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Interview

Sind Queers anfälliger für psychische Probleme, Lukas Röder?

Auf der Berlinale feiert das Drama "Langer langer Kuss" von Lukas Röder in der Reihe "Perspektive Deutsches Kino" seine Weltpremiere. Wir sprachen mit dem jungen Regisseur über seinen außergewöhnlichen Film.


Szene aus "Langer langer Kuss" (Bild: Berlinale)

Vor zwei Jahren gewann der 1993 in Starnberg geborene Lukas Röder für seinen Film "Gehirntattoo" bei den Hofer Filmtagen den "Hofer Goldpreis". Nun präsentiert der Student der Hochschule für Fernsehen auf der Berlinale in der Reihe "Perspektive Deutsches Kino" als mittellangen Film das Drama "Langer langer Kuss". Die Hauptfigur Aaron gehört nach der Trennung von seinem Partner in eine psychische Ausnahmesituation, die er alleine nicht mehr meistern kann.

Der junge Regisseur hat eigene Erfahrungen mit psychischen Krankheiten, worüber er offen spricht. So putzig der Titel, so rigoros präsentiert sich das sensible Drama. Neben Nils Thalmann in der Hauptrolle wird der Vater von Michael Zittel gespielt, den Telenovela-Fans als mürrischen Gärtner aus "Sturm der Liebe" kennen. Die Premiere von "Langer langer Kuss" findet am 21. Februar 2023 um 21 Uhr im Kino International statt. Ob und wann das Werk in die Kinos kommt, ist derzeit noch offen.

Wir haben uns vor der Premiere mit Lukas Röder über den Film unterhalten.


Regisseur Lukas Röder (Bild: Stella Deborah Traub)

Herr Röder, vor einer Weltpremiere sollte nichts verraten werden. Nur soviel: Nach der Trennung von seinem Partner gerät der junge Held Ihres Films "Langer langer Kuss" in eine psychische Ausnahmesituation. Muss sich das Publikum auf harten Tobak gefasst machen?

Es ist sicher ein härterer Film mit einem aufwühlenden Thema. Zugleich ist er emotional und bietet sehr intime, feine und ruhige Momente. Das Publikum sollte sich auf etwas Rigoroseres gefasst machen, aber das hat auch einen Sinn und Zweck.

Welchen Sinn und Zweck hat diese Zumutung für Sie?

Sinn und Zweck liegen darin, das Augenmerk auf das Thema zu richten. Es geht um Psychose und einen psychischen Ausnahmezustand. Wenn man darüber sprechen möchte, kommt man nicht darum herum, auch die harten Seiten der Thematik zu zeigen.

Sie selbst erzählen offen, in psychiatrischer Behandlung gewesen zu sein. War das der Auslöser, sich mit diesem Thema auch filmisch auseinanderzusetzen?

Vor fünfeinhalb Jahren litt ich zum ersten Mal an einer schweren Psychose und begab mich in eine Klinik. Seit dieser Zeit beschäftige ich mich filmisch viel mit diesem Thema, weil es mir ganz einfach am nächsten ist. Gerade am Anfang ist es sinnvoll, persönliche Filme zu machen, weil man sich da einfach sehr gut auskennt. Durch die eigene Erkrankung verfüge ich über einen gewissen Erfahrungsschatz und weiß, worüber ich spreche. Deswegen begann ich, darüber Filme zu machen. Weil mir auch die Debatte darüber sehr wichtig ist.

Tut Ihnen diese filmische Auseinandersetzung gut?

Total! Ich habe natürlich lange Psychotherapie gemacht. Und wie dort lernt man auch beim Filmemachen etwas über sich und seine Erkrankung. Das hat mir geholfen, allerdings ist es nicht die Motivation für mein Tun. Ich therapiere mich nicht mit meinen Filmen, aber man lernt dadurch einfach eine ganze Menge. Das hilft mir im Umgang mit meiner persönlichen Situation und der Krankheit, die ich hatte.

Nicht selten bestehen Unsicherheiten im Umgang mit Menschen, die psychisch labil sind. Was wäre Ihr Ratschlag?

Nach meiner Erfahrung braucht es diesen einen Menschen, der da ist, wenn man erkrankt. Weil es ganz schwierig ist, die ersten Schritte zu machen, in einer Klinik anzurufen und hinzugehen. Sich die Möglichkeit psychischer Probleme überhaupt einzugestehen, ist vielleicht das Schwierigste am Anfang. Deswegen benötigt man diese eine Person, die da ist. Die das alles mit erträgt. Die nicht wegläuft und die zuhört. Diesen einen Menschen wünsche ich wirklich jedem, egal ob es sich um Psychose, Schizophrenie oder Depression handelt. Zugleich weiß ich, wie enorm schwierig es für einen besten Freund oder Freundin sein kann, damit umzugehen.


