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Essayband

Über Sexualkapital, queere Heilige und die Macht der Tops

Verbotenes Begehren, unbändige Lust, queere Pornos: Eva Tepest reflektiert in ihrem ersten Buch "Power Bottom" so persönlich und lakonisch über Sex, wie man es lange nicht gelesen hat. Ein echtes Lesevergnügen.


Symbolbild: Eva Tepest schreibt darüber, wie sich eine feministische Haltung mit Unterwerfungs-Fantasien vereinbaren lässt (Bild: IMAGO / Cola Images)

"Dear reader, ich bin ein Power Bottom, und du verfällst mir": Dieser Satz aus Eva Tepests titelgebendem Essay vereint schon ziemlich gut, worum es in den Texten geht und vor allem, mit welcher Haltung Eva Tepest an sie herantritt: Sex, klar, steht im Mittelpunkt der sechs literarischen Essays des Bandes "Power Bottom" (Amazon-Affiliate-Link ). Was auch sonst bei dem Titel und einem Strap-on auf dem Cover.

Genauer: Eva Tepest schreibt über queeren Sex, über Unsicherheiten und Verunsicherungen, über Vorlieben, die man sich eigentlich gar nicht eingestehen mag, darüber, wie sich eine feministische Haltung mit Unterwerfungs-Fantasien vereinbaren lässt. Über die "fingierte Macht der Tops", die dey nicht auf Schwule beschränkt, und der dey eine auf Walther Benjamin aufbauende "Dialektik des Begehrens" entgegensetzt: "Denn ein Top ist nichts ohne Bottom, ein Bottom nichts ohne Top."

Die Krux des neoliberalen Sexualkapitals


"Power Bottom" erscheint am 6. März 2023 im Berliner März Verlag

Die Texte, die so hübsche Titel wie "Pornhub", "Auslaufen" oder "Queere Heilige" tragen, sind klug und wohldurchdacht, aber nicht bis zum Äußersten geschliffen, ihnen haftet stets etwas Rohes an. Bisweilen wirken die Essays wie ein geordneter, aber unmittelbarer Gedankenstrom, dem man sehr gerne folgt, dann wieder reflektiert Eva Tepest ausführlich und stützt sich auf Philosoph*innen, Denker*innen, Studien. Dabei pflegt dey einen lakonischen, ganz unprätentiösen Stil. Die Texte bilden so eine ganz angenehme inhaltliche und stilistische Melange: literarisch und fundiert, mal nebeneinander und mal gleichzeitig.

Doch Tepest übt auch handfeste Kritik, wenn dey das Konzept des "neoliberalen Sexualkapitals" der Soziologinnen Eva Illouz und Dana Kaplan auf Queerness überträgt: "In den kreativen Mittelschichten der urbanen Zentren und auf den sozialen Medien profitieren Menschen mitunter ganz handfest von einem queer wirkenden Auftreten." Klar ist, dass insbesondere race, class und gender bestimmen, wer wie sehr davon profitiere. Kulturinstitutionen schmückten sich, so Tepest, gerne mit queeren Federn, während die Führungsebene "nach wie vor überwiegend cis-männlich und weiß bestückt" sei. Ausschluss könne dafür nicht die Lösung sein, sondern allenfalls Solidarität.

Bislang 2.000 Orgasmen im Leben

Eva Tepest schafft es, über vermeintliche Tabus zu schreiben, aber ohne das oft anstrengend wirkende Ziel, irgendetwas enttabuisieren zu wollen. Dey schreibt einfach über Gewalt in Pornos, religiös aufgeladenen Sex oder zählt, wie viele Orgasmen das lyrische Ich im Laufe des Lebens hatte. Spoiler: knapp 2.000, etwa zwei pro Woche.

Das ist noch eine Stärke der Texte von Eva Tepest: Dey reflektiert im letzten Kapitel, einem Gespräch mit Lynn Takeo Musiol (beide organisieren gemeinsam die Reihe "Dyke Dogs") ausführlich, welche Vorteile autofiktionales Schreiben für dey selbst hat sowie für ihre Vorreiter*innen James Baldwin oder Eileen Myles bedeutete. Es geht um ein literarisch vermitteltes "Gefühl vom In-der-Welt-Sein aus einer notwendigerweise subjektiven Perspektive". Die Texte sind nicht nur ehrlich, sondern auch persönlich und unmittelbar. Sie sind mutig, stellen aus, machen angreifbar – und sind diskussionswürdig im besten Sinn.

Infos zum Buch

Eva Tepest: Power Bottom. Essays über Sprache, Sex und Community.160 Seiten. März Verlag. Berlin 2023. Hardcover: 18 € (ISBN 978-3-7550-0017-4). E-Book: 14,99 €

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