Hauptmenü Accesskey 1 Hauptinhalt 2 Footer 3 Suche 4 Impressum 8 Kontakt 9 Startseite 0
Neu Presse TV-Tipps Termine
© Queer Communications GmbH
https://queer.de/?44745

Russland

Sorge um schwulen Flüchtling aus Tschetschenien

Idris Arsamikow war zur Beerdigung seines Vaters nach Russland zurückgekehrt, wurde am Donnerstag am Moskauer Flughafen verhaftet, offenbar nach Grosny überstellt und zu einem verstörenden Video gezwungen.


Arsamikow bei der Verhaftung (Bild: SK SOS)

  • 21. Februar 2023, 11:52h, noch kein Kommentar

Menschenrechtsorganisationen sorgen sich um den 28-jährigen tschetschenischen Schwulen Idris Arsamikow, der am letzten Donnerstag bei einem Ausreiseversuch am Flughafen Moskau-Domodedowo verhaftet und offenbar nach Tschetschenien überstellt wurde.

Nach Angaben von SK SOS, einer Unterstützungsorganisation für queere Menschen im Nordkaukasus, war Arsamikow 2017 von tschetschenischen Sicherheitskräften im Rahmen ihrer anti-queeren Verfolgungswelle festgenommen, gefoltert und zu einem "Geständnis" seiner Homosexualität gezwungen worden. Im Januar 2018 floh er mit Unterstützung von Nichtregierungsorganisationen in die Niederlande, wo er Asylstatus und Aufenthaltsrecht erhielt.

Mit Genehmigung der niederländischen Behörden kehrte Arsamikow im März 2022 zur Beerdigung seines Vaters nach Tschetschenien zurück, mit dem Ziel, das Land danach wieder zu verlassen – was durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und die daraus folgenden Sanktionen und Einschränkungen schwieriger wurde. Laut SK SOS wurde Arsamikow zudem aufgegriffen, dreimal festgenommen und erneut gefoltert. Dabei sei ihm unter anderem die Einreisegenehmigung in die Niederlande weggenommen worden. Nach einer Flucht nach Moskau versuchte er am Donnerstag im Beisein einer Anwältin auszureisen. Stattdessen filmte sie seine Festnahme.

Twitter / nexta_tv

Menschenrechtsorganisationen hatten immer wieder darauf verwiesen, dass alle Regionen Russlands für tschetschenische LGBTI nicht sicher seien – die Kräfte des regionalen Machthabers Ramsan Kadyrow sind in die landesweiten Polizei- und Justizsysteme eingebunden. Schlagzeilen machte etwa 2019 die regelrechte staatliche Verschleppung zweier queerer Teenager aus der russischen Großstadt Nischni Nowgorod nach Grosny, wo sie wegen angeblicher Unterstützung eines Terroristen verhaftet, angeklagt und verurteilt wurden (queer.de berichtete).

Verstörendes Video

So wurde auch Arsamikow am Donnerstag am Flughafen verhaftet und offenbar mit der Begründung eines angeblichen Strafverfahrens zu Betrug in größerem Ausmaß nach Grosny überstellt – NGOs und Anwälte sollen keinen Kontakt zu ihm haben. Am Donnerstagabend erschien allerdings ein Video Arsamikows, das offenbar unter Zwang entstand.

In dem Video, das queer.de nicht verbreitet, bestreitet Arsamikow seine Homosexualität und Verfolgung. Er beschuldigt Menschenrechtsorganisationen, seine Ehre und die Nation zu beleidigen, und fordert sie auf, ihn in Ruhe zu lassen. Er sei ein Mann und werde bald (eine Frau) heiraten. "Ich bin ein Patriot, wie meine beiden Brüder, die in der Ukraine dienen", so Arsamikow im Beisein seiner Mutter und eines Onkels, der laut SK SOS mit den Sicherheitskräften verbunden sei. Er plane, selbst in die Ukraine zu gehen, um die "Ehre der Nation zu verteidigen". Erzwungene Vorführvideos sind in Tschetschenien, wo Kadyrow mit Putins Duldung ein Klima der Rechtlosigkeit verbreitet, nicht selten.

Er sei "zutiefst besorgt über das Schicksal von Idris Arsamikow, der am Moskauer Flughafen Domodedowo festgenommen und an das Regime in Grosny ausgeliefert wurde", schrieb der niederländische Außenminister Wopke Hoekstra am letzten Freitag bei Twitter. "Die Niederlande fordern die russischen Behörden auf, seine Sicherheit zu garantieren und seine Menschenrechte zu wahren."

Twitter / WBHoekstra
Datenschutz-Einstellungen | Info / Hilfe

Anti-queere Verfolgung mit Duldung Putins

Anfang 2017 wurden in Tschetschenien über hundert Männer wegen vermuteter Homosexualität verschleppt und in außergesetzlichen Lagern neben weiteren Gefangenen gefoltert, einige von ihnen starben dabei (queer.de berichtete). Nach internationaler Empörung wurde das mutmaßliche Hauptinhaftierungslager in Argun geräumt, später kam es aber immer wieder zu lokaler Verfolgung, die auch vermutete Lesben oder trans Menschen umfasste (queer.de berichtete).

Obwohl immer neue Details und Beweise für die Verfolgung veröffentlicht wurden, verschleppten die zuständigen zentralen russischen Behörden alle Ermittlungen, während Putin und weitere Regierungsvertreter*innen die Taten einerseits abstritten und andererseits die eigene anti-queere Rhetorik und Gesetzgebung immer weiter verschärften. Europarat und OSZE hatten eigene Untersuchungen zu den Verfolgungen angestellt und in den letzten Jahren die russischen Behörden mehrfach aufgefordert, Hintergründe zu ermitteln, Verantwortliche zu bestrafen und das nicht nur gegenüber LGBTI herrschende "Klima der Rechtlosigkeit" in der Region zu beenden (queer.de berichtete). Im April 2021 stellten das russische LGBT Network und ein deutscher Verein Anzeige gegen mehrere mutmaßliche Verantwortliche der Taten bei der Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe (queer.de berichtete). (nb)