Anfang Januar sorgte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) mit seiner Frauensauna-Äußerung per Interview mit der "Zeit" dafür, dass Community und Unterstützer*innen von einer geplanten Aufnahme einer spezifischen Diskriminierungserlaubnis transgeschlechtlicher Frauen in das Selbstbestimmungsgesetz ausgegangen waren (queer.de berichtete).
Die Kritik war einhellig. Der Vorsitzende der SPDqueer Oberfranken zum Beispiel, Sebastian Kropp, forderte Buschmann per Offenem Brief auf, sein auf das Interview tagelang folgendes Schweigen zu brechen und klarzustellen, ob tatsächlich eine gesetzliche Schlechterstellung im Selbstbestimmungsgesetz enthalten sein solle (queer.de berichtete). Und auch der Queerbeauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann, äußerte sich öffentlich irritiert.
Dann aber soll alles nicht so gemeint gewesen sein. Ein Ministeriumssprecher hatte gegenüber queer.de klargestellt: Es gebe keine Pläne, in das Selbstbestimmungsgesetz eine Erlaubnis zur spezifischen Zurückweisung transgeschlechtlicher Personen von bestimmten Angeboten, Dienstleistungen und Räumen einzufügen. Es sollten im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens bloß "Sorgen" entkräftet werden (queer.de berichtete). Gemeint waren natürlich die Sorgen von Transfeind*innen.
Also alles gut? Mitnichten. Anfang Februar äußerte sich der Minister gegenüber dem Berliner "Tagesspiegel" aufs Neue ganz genau so problematisch. Und wieder reagierte die queere Community irritiert.
Unbekannte Ausschlussregel
Es solle, hieß es dort wieder, Betreiber*innen von Frauensaunen möglich sein, beim Einlass eine Unterscheidung zwischen Cis und Trans vorzunehmen: "Es wird aber vielleicht auch Einrichtungen geben, die nicht anhand des Geschlechtseintrags differenzieren wollen. Wo es dafür ein nachvollziehbares Bedürfnis gibt, etwa in Saunen, wird das weiterhin möglich sein, wie es heute auch der Fall ist."
Doch eine solche Regelung ist schlicht unbekannt. Oder handelt es sich um ein großes Missverständnis? Natürlich fragten wir nach: Wenn die Aufnahme einer Erlaubnis zur spezifischen Zurückweisung transgeschlechtlicher Personen von bestimmten Angeboten, Dienstleistungen und Räumen im Selbstbestimmungsgesetz nicht vorgesehen ist – wie es in der vorherigen Antwort geheißen hatte – in welchem Gesetz oder mit welchem Mechanismus solle dann der vom Minister nun aufs Neue vorgebrachte Ausschluss geregelt sein oder werden?
Die Antwort des Ministeriums: "Die von Ihnen wiedergegebenen Aussagen sind weiterhin richtig und stehen auch nicht in einem Widerspruch. Ich kann nochmals bekräftigen, dass nicht geplant ist, in das Selbstbestimmungsgesetz eine Erlaubnis zur spezifischen Zurückweisung transgeschlechtlicher Personen von bestimmten Angeboten, Dienstleistungen und Räumen aufzunehmen. Umgekehrt soll mit dem Selbstbestimmungsgesetz keine Beschränkung der Vertragsfreiheit oder des Hausrechts vorgenommen werden. Diese sollen weiterhin im Rahmen der bestehenden rechtlichen Grenzen ausgeübt werden können."
Keine Antwort ist natürlich auch eine Antwort. Wir ließen uns nicht abwimmeln und fragten aufs Neue an. Vom Ministerium wollten wir jetzt wissen: "Auf welche Aspekte der Vertragsfreiheit und des Hausrechtes spielen Sie in Ihrer vorangegangenen Antwort an, wenn wir beim Beispiel der Frauensauna bleiben, in der eine Geschäftsführerin ihren Kundenstamm begrenzt? Wie könnte sie dies nach geltender Rechtslage tun?"