Poster zum Film: "Langer langer Kuss" feiert seine Weltpremiere am 21. Februar 2023 auf der Berlinale

Wie autobiografisch ist dieses Drama einer Trennung?

Als ich meine Psychose erlebt hatte, war ich zwar auch sehr schwer verliebt. Viele meiner Symptome hatten sich auf dieses Verliebtsein bezogen. Aber diese Trennung im Film ist ausgedacht und frei erfunden. Bei diesem Film ist es eine Mischung. Eigene Erfahrungen werden mit der Fantasie angereichert und weiterentwickelt, um eine stimmige Geschichte zu finden.

Stimmt die These, wonach psychische Probleme unter queeren Menschen häufiger vorkommen?

Ich kann nur aus persönlicher Erfahrung sprechen. Ich bin Ende 20 und in meiner Generation gab es in der Jugend noch massives Mobbing, zum Beispiel in der Schule. Ich war in einer extrem homophoben Schule, wo ich zwangsgeoutet wurde, weil ich in meinen Klassenkameraden verliebt war. Ich hatte dann von einem Tag auf den anderen keine Freunde mehr. Das war alles furchtbar. Deswegen kann ich mir gut vorstellen, dass massive Diskriminierung oder Mobbing solche psychischen Erkrankungen begünstigt. Mittlerweile ist alles ein bisschen besser. Jugendliche von heute können sich zum Glück leichter outen als noch vor zehn Jahren.

So autoritär und empathielos der Vater im Film reagiert, scheint die sexuelle Orientierung von seinem Sohn Aaron kein Problem zu sein?

Unser Ziel war ein Film über psychische Erkrankungen und den Umgang damit zu machen. Das Schwulsein von Aaron stand in der Figurenentwicklung nicht so im Vordergrund. Ich erzähle gerne über schwule Figuren, einfach weil mir das sehr nahe ist. Aber bei diesem Film ist das nicht ins Zentrum gerückt. Aaron ist schwul und hat sich in einen Mann verliebt. Das Thema ist aber die psychische Erkrankung.

Der Vater wird von Michael Zittel gespielt, dem mürrischen Gärtner aus der Telenovela "Rote Rosen". Wie kam es zu dessen Besetzung?

Das war ein ganz normaler Casting-Prozess. Ich habe nach einem älteren Mann gesucht, der dieses Autoritäre, Aggressive ausstrahlt. Bei Michael Zittel hatte ich den Eindruck, dass ich diese autoritäre Figur mit ihm erarbeiten kann. Glücklicherweise hat er zugesagt. Wobei ich "Rote Rosen" tatsächlich nie gesehen habe!

Vieles wird im Film nur angedeutet. Steckt in diesem Kaleidoskop nicht genügend Stoff, um den mittellangen Film zu einer abendfüllenden Geschichte zu stricken?

Ich bin ja noch an der Filmhochschule, und das ist mein dritter Übungsfilm. Entsprechend gab es eine Begrenzung auf lediglich fünf Drehtage, womit man nur schwer einen abendfüllenden Spielfilm machen kann. Aktuell habe ich drei Langfilme in Vorbereitung, wovon ich einen im April drehen möchten. Darin geht es um häusliche Gewalt und sexuellen Missbrauch.

Wie kam es zu dem putzigen Titel "Langer Langer Kuss"?

Einfach aus dem Gedanken heraus, dass dieser Kuss nicht aufhört. Aaron hält sich an diesem Kuss fest, das wird zur Grundlage seiner Symptomatik. Die Nachwirkungen des Kusses halten an bis zum Ende des Films.

Ihr "Kuss" könnte an den jungen Werner Herzog oder Ozon erinnern. Welches sind Ihre Vorbilder?

Meine drei großen Vorbilder waren immer Ingmar Bergman, Lars von Trier und Rosa von Praunheim. Rosa ist zu einer Mentorfigur für mich geworden. Ich bewundere und liebe ihn sehr.

Wie geht es mit dem Kuss nach der Berlinale weiter? Wird er im Kino oder im Fernsehen zu sehen sein?

Dafür ist es noch zu früh. Warten wir ab, was auf der Berlinale passiert. Auf die Reaktionen des Publikums bin ich sehr gespannt…