Ein Dreikampf wird entscheiden, wer künftig Schottland anführt: Nach dem Ende der Nominierungsfrist am Freitagmittag haben die Mitglieder der Schottischen Nationalpartei (SNP) die Wahl zwischen Finanzministerin Kate Forbes, Gesundheitsminister Humza Yousaf und die frühere Ministerin für Gemeinschaftssicherheit, Ash Regan. Die drei hatten ihren Hut in den Ring geworfen, um "First Minister", also Regierungschef*in Schottlands, zu werden.
Entscheiden werden die Mitglieder der Regierungspartei SNP in einer Urwahl. Grund für die Wahl ist der Rücktritt der bisherigen Regierungschefin Nicola Sturgeon. Die 52-Jährige hatte am am 15. Februar überraschend angekündigt, nach acht Jahren ihr Amt zur Verfügung zu stellen, weil sie nicht mehr genug Kraft für den Job habe (queer.de berichtete). Kurze Zeit zuvor ist das von ihr unterstützte Selbstbestimmungsgesetz von der Londoner Zentralregierung gestoppt worden (queer.de berichtete).
LGBTI-Aktivist*innen sind angesichts dieses Kandidierendenkreises besorgt: Die als Favoritin gehandelte Forbes gilt wegen ihres religiösen Glaubens als erbitterte Gegnerin von LGBTI-Rechten, Regan spricht sich zwar für Homosexuellen-, aber gegen Trans-Rechte aus. Nur Yousaf gilt seit Jahren als Unterstützer der Gleichbehandlung von queeren Menschen. Die Schottische Nationalpartei gilt eigentlich als queerfreundlich. Hauptanliegen der Partei, die vor dem Brexit im Europaparlament Teil der grünen Fraktion war, ist die Unabhängigkeit von London.
Forbes führt Umfrage an
Laut einer am Freitag veröffentlichten Umfrage unterstützt eine relative Mehrheit von 28 Prozent der SNP-Wähler*innen Forbes. Yousaf und Regan kommen nur auf je 20 Prozent. Zuvor war Yousaf als Favorit gehandelt worden. Fast ein Drittel der Befragten gab jedoch an, sich noch keine Meinung gebildet zu haben.
Forbes, eine 32-jährige evangelikale Christin, hatte erst vor wenigen Tagen erklärt, dass sie gegen die Gleichbehandlung von Schwulen und Lesben im Ehe-Recht gestimmt hätte, wenn sie bei der Abstimmung bereits Abgeordnete gewesen wäre. Dabei nannte sie als Vorbild Angela Merkel, die in Deutschland 2017 ebenfalls gegen die Ehe-Öffnung votiert hatte. Frobes betonte aber auch, dass sie nicht vorhabe, das Ehe-Verbot für gleichgeschlechtliche Paare wieder einführen zu wollen.
Zudem gilt Forbes als erbitterte Gegnerin von Trans-Rechten. So erklärte sie, eine trans Frau sei ein "biologischer Mann, der sich als Frau identifiziert". Sie war auch eine Gegnerin des Selbstbestimmungsgesetzes. Mit weiteren religiös motivierten Positionen eckt sie immer wieder an: So sorgte ihre Aussage, dass Sex vor der Ehe – und auch Kinderkriegen vor der Ehe – "falsch" sei, für Kopfschütteln. Allerdings wolle sie keine Gesetze gegen vorehelichen Sex erlassen, betonte die Politikerin.
Die 48-jährige Ash Regan lehnt ebenfalls Rechte für trans Menschen ab: Sie trat sogar im Oktober 2022 aus Protest gegen das Selbstbestimmungsgesetz von ihrem Ministeramt zurück. Sollte sie die Wahl gewinnen, würden trans Menschen keine Selbstbestimmung erhalten, stellte die Politikerin klar. Allerdings erklärte sie auch, dass sie keine Probleme mit der Ehe für alle habe.
Als queerfreundlich gilt dagegen mit dem 37-jährigen Humza Yousaf ein praktizierender Muslim: Der Politikwissenschaftler, der seit 2011 im schottischen Parlament sitzt, betonte in Interviews, er entscheide politische Fragen nicht nach seinem religiösen Glauben. Er hatte sowohl die Ehe für alle als auch das Selbstbestimmungsgesetz unterstützt. Yousaf gilt als enger Vertrauter Sturgeons.
Allerdings gab es auch an Yousaf Kritik, weil er 2014 bei der Abstimmung über die Ehe für alle fehlte. Der offen schwule Unterhaus-Abgeordnete Wes Streeting von der mit der SNP konkurrierenden Labour-Partei kritisierte Yousaf scharf: "Wo waren Sie, als der Kampf für Gleichberechtigung gekämpft und gewonnen wurde?" Yousaf verteidigte sich aber im britischen Sender ITV. Er sei damals schottischer Außenstaatssekretär gewesen und habe einen wichtigen Termin gehabt: "Ich war im pakistanischen Konsulat, weil einem schottischen Staatsbürger in Pakistan wegen Blasphemie die Todesstrafe gedroht hat", sagte er. In einer Vorabstimmung zur Ehe für alle hatte Yousaf mit "Ja" gestimmt.
Die Abstimmung unter Parteimitgliedern beginnt am 13. März. Das Ergebnis soll zwei Wochen später verkündet werden. Der Sieger oder die Siegerin wird mit dem Präferenzwahlsystem bestimmt – das bedeutet, dass die Wählenden die Kandiderenden an erste, zweite und dritte Stelle setzen können. Der Sieger oder die Siegerin muss dann eine Mehrheit erreichen; sollten die ersten Präferenzstimmen keine absolute Mehrheit ergeben, werden die zweiten Präferenzstimmen des oder der Letztplatzierten hinzugezählt. (dk)