Und natürlich wollten wir in dieser und auch der vorherigen Anfrage bereits wissen, wie man sich im Ministerium den Ausschluss transgeschlechtlicher Frauen überhaupt auf der rein praktischen Ebene vorstellt. Wir fragten etwa: Wie plant das Ministerium der Justiz, zu gewährleisten, dass eine Regelung, die den Ausschluss bestimmter transgeschlechtlicher Frauen aus einer Frauensauna ermöglicht, tatsächlich nur transgeschlechtliche Frauen und nicht zum Beispiel auch intergeschlechtliche Frauen oder sonstige Frauen trifft, die fälschlicherweise für transgeschlechtlich gehalten werden?
Oder: Gelten die Mechanismen ausschließlich für transgeschlechtliche Frauen, oder wäre es zum Beispiel nach gegenwärtig geltender Vertragsfreiheit und dem Hausrecht möglich, eine Frau von der Nutzung einer Frauensauna auszuschließen, weil sie bestimmten Schönheitsidealen nicht entspricht oder weil sie infolge einer Amputation der Brust wegen einer Krebserkrankung eine flache, männlich wirkende Brust hat?
Die Antworten auf all diese Fragen würden wir an dieser Stelle gerne berichten. Nur: Das Ministerium antwortete nicht mehr. Wobei das falsch wäre: Es antwortete, nur eben nicht mehr auf diese Mail.
Sprach sich da eventuell ein Ministeriumssprecher nicht mit dem Minister ab? Wir beschlossen, dass wir unsere Fragen direkt an Marco Buschmann richten wollten und baten um ein Interview. Immerhin hatte Buschmann in den vergangenen Wochen verschiedenen Medien Interviews gegeben – da wird ja wohl auch ein Gespräch mit uns als ausnahmsweise mal mit queerspezifischer Expertise ausgestattetem, größtem Nachrichtenportal derjenigen Gruppe drin sein, die von dem Gesetzesvorhaben des Ministers betroffen ist?
Antwort: "Ein mündliches Interview mit Bundesminister Dr. Marco Buschmann kann ich Ihnen leider nicht anbieten." Aber sobald der Entwurf für das Selbstbestimmungsgesetz veröffentlicht würde, könnten wir uns ja noch ein mal für die Führung eines schriftlichen Interviews melden. Das bekämen wir dann auch – "gegebenenfalls".
Mehr Antworten im Podcast
Unterdessen machte Buschmann fröhlich weiter. In einem Podcast der "FAZ" bekräftigte er am 15. Februar aufs Neue genau die selbe, angeblich kommende Möglichkeit zur Ungleichbehandlung. Vom Host des Podcasts auf den "Shitstorm" angesprochen, den Buschmann infolge seiner Frauensauna-Äußerungen geerntet hatte, erklärte er, beim Vortragen von "Sorgen oder Problemen" nach Vorstellung des Eckpunktepapiers im vergangenen Jahr sei gefragt worden, ob transweibliche Personen dann ins Frauenhaus, in die Frauensauna oder ins Frauenfitnessstudio könnten.
Da habe es sich Buschmann "erlaubt, darauf hinzuweisen" und in seinem Haus "sehr viel Aufwand betrieben", dass "wir sauber abprüfen", dass das, was man im Eckpunktepapier gesagt habe, eingehalten werde. Man wolle "in erster Linie das Bürger-Staats-Verhältnis regeln", es in der Gesellschaft aber ermöglichen, dass es "eigene Regeln" gibt.
Buschmann sei fest überzeugt, heißt es dort weiter, dass es "in Berlin" Frauensaunen geben werde, in denen es heiße: "auch trans Frauen sind Frauen". Menschen, die sich damit wohl fühlten, würden dort hin gehen. Und: "Es wird auch – und nur das soll möglich sein, ohne, dass man dann verklagt werden kann oder so – wird es Anbieter geben, die sagen: 'Wir stellen dabei aufs biologische Geschlecht ab'."
Buschmann glaube, dass es eine pragmatische Entscheidung sei, die dazu beitrage, dass das Gesetz eine "ganz breite Akzeptanz bekommen wird". Man würde im Wesentlichen "nicht die Gesellschaft zu irgendwas drängen, was sie nicht möchte, sondern es bleiben freie Entscheidungen".
