Das Volksverhetzungsverfahren gegen den evangelischen Pastor Olaf Latzel muss vor dem Landgericht Bremen neu aufgerollt werden. Das hat das Oberlandesgericht der Hansestadt am Donnerstag entschieden und damit einer Revision der Generalstaatsanwaltschaft stattgegeben. Die Anklage hatte argumentiert, das Landgericht habe nur lückenhaft festgestellt, wie sich die Dinge abgespielt hätten. Wie "buten un binnen" berichtete, demonstrierten 50 queere Aktivist*innen vor dem Gerichtsgebäude.
Das Verfahren geht auf eine queerfeindliche Tirade Latzels vom Oktober 2019 zurück. Damals hatte sich der Pastor der St.-Martini-Gemeinde in einer "Biblischen Fahrschule zur Ehe" vor etwa 30 heterosexuellen Paaren abwertend gegenüber Homosexuellen, trans Menschen und CSD-Besucher*innen geäußert. In dem Seminar, das der Pastor der Bremer St. Martinikirche auch auf seinem Youtube-Kanal veröffentlichte, nannte er Homosexualität unter anderem "todeswürdig" und eine "Degenerationsform von Gesellschaft". Die Anerkennung von trans Menschen zerstöre ferner "unsere gesamte Zivilisation und Kultur".
Der evangelikale Theologe warnte darüber hinaus vor einer "Homolobby": "Überall laufen die Verbrecher rum vom Christopher Street Day. Der ganze Genderdreck ist ein Angriff auf Gottes Schöpfungsordnung, ist teuflisch und satanisch" (queer.de berichtete). Die Staatsanwaltschaft Bremen ermittelte nach mehreren Anzeigen und klagte Latzel wegen Volksverhetzung an.
Erst Geldstrafe, dann Freispruch
In erster Instanz verurteilte das Amtsgericht Bremen Latzel im November 2020 zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen (8.100 Euro) verurteilt (queer.de berichtete). Im Berufungsprozess wurde der 55-Jährige im Mai 2022 jedoch vom Vorwurf der Volksverhetzung freigesprochen (queer.de berichtete). Für das Landgericht Bremen sind die Positionen des Pastors im Grundsatz von der Religions- und Meinungsfreiheit gedeckt.
Bei der Revisionsverhandlung wurden nicht noch einmal die tatsächlichen Umstände des Falles untersucht. vielmehr prüfte das Hanseatische Oberlandesgericht den Freispruch auf Rechtsfehler. Hätte es die Rechtsauffassung der Vorinstanz geteilt, wäre das Verfahren gegen den 55-Jährigen endgültig beendet gewesen. So geht es dreieinhalb Jahre nach der Tat in die nächste Runde – dieses Mal aber vor einer anderen Strafkammer des Landgerichts.
Grüne begrüßen Neuauflage des Prozesses
Die Landesarbeitsgemeinschaft Queer der Grünen hat die Entscheidung des Oberlandesgerichts begrüßt: "Es ist ein gutes Zeichen und stimmt uns hoffnungsvoll, dass das Gericht der Revision der Staatsanwaltschaft stattgegeben hat. Ein Freispruch Latzels hätte Hass und Hetze gegen queere Menschen im Namen der Religion legitimiert und so dazu beigetragen, ein gesellschaftliches Klima zu verstärken, in dem sich eben nicht alle Menschen sicher und frei bewegen können: Das darf nicht sein", erklärte der Verband. "Die Menschenwürde und der Schutz vor Diskriminierung dürfen nicht unter dem Deckmantel der Religions- und Meinungsfreiheit mit Füßen getreten werden."
Anhänger*innen des Hass-Pastors versuchten hingegen, seine Aussagen als Lappalie darzustellen. Auf Twitter erklärte etwa ein evangelikaler Christ: "Klimakleber wollen unsere Demokratie abschaffen, überall laufen Messerstecher rum, und Kindstötung soll legalisiert werden. Hat unsere Justiz nichts [Besseres] zu tun, als ich um zwei beleidigende Sätze zu kümmern, wie sie in jeder Bundestagsdebatte vorkommen?!"
(Bild: Twitter)
Latzel selbst äußert sich derzeit nicht zu der Angelegenheit. Die Bremische Evangelische Kirche (BEK) erklärte gegenüber der Deutschen Presse-Agentur, dass man das Urteil zur Kenntnis nehme. Eine Bewertung werde allerdings erst nach Abschluss des Verfahrens vorgenommen. (dk)