Schottlands Regierungschefin Nicola Sturgeon gilt – anders als die ständig wechselnden Premierminister*innen in London – als sehr LGBTI-freundlich (Bild: Scottish Government)
Nach acht Jahren nimmt eine der queerfreundlichsten Politiker*innen auf den britischen Inseln ihren Hut: Nicola Sturgeon hat am Mittwoch ihren Rücktritt als Regierungschefin der britischen Provinz Schottland angekündigt. Die 52-Jährige hatte das Amt 2014 übernommen, nachdem die Bevölkerung in einem Volksentscheid knapp die Unabhängigkeit vom Vereinigten Königreich abgelehnt hatte.
"In meinem Kopf und in meinem Herzen weiß ich, dass dies der richtige Zeitpunkt ist", sagte die in vielen Fragen linksliberale Politikerin bei einer Pressekonferenz in Edinburgh. Es sei das "Privileg ihres Lebens gewesen", Schottland als "First Minister" zu dienen. Sie habe nun aber nicht genug Kraft, um den Job erledigen zu können.
Sturgeons Selbstbestimmungsgesetz von London gestoppt
Zuletzt stand sie wegen ihrer Unterstützung des Selbstbestimmungsgesetzes für trans Menschen vermehrt in der Kritik. Das schottische Parlament hatte das Gesetz zwar kurz vor Weihnachten verabschiedet (queer.de berichtete). Mitte Januar kündigte die konservative Zentralregierung in London aber ihr Veto an (queer.de berichtete). Dabei handelte es sich um das erste Veto, seitdem Schottland kurz vor dem Jahrtausendwechsel eine begrenzte Selbstbestimmung erhalten hatte.
Über das Gesetz war teils sehr polemisch in Großbritannien debattiert worden. Die transphobe Star-Autorin J.K. Rowling bezeichnete Sturgeon deshalb etwa als "Zerstörerin von Frauenrechten" (queer.de berichtete).
Sturgeon wies in der Pressekonferenz aber Vermutungen zurück, dass sie wegen des Scheiterns des Selbstbestimmungsgesetzes ihr Amt aufgeben werde. "Nein, das war nicht der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat." Sie habe in ihren vielen Jahren in der Politik schon vor vielen Problemen gestanden.
Sturgeon kam auch in ihrem Bestreben nach Unabhängigkeit für Schottland nicht weiter. Das oberste britische Gericht verweigerte ihr im November 2022 das Recht, über eine Unabhängigkeit erneut abstimmen zu lassen. Sturgeon hatte argumentiert, dass der EU-Austritt Anlass für ein neues Referendum sein sollte. Sie verwies darauf, dass rund zwei Drittel der schottischen Bevölkerung beim Brexit-Referendum 2016 in der EU bleiben wollten, aber von der englischen Bevölkerung praktisch dazu genötigt worden seien. Sturgeons Partei SNP gilt – anders als die Konservativen von Premierminister Rishi Sunak – als sehr europafreundlich.
Noch ist unklar, wann Sturgeon ihr Amt aufgeben wird. Es müsse zunächst ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin gefunden werden. (dk)