Später fügte er hinzu: "An diese personenstandsrechtliche Erklärung ist nicht zwingend all das gebunden, was früher ans biologische Geschlecht gebunden war". Es müsse in der Gesellschaft differenzierte Regelungen auf der Basis von Privatautonomie im Rahmen sittlicher, ethischer und rechtlicher Standards geben. Die Frage des biologischen Geschlechts offenbare sich in bestimmten Kontexten zudem "von ganz alleine". Aha?
Rechtliche Grundlagen weiterhin unklar
Doch auch im Podcast-Interview mit den "FAZ"-Kolleg*innen erklärt Buschmann die rechtlichen Grundlagen seines Vorhabens nicht. Wie soll sich das personenstandsrechtliche Geschlecht durch das Selbstbestimmungsgesetz vom biologischen Geschlecht lösen, wenn das nicht schon längst durch das Transsexuellengesetz von 1981 der Fall gewesen ist? Welches Urteil, welche Gesetzesnorm erlaubt künftig die Zurückweisungen transgeschlechtlicher Kund*innen von bestimmten Angeboten, Dienstleistungen und Räumen, wenn es eine solche Regelung bislang nicht gibt?
Und: Im Podcast spricht Buschmann in Bezug auf die Ermöglichung des Ausschlusses selber von einer "pragmatischen Entscheidung". Das bedeutet im Umkehrschluss, dass er sich auch hätte anders entscheiden können, nämlich gegen eine neu einzuführende Möglichkeit des Ausschlusses von trans Frauen.
Das widerspräche jedoch der wiederholten Behauptung des Ministeriumssprechers, dass der Aspekt eben nicht neu ins kommende Selbstbestimmungsgesetz aufgenommen werde, sich nur auf sowieso schon bestehende Regelungen der Vertragsfreiheit und des Hausrechts beziehe. Regelungen, die auf mehrfache Nachfrage freilich nicht benannt worden sind.
Mangel an Eignung
Buschmann scheint zudem tatsächlich zu glauben, dass man trans Personen ihre Transgeschlechtlichkeit prinzipiell ansieht. Das ist natürlich Unsinn und verweist auf die prinzipielle Unkenntnis und die mangelnde Eignung des Ministers, die Implikationen seiner irrlichternden Entscheidungen und seiner Kommunikation zu begreifen. Denn nur so dürfte sich auch erklären, dass er eine Reihe von Folgeproblemen nicht erkennt.
Was ist etwa mit Menschen, die fälschlicherweise für transgeschlechtliche Frauen gehalten werden? Und was mit Menschen, die für cisgeschlechtliche Frauen gehalten werden, obwohl sie transgeschlechtliche Frauen oder Enbies sind? Und wenn die dann zwar nicht von den Mitarbeiter*innen, aber durch andere Nutzerinnen in der Sauna als trans identifiziert werden – ist das dann nach Strafgesetzbuch als Erschleichen von Leistungen strafbar oder ein Verstoß gegen das Hausrecht?
Und überhaupt: Wenn der Zugang und Ausschluss bei Frauensaunen und Co. künftig per Vertragsfreiheit und Hausrecht geregelt wird, wieso sollte diese Regel dann auf Saunen beschränkt bleiben? Könnte dann nicht jedes Gewerbe, jede Schule oder jede Universität Schilder an ihre Toiletten hängen, dass diese nur für cisgeschlechtliche Personen seien? Das liefe, übrigens, darauf hinaus, dass es für nichtbinäre Personen mit dem Geschlechtseintrag Divers nicht mehr bloß gefährlich ist, einfach nur aufs Klo zu gehen. Es wäre dann an vielen Orten verboten.
Und was ist mit all den androgynen Lesben, denen bei der Geburt das weibliche Geschlecht zugewiesen worden ist und die jetzt schon auf Frauenklos oder in Frauenfitnessstudios regelmäßig angepöbelt und des Raumes verwiesen werden? Sie dürften sich auf eine Verschlimmerung ihrer Gefährdungslage einstellen.
