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Beamtin vs. Land Berlin

Trans Frau scheitert mit Klage auf Kostenerstattung von Gesichtshaarentfernung

Was für Krankenkassen und ihre Versicherten gilt, gilt auch für Beamt*innen und ihre Dienstherren: Keine Übernahme der Kosten einer Nadelepilation bei Kosmetiker*innen.


Fraglich, ob die Anti-Diskriminierungs-Augenbinde funktioniert: Die Justitia vor der offiziellen Berlin-Flagge (Bild: IMAGO / Steinach)
  • 3. März 2023, 13:53h 9 3 Min.

Für die meisten transgeschlechtlichen Frauen bedeutet der Beginn der Transition auch den Beginn einer lästigen, ständigen Auseinandersetzung: Jeden Tag wächst die Gesichtsbehaarung nach und muss aufwendig rasiert werden. Zurück bleiben nicht nur Hautirritationen und Rasierpickel, sondern auch das, was vom verbleibenden Haar durch die Haut hindurch schimmert. Ähnliches gilt oft für transweibliche nichtbinäre Personen.

Wie schon viele Frauen vor ihr versuchte eine Berliner Beamtin, die Kosten für die permanente Entfernung der Haare übernehmen zu lassen. Der Unterschied: Sie beantragte die Kostenübernahme nicht bei einer Krankenkasse, sondern als Beihilfe beim Land Berlin. So weit, so gewöhnlich in Beamt*innenverhältnissen.

Keine Kostenübernahme bei Kosmetiker*innen

Keinen Unterschied aber machte das Land Berlin gegenüber der Umgangsweise von Krankenkassen mit ähnlichen Fällen. Denn es lehnte die Übernahme der bereits privat vorgestreckten, ersten Rechnungen ab. Die Begründung: Die Nadelepilation wurde bei einer Kosmetikmeisterin, nicht aber bei Ärzt*innen oder Heilpraktiker*innen durchgeführt. Das aber sehen die entsprechenden Regelungen vor – sowohl bei den Krankenkassen, als auch bei öffentlichen Träger*innen. Da nutzte es auch nichts, dass die Maßnahme von einem Arzt angeordnet worden war.

Nur: Es gibt kaum Ärzt*innen oder Heilpraktiker*innen, die das Verfahren selber durchführen. Die Beamtin jedenfalls gibt an, auch in Berlin und auch mit Unterstützung von Ärztekammer und Verbänden nicht fündig geworden zu sein. Also ging sie zur Kosmetikerin – bei der das extrem zeitaufwendige Verfahren im Übrigen wegen des geringeren Stundensatzes deutlich günstiger ist. Gegen die Weigerung, Beihilfe zu den Kosten zu leisten, klagte die Frau dann. Immerhin ging es um 72 Euro pro Behandlungseinheit – von denen ganze 120 Stück geplant waren.

Das Berliner Verwaltungsgericht aber urteilte am 17. Januar zugunsten des Landes Berlin. Das Urteil wurde jetzt erst bekannt. Die Beamtin legte bereits Berufung gegen ein. Und die wurde auch schon wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage zugelassen.

Als nächstes muss sich also das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg mit der Frage beschäftigen. Und könnte nach Jahrzehnten vergleichbarer Rechtsstreitigkeiten vielleicht mal ein Urteil fällen, das weniger Rücksicht auf kaum einhaltbare Richtlinien nimmt, sondern auf die tatsächlichen medizinischen Bedürfnisse.

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Verfahren oft alternativlos

Viele transgeschlechtliche Frauen reduzieren die Gesichtsbehaarung mithilfe von Verfahren, bei denen spezielle Licht- oder Laserimpulse eingesetzt werden. Vorausgesetzt, sie können auch diese nicht unerheblichen Kosten eigenständig schultern. Auch mit den vor Kurzem angehobenen Hartz-IV-Sätzen jedenfalls ist das schwierig bis unmöglich. Ein Teufelskreislauf, wenn man bedenkt, dass transgeschlechtliche Coming-outs nicht selten Diskriminierung, Mobbing und Jobverlust zur Folge haben.

Das Problem: Diese Verfahren wirken umso schlechter oder auch gar nicht, je dunkler die Haut und je heller das Haar der Patientinnen ist. Und eine restlose Entfernung der Haare gilt darüber hinaus auch als unmöglich. Krankenkassen weigern sich überdies, die Kosten für diese Verfahren zu tragen, weil es keine wissenschaftlichen Nachweise ihrer Wirksamkeit gibt.

Bei der Nadelepilation hingegen wird eine winzige Metallsonde entlang des Haares in die Haut eingeführt. Dort wird dann die Haarwurzel durch Strom oder durch eine ausgelöste chemische Reaktion verödet. Weil Haare jedoch in Zyklen wachsen, muss die Methode auch an der selben Hautstelle über einen längeren Zeitraum wiederholt angewendet werden. Nur so werden alle in der Haut befindlichen Haarwurzeln auch zerstört.

Die grundsätzliche Bedeutung der Kostenübernahme von Haarentfernungsverfahren sah auch ein Gericht im niedersächsischen Celle im Jahr 2020 (queer.de berichtete). Das Bundessozialgericht entschied jedoch Ende desselben Jahres, dass der sogenannte Arztvorbehalt aufrechterhalten blieb (queer.de berichtete). Im Jahr 2021 bestätigte das Stuttgarter Sozialgericht diese Sichtweise gegenüber einer intergeschlechtlichen Person – und zwar selbst dann, wenn es eine "faktische Versorgungslücke" gibt (queer.de berichtete). (jk)

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#1 Maybeme
  • 03.03.2023, 16:12hBochum
  • Das mit der Versorgungslücke finde ich immer noch am genialsten.

    Hier im Ruhrgebiet kenne ich bislang keinen einzige Arzt, der Nadelepilation durchführt und wir reden vom Ruhrgebiet. (Mag sein, dass es welche gibt, die bislang weder ich noch Freunde gefunden haben, aber eigentlich nur Laser)-

    Aber ja, vergessen, wir sind halt nur Bürger 2ter Klasse.
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#2 PolitikverdrossenAnonym
  • 03.03.2023, 16:23h
  • Antwort auf #1 von Maybeme
  • In ganz Deutschland gibt es 2 Ärzte wo es anbieten beide privatärztlich.
    Beide hoffnungslos überlaufen - man ist chancenlos.

    Heilpraktiker werden übrigens oft von den Kassen abgelehnt mit Hinweis auf den Arztvorbehalt.
    Hier ist die Rechtssprechung ebenfalls uneinheitlich.

    Früher gab es wenigstens die Delegationsmöglichkeit also ein Arzt gab den Auftrag der Ausführung weiter an einen Kosmetiker und überwachte den Vorgang.
    Auch dies ist weggefallen dabei ist dies bei medizinischer Indikation selbst in Krankenhäusern die Norm.
    Nur eben nicht bei uns...

    Man kann es sich nur selbst finanzieren als trans und blond.
    3 Klassenmedizin...
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#3 Elena
  • 03.03.2023, 17:40h
  • Diese Welt könnte schön sein, Politik sinnvoll und Gesetze gerecht. Ich weiß ich bin ganz schön naiv.
    Lieber bezahlt die Beihilfe, die wesentlich höheren Kosten, wenn aufgrund schlechtem Passing - etwas Schlimmes passiert ist oder sich etwaige psychische Folgen deshalb negativ auswirken.
    Ich könnte heulen.
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