Drei Jahre ist es her, dass die erste Staffel "Next in Fashion" zu sehen war. Alle großen Streamingdienste waren damals damit beschäftigt, neben Filmen und Serien auch Reality- und Competition-Shows in ihr Portfolio zu hieven, um auch noch die (von Live-Sport-Events abgesehen) letzte Lücke zum gängigen Fernsehangebot zu schließen. Neben Koch-Wettbewerben und Liebesanbahnungsmaßnahmen war nicht zuletzt die Suche nach neuen Modedesign-Stars schwer angesagt, schließlich hatte im US-TV die Sendung "Project Runway" jahrelang gezeigt, dass sich so zwar nur selten echte Karrieren à la Christian Siriano, aber auf jeden Fall gute Quoten machen lassen.
Bei Netflix und "Next in Fashion" ging der Plan allerdings nicht so wirklich auf. Man orientierte sich teilweise an besagtem Vorbild (durch die Sendung führten also ein Model und ein queerer Mann mit viel Stilbewusstsein), wollte sich aber gleichzeitig auch absetzen, was zur Folge hatte, dass die Designer*innen in einem nie wirklich durchschaubaren Team-Modus gegeneinander antreten mussten. Die Publikumsreaktionen fielen verhalten aus, kein halbes Jahr nach Start der Show hieß es, dass es keine Fortsetzung geben wird. Doch siehe da: Eine Pandemie und einen anhaltenden Mangel an neuen Ideen später gibt's nun doch noch eine zweite Staffel.
Aus Fehlern der ersten Staffel gelernt
An der Seite von "Queer Eye"-Star und Netflix-Allzweckwaffe Tan France moderiert nun nicht mehr Alexa Chung, sondern Gigi Hadid. Eine erfreuliche Neuerung, nicht nur, weil das Supermodel seine Sache richtig gut macht, sondern auch, weil dieses Mal darauf verzichtet wird, dass die beiden dem Publikum zwischendurch irgendwelche 08/15-Fashion-Tipps geben. Auch die Idee der Zweier-Teams wurde fallen gelassen. Stattdessen gehen die zwölf Kandidat*innen, die alle entweder bereits in der Modebranche arbeiten oder mindestens reichlich Design-Erfahrung haben, individuell an den Start; am Ende jeder Episode muss eine*r sich verabschieden. Das Preisgeld ist um 50.000 Dollar auf 200.000 Dollar gesunken, und als Kollaborationspartner dient nicht mehr Net-a-Porter, sondern "nur noch" Rent the Runway, was sich für die Show aber als zweitrangig erweist.
Aufstellung der Kandidat*innen (Bild: Netflix)
Die große Stärke von "Next in Fashion" liegt weniger im Talent der Designer*innen, das bei einigen deutlicher zutage tritt als bei anderen, aber angesichts von mitunter hanebüchen Zeitvorgaben (für manchen Entwurf steht nicht einmal ein ganzer Arbeitstag zur Verfügung) ohnehin selten voll entfaltet werden kann. Vielmehr ist sind es die teilnehmenden Persönlichkeiten, von denen – wie so oft in solchen Formaten – die Sendung lebt und die für ein erfreuliches Maß an Diversität sorgen. Von der lesbischen Ex-Basketballerin Desyrée Nicole über Drag-Designer Danny Godoy und queeren Schwarzen Kandidaten wie Qaysean Williams und Deontré Hancock bis hin zu einem der wunderbarsten Repräsentations-Momente von Trans-Maskulinität seit langem – hier gibt es, ganz unabhängig von Mode, vieles ins Herz zu schließen.
Davon abgesehen halten sich Stärken und Schwächen in dieser neuen Staffel die Waage. Tan France und Gigi Hadid sieht man gerne zu, während der schwule Dauer-Gastjuror Jason Bolden (seinerseits samt Ehemann bekannt aus der Netflix-Sendung "Styling Hollywood") optisch wie inhaltlich eher blass bleibt. Immerhin gegen sich auch Donatella Versace, Bella Hadid oder Balmain-Chefdesigner Olivier Rousteing als Gäst*innen die Ehre. Dass der Show, die ausschließlich in einem tageslichtlosen, nicht übermäßig großen Studio gedreht wurde und im allzu grellbunt-künstlicher Netflix-Optik gehalten ist, im Vergleich zum großen Vorbild "Project Runway" oder der Prime.Video-Variante "Making the Cut" das deutlich niedrigere Budget ein bisschen zu sehr anzusehen ist, können aber auch sie nicht verhindern.
Mehr queere Kultur:
» auf sissymag.de