Zwangsoutings vorprogrammiert
Sieht Marco Buschmann zudem nicht das riesige Potential für Zwangsoutings, das mit dem Entstehen eines Flickenteppichs gesetzlich abgesegneter No-Go-Areas insbesondere für transgeschlechtliche Frauen einhergeht? Ein Beispiel: Wird eine transgeschlechtliche Frau von ihren cisgeschlechtlichen Freundinnen zum Schwimmen eingeladen und stellt erst vor Ort fest, dass sie keinen Zutritt zum Umkleidebereich hat, müsste sie sich ihren Freundinnen gegenüber aufgrund staatlichen Zwangs offenbaren, um die Situation zu erklären.
Dazu würde es aber wohl nur selten kommen. Denn trans Personen vermeiden schon jetzt massenhaft solche Situationen, indem sie sich aus dem sozialen Leben zurückziehen. Das Selbstbestimmungsgesetz sollte aber dazu dienen, dieses Problem abzumildern. Nicht dazu, es zu verschlimmern.
Und: Die Änderung des amtlichen Geschlechtseintrags und des vergeschlechtlichten Namens hat eben nicht nur eine Änderung im Verhältnis zwischen dem Staat und transgeschlechtlichen Bürger*innen, mithin bloß im Anschreiben staatlicher Briefe, zur Folge. Genau das aber wiederholt Buschmann verhängnisvollerweise zur Besänftigung organisierter Transfeind*innen als sein Mantra.
Die Anerkennung des vergeschlechtlichen Namens hat massive, lebenswichtige Folgen für alle möglichen Geschäftsverhältnisse und alltäglichen Beziehungen zwischen Bürger*innen. So hilft ein an das Erscheinungsbild angepasster Name trans Personen dabei, einen Wohnraummietvertrag zu unterschreiben, ohne dabei zwangsweise als trans geoutet zu werden und einer erheblichen Diskriminierungsgefahr ausgesetzt zu sein. Nämlich der, die Wohnung dann einfach nicht zu bekommen.
Trans Personen können mit einem geänderten Eintrag zusammen mit anderen Personen im öffentlichen Nahverkehr unterwegs sein, ohne zu fürchten, dass die Kontrolle eines personengebundenen Tickets zu einem Zwangsouting führt. Sie können in WGs einziehen, ohne, dass eingeworfene Briefe sie vor ihren Mitbewohner*innen outen. Sie können ein Telefongespräch mit ihrer Bank führen, ohne die Erwiderung zu hören, dass sie gar nicht sie selbst seien. Die Zahl der sich aus falschen Einträgen ergebenden, potentiellen zwischenmenschlichen Probleme ist schier unüberschaubar. All das ist in den Bemühungen der Bewegung für Trans-Rechte, das TSG endlich abzuschaffen, immer und immer wieder dargestellt worden. Hat der Minister nicht zugehört?
Wenigstens ein Lichtblick bliebe bei Marco Buschmanns abstrusen Plänen: Pinkeln in Berlin sollte in jedem Fall drin bleiben. Zumindest bei denjenigen Toiletten, deren Aufsteller*innen dem Motto "Auch trans Frauen sind Frauen" folgen. Eben alles gänzlich frei auch nur vom Anschein von Zwang.
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Auch darum, weil es Jeja immer wieder gelingt, aufzuzeigen, wer von solchen vermeintlich 'nur' gegen trans Frauen gerichteten Regimen mit geschädigt wird, schon jetzt.
Ich bin nicht die erste, die sagt, daß die Ausschlüsse aus spezifischen Räumen auf den Ausschluß aus dem einen Raum hinauslaufen, der bei Hannah Ahrend 'die Erde bewohnen' heißt. Janice Raymond hatte ja 1979
den Genozid ausgerufen.
Jeja hat recht: der Rückzug aus dem öffentlichen Raum ist alternativlos. Besonders aus dem lesbisch-feministisch- queeren, da ist es am schlimmsten. In ein paar Tagen ist der 08. März, aka
Großes TERF-Fest.
Sonnenbaden, Schwimmen, Sauna? Unmöglich, lebensgefährlich. Frauenräume? Ich 'dringe' ganz sicher dort nicht 'ein'. Terror, Lebensgefahr, Armut, krank werden - danke, Feminismus, mit und ohne
Queer.