindemann 28,0 Prozent – und lag damit weit vor der CDU-Kandidatin Medina Schaubert (22,0 Prozent), dem Linkspolitiker Björn Tielebein (18,3 Prozent) und Lemm (17,3 Prozent). Lindemann hatte unter anderem mit seiner Kampagne gegen den CSD Marzahn für Aufregung gesorgt (queer.de berichtete).
Gunnar Lindemann regt sich gerne auf, wenn queere Menschen für ihre Rechte demonstrieren (Bild: Schreenshot Youtube)
Einen Achtungserfolg gab es derweil auf Bezirksebene für den offen schwulen CDU-Bezirksbürgermeisterkandidaten Matthias Steuckardt, der im Regenbogenkiez eine Kampagne um queere Stimmen durchgeführt hatte (queer.de berichtete). Seine Partei brachte es bei der Wahl zum Bezirksparlament auf 30,8 Prozent (+7,2 Prozent). Die Grünen von Bezirksbürgermeister Jörn Oltmann kamen auf 23,7 Prozent (+0,1 Prozent), die SPD auf 19,7 Prozent (-3,3 Prozent). Linke, AfD und FDP liegen zwischen acht und vier Prozent. Allerdings bedeutet dieses Ergebnis nicht automatisch, dass Steuckardt Bezirksbürgermeister wird, da er eine Mehrheit im Parlament braucht – dort verfügen aber Rot-Grün-Rot künftig über 31 der 55 Sitze, CDU und FDP haben nur 21.
Wer wird Berlin die nächsten Jahre regieren?
Die Wahl zum Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksparlamenten musste wegen Wahlfehlern im September 2021 wiederholt werden – mit den gleichen Kandidat*innen wie vor anderthalb Jahren. Bei der Wiederholung wurde die rot-grün-rote Regierung abgestraft, konnte aber ihre Mehrheit verteidigen. Die SPD konnte sich mit nur 105 Stimmen Vorsprung vor den Grünen platzieren. Die CDU schaffte es erstmals in diesem Jahrhundert wieder auf den ersten Platz und reklamiert die Regierungsbildung für sich. Allerdings muss sie dafür einen Partner der alten Koalition auf ihre Seite ziehen, was angesichts des aggressiven Wahlkampfs als Herausforderung gilt. Die FDP – der einzige Partner, der eine Koalition mit der CDU anstrebte, flog dagegen aus dem Parlament. Nun werden die Sondierungsgespräche unter den demokratischen Parteien mit Spannung erwartet.
Die Zahlen im einzelnen: Die CDU erreichte 28,2 Prozent (+10,2), die SPD kam auf 18,399 Prozent (-3,0), die Grünen auf 18,392 Prozent (-0,5), die Linke auf 12,2 Prozent (-1,9), die AfD auf 9,1 Prozent (+1,1) und die FDP auf 4,6 Prozent (-2,5). Bei den Splitterparteien waren die Tierschutzpartei (2,4 Prozent), Die Partei (1,4 Prozent) und Volt (0,9 Prozent) am stärksten, verpassten aber die Fünfprozenthürde deutlich. Die einst im Parlament vertretenen Piraten stürzten auf 0,3 Prozent ab. (dk)
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