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Berlinale

Sollte man den Ex-Lover in "Knochen und Namen" mitnehmen?

Für seinen queeren Film "Knochen und Namen" erhielt Fabian Stumm den Heiner-Carow-Preis zur Förderung der deutschen Filmkunst. Wir sprachen mit dem Drehbuchautor, Regisseur und Hauptdarsteller.


Knut Berger (li.) und Fabian Stumm (re.) spielen in "Knochen und Namen" ein schwules Paar, das sich nicht mehr viel zu sagen hat (Bild: Postofilm)

Zum zehnten Mal wurde auf der Berlinale der mit 5.000 Euro dotierte Heiner-Carow-Preis verliehen. Der Preis wird von der DEFA-Stiftung ausgelobt und an ein Talent der Sektion "Perspektive Deutsches Kino" verliehen, das mit seinen Fähigkeiten im jeweiligen Gewerk einen Dokumentar- oder Spielfilm der Sektion besonders geprägt hat. Ausgezeichnet wurde in diesem Jahr Fabian Stumm für das Drehbuch zu seinem Film "Knochen und Namen". Stumm ist zugleich sein eigener Regisseur, Hauptdarsteller und Produzent.

Im Mittelpunkt von "Knochen und Namen" steht ein schwules Paar, dessen Beziehung an einem Punkt angekommen ist, an dem es die gemeinsamen Abende auch getrennt verbringen könnte. "Das in mehrerlei Hinsicht doppelbödige Drehbuch besticht einerseits durch seinen Wortwitz, andererseits ermöglicht es oftmals eine Transparenz von Gefühlslagen der Figuren ohne Dialog, vermittelt nur über kleine Gesten, feine Mimik, wobei sich beides in einem ungeheuer präzisen Timing ausdrückt", lobte die Jury. "Politische Momente leben auf zwischen den Zeilen, unartikuliert, dennoch unübersehbar: So sind sexuelle Autonomie und multikulturelle Diversität mit einer Selbstverständlichkeit gesetzt, die keiner Diskussion von Heteronormativität bedürfen."

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Fabian Stumm, geboren 1981 in Koblenz, studierte Schauspiel am Lee Strasberg Theatre & Film Institute in New York. Auf der Bühne spielte er am HAU Berlin, den Münchner Kammerspielen, The Kitchen New York und Tate Modern London. Zu seinen Film- und TV-Arbeiten zählen der preisgekrönte "Lore" von Cate Shortland, "Ivie wie Ivie" von Sarah Blaßkiewitz sowie die für den Grimme Preis nominierte Jugendserie "Druck". 2020 gab er mit dem Kurzfilm "Bruxelles" sein Regiedebüt, in dem er neben Anneke Kim Sarnau in der Hauptrolle zu sehen war. 2021 folgte sein zweiter Film "Daniel", der 2022 auf dem Achtung Berlin Festival als bester mittellanger Film ausgezeichnet wurde.

Vor der Premiere von "Knochen und Namen" auf der Berlinale traf sich Dieter Oßwald mit Fabian Stumm zum Interview. Im Verleih von Salzgeber soll der Film im Herbst 2023 in die Kinos kommen.


Fabian Stumm mit dem Heiner-Carow-Preis 2023 (Bild: Daniel Seiffert / Berlinale)

Herr Stumm, nach Luca Guadagninos "Bones and All" nun der nächste queere "Knochen"-Film. Wird das zum Trend oder ist das bloßer Zufall?

Das ist totaler Zufall. Als ich das Drehbuch geschrieben habe, wusste ich vom Film von Luca Guadagnino gar nichts. Zum Glück lief der Film bei uns mit dem Original-Titel und kam nicht als "Knochen und alles" in die Kinos. Ähnlichkeiten bei Titeln passieren bisweilen einfach, das finde ich nicht weiter tragisch. Lustig war eine Verwechslung, als jemand von "Kochen und Namen" sprach – was ein bisschen wie eine Filmbiografie von Alfred Biolek klingt.

Was hat es mit Ihrem Titel auf sich?

Der Titel bezieht sich auf eine Szene im Film, in der ein Bestatter über seinen Arbeitsalltag erzählt. Auf die Frage, welchen Sarg er für sich selbst aussuchen würde, antwortet er: "Da habe ich keine Präferenzen. Am Ende sind wird doch alle nur Knochen und Namen. Da brauche ich keinen schönen Sarg.'"

Es gibt allerlei Referenzen und Spiegelungen im Film. Wie findet man die richtige Balance, damit das ganze nicht überkonstruiert und arg artifiziell wirkt?

Für mich findet sich diese Balance instinktiv. Beim Schnitt haben wir bewusst auf diese Gratwanderung geachtet, was für mich mit zur spannendsten Arbeit wurde. Mein Editor Kaspar Panizza hat zum Glück ein sehr gutes Auge und eine starke Haltung – er hat oft für ein "kill you darlings" gekämpft. Bei allen humorigen Momenten sollte das schließlich keine reine Komödie werden. Die Wehmut und Traurigkeit war mir sehr wichtig bei diesem Thema.

Was hat Sie bewogen, neben der Schauspiel-Karriere nun auch hinter der Kamera aktiv zu werden?

Für mich war das eine organische Entwicklung. Ich bin sehr gerne Schauspieler und möchte das auch weiterhin bleiben. Mit der Zeit habe ich aber gemerkt, dass ich Hunger auf eigene Stoffe bekam. Wie bei vielen Leuten hat auch bei mir diese Handbremse der Pandemie neue Gedanken ausgelöst und die Frage danach, was ich eigentlich wirklich will. Daher kam dann dieser Drang, eigene Sachen zu erzählen. Das nahm schnell Fahrt auf. Nach dem Preis für "Daniel" beim Achtung Berlin Festival gingen plötzlich einige Fenster auf, was mich für dieses sehr persönliche Projekt motivierte.

Wie biografisch ist diese Trennungsgeschichte?

Der Film an sich ist sehr autobiografisch. Wobei die Geschichte dieser beiden Männer nicht identisch mit meiner Story ist. Vielmehr steckt in beiden Figuren etwas von mir. Auch in allen anderen Nebenfiguren bin ich präsent. Ganz besonders identifiziere ich mich aber mit der kleinen Josie und ihren Erlebnissen. Zum Bespiel habe auch ich damals Apfel-Shampoo gestohlen und wurde erwischt.

Wie ist die Erfahrung, sich selbst zu inszenieren?

Für mich war diese Erfahrung sehr befreiend. Das habe ich bereits bei meinen Kurzfilmen so erlebt, und gerade weil dieser Boris als Figur nicht sehr weit von mir weg ist, ging das relativ einfach. Beim Spielen neigt man manchmal dazu, der Regie gefallen zu wollen. Diese Instanz fällt natürlich weg, wenn man sich selbst inszeniert. Umso mehr konnte ich mich beim Spielen auf mein Gegenüber bei den Szenen konzentrieren und mich sehr fallenlassen.

Der Film entstand ohne die üblichen Förder-Geld. Wie kommt es zu diesem Verzicht?

Meine Koproduzentin Nicola Heim und ich haben uns früh entschieden, den Film ohne Förderung mit eigenem Geld umzusetzen. Der Drang, die Geschichte zu erzählen, war zu groß, um monatelang auf finanzielle Unterstützung zu warten, also haben wir alles selbst gemacht. Wir konnten ein großartiges Team auf die Beine stellen, das sehr an den Film geglaubt und mit kleinen Gagen auf Rückstellung gearbeitet hat. Für die DNA von diesem Projekt war das sehr wichtig. Das ist natürlich nicht das Ideal und auf lange Sicht nicht tragbar. Trotzdem glaube ich, dass gute Stoffe nicht unbedingt riesige Budgets brauchen. Es wäre wichtig, wenn auch unabhängige, intimere Filmprojekte mehr Möglichkeiten in der Finanzierung bekämen.

Was wäre Ihr Ratschlag für Kinogänger? Soll man am besten seinen Ex in den Film mitnehmen?

(lacht) Das kommt ein bisschen darauf an, ob man die Beziehung behalten oder sie beenden möchte! Bei einer kleinen Testvorstellung wurde genau das im Anschluss zum größten Thema. Manche sagten: "Können die sich bitte einfach trennen! Das ist ja furchtbar." Jemand anderes, der seit zehn Jahren in seiner Beziehung hängt, meinte: "Das ist wirklich schön, dass die immer noch versuchen, nicht aufzugeben." Je nach dem, aus welcher Perspektive man in den Film geht, verändert sich der Blick. Wenn man offen ist für Diskussionen, ist "Knochen und Namen" auf jeden Fall der richtige